Rz. 27

Der Arbeitnehmer muss die 3-Wochen-Frist auch dann einhalten, wenn er die Kündigung nicht für sozialwidrig, sondern "aus anderen Gründen" für rechtsunwirksam hält. Praktisch relevant sind insbesondere die folgenden Fallgruppen:

5.1 Stellvertretung aufseiten des Arbeitgebers

 

Rz. 28

Wird die Kündigung durch einen Vertreter des Arbeitgebers ausgesprochen, der nicht über die erforderliche Berechtigung zur Stellvertretung (Vertretungsmacht) verfügt, ist die Kündigung bei entsprechender Rüge durch den Arbeitnehmer nach § 180 Satz 1 BGB nichtig. § 4 Satz 1 KSchG findet keine Anwendung, wenn ein vollmachtloser Vertreter oder ein Nichtberechtigter die Kündigung ausspricht, da es dann bereits an einer dem Arbeitgeber zurechenbaren Kündigungserklärung fehlt.[1] Dies gilt selbst dann, wenn der vollmachtlose Vertreter nach den äußeren Umständen als bevollmächtigt erscheint.[2] Im Übrigen würde die Anwendung des § 4 Satz 1 KSchG in diesen Fällen zu einer unnötigen Belastung der Arbeitsgerichte mit überflüssigen Kündigungsschutzklagen führen.[3]

 

Rz. 29

Dagegen ist die Kündigung nach den §§ 180 Satz 2 BGB, 177 Abs. 1 BGB nur schwebend unwirksam, wenn der Arbeitnehmer den Mangel der Vertretungsmacht nicht beanstandet oder mit der Stellvertretung trotz fehlender Vertretungsmacht einverstanden ist. Der Arbeitgeber kann die Kündigungserklärung dann wirksam genehmigen. Bei einer einschränkungslosen Anwendung der §§ 4 Satz 1 und 7 KSchG würde man dem Arbeitgeber im Ergebnis die Entscheidung über die Beendigung des Arbeitsverhältnisses nehmen, da die Kündigung nach Ablauf der 3-Wochen-Frist wirksam wäre. Dies wäre ein unzulässiger Eingriff in die Privatautonomie des Arbeitgebers. Die 3-Wochen-Frist des § 4 Satz 1 KSchG beginnt daher nicht mit Zugang der Kündigung, sondern frühestens mit dem Zugang der Genehmigung durch den Arbeitgeber.[4]

 

Rz. 30

Anders ist die Rechtslage, wenn der Arbeitgeber seinen Vertreter zum Ausspruch der Kündigung bevollmächtigt, der Vertreter mit der Kündigung jedoch keine Vollmachtsurkunde vorlegt. In diesem Fall kann der Arbeitnehmer die Kündigung nach § 174 BGB unverzüglich zurückweisen. Die Kündigung ist dann unwirksam. Der Arbeitnehmer muss aber nach § 4 Satz 1 KSchG Kündigungsschutzklage erheben, um eine Heilung dieses Mangels der Kündigung nach § 7 KSchG zu vermeiden.[5] Schließlich fehlt es nicht an der Vertretungsmacht des Vertreters, sondern nur am Nachweis dieser Vertretungsmacht.[6]

[1] BAG, Urteil v. 26.3.2009, 2 AZR 403/07, NZA 2009, 1146, 1147 f.
[2] BAG, Urteil v. 6.9.2012, 2 AZR 858/11, NZA 2013, 524, 526.
[3] Ulrici, DB 2004, 250, 251.
[4] BAG, Urteil v. 6.9.2012, 2 AZR 858/11; BAG, Urteil v. 13.12.2012, 6 AZR 608/11, NZA 2013, 524, 527; AP BGB § 620 Kündigungserklärung Nr. 23.
[5] KR/Rennpferdt, § 13 KSchG Rz. 133; HWK/Quecke, Arbeitsrecht, § 4 KSchG Rz. 8; dagegen z. B. Ulrici, DB 2004, 250, 251.
[6] Bender/Schmidt, NZA 2004, 358, 362; KR/Rennpferdt, § 13 KSchG Rz. 133.

5.2 Geschäftsfähigkeit des Arbeitnehmers und des Arbeitgebers

 

Rz. 31

Die Anwendung des § 4 Satz 1 KSchG darf zwingende gesetzliche Wertungsentscheidungen nicht unterlaufen. Eine Kündigung gegenüber einem geschäftsunfähigen Arbeitnehmer wird nach § 131 Abs. 1 BGB erst wirksam, wenn sie dem gesetzlichen Vertreter zugeht. Erst mit Zugang der Kündigung beim gesetzlichen Vertreter beginnt die Klagefrist des § 4 Satz 1 KSchG zu laufen. Hierfür reicht die Kenntnis des gesetzlichen Vertreters von der Kündigung nicht aus. Vielmehr muss erkennbar sein, dass die Kündigung den gesetzlichen Vertreter erreichen sollte.[1] Ob das Kündigungsschreiben hierfür an den gesetzlichen Vertreter adressiert sein muss, hat das BAG offengelassen. Im Fall der Kündigung eines minderjährigen Auszubildenden, der noch bei seinen Eltern wohnte und über keinen eigenen Briefkasten verfügte, hat das BAG aber den Adresszusatz "gesetzlich vertreten durch" ausreichen lassen.[2]

 

Rz. 32

Ähnlich ist die Rechtslage nach § 131 Abs. 2 BGB bei der Kündigung gegenüber einem beschränkt geschäftsfähigen Arbeitnehmer. Die Kündigung bringt dem minderjährigen Arbeitnehmer, der mit der Beendigung des Arbeitsverhältnisses seine vertraglichen Vergütungsansprüche für die Zukunft verliert, rechtliche Nachteile. Die Kündigung wird daher grundsätzlich erst mit Zugang beim gesetzlichen Vertreter des Arbeitnehmers wirksam. Vielfach wird der gesetzliche Vertreter aber dem Abschluss des Arbeitsvertrags zugestimmt haben. Wenn hierin im Einzelfall eine Ermächtigung nach § 113 BGB liegt, ist der Zugang der Kündigung beim minderjährigen Arbeitnehmer für den Beginn der 3-Wochen-Frist maßgeblich.[3]

 

Rz. 33

Kündigungen durch den geschäftsunfähigen Arbeitgeber sind nach § 105 BGB unwirksam. Dagegen gilt § 111 BGB, wenn der Arbeitgeber minderjährig und daher in der Geschäftsfähigkeit beschränkt ist. Die Kündigung ist nur wirksam, wenn sie mit Einwilligung des gesetzlichen Vertreters, also mit dessen vorheriger Zustimmung nach § 183 BGB, ausgesprochen wird. Ist die Kündigung wegen mangelnder Geschäftsfähigkeit des Arbeitgebers unwirksam, wird diese Unwirksamkeit auch nicht durch Fristablauf nach §§ 4 Satz 1...

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