Rz. 98

Eine betriebsbedingte Änderungskündigung allein zur Entgeltabsenkung ist, da der Arbeitgeber dadurch nachhaltig in das arbeitsvertraglich vereinbarte Verhältnis von Leistung und Gegenleistung eingreift, nur dann sozial gerechtfertigt, wenn bei einer Aufrechterhaltung der bisherigen Personalkostenstruktur weitere, betrieblich nicht mehr auffangbare Verluste entstehen, die absehbar zu einer Reduzierung der Belegschaft oder sogar zu einer Schließung des Betriebs führen würden.[1] Regelmäßig setzt eine solche Situation einen umfassenden Sanierungsplan voraus, der alle gegenüber der beabsichtigten Änderungskündigung milderen Mittel ausschöpft. Diese Voraussetzungen hat das BAG als erfüllt angesehen bei Änderungskündigungen aufgrund von in einem Sanierungskonzept enthaltenen Sanierungs- und Umstrukturierungsmaßnahmen zur Abwendung einer drohenden Insolvenz.[2] Der Arbeitgeber muss im Prozess im Einzelnen die Finanzlage des Betriebs, den Anteil der Personalkosten, die Auswirkungen der erstrebten Kostensenkungen für den Betrieb und die Arbeitnehmer darstellen und darlegen, warum andere Maßnahmen nicht in Betracht kommen.[3] Dies gilt auch bei Änderungskündigungen zum Abbau von übertariflichen Leistungs- oder Funktionszulagen.[4]

 
Hinweis

Eine Änderungskündigung mit dem Ziel einer Entgeltreduzierung ist (bei gleich bleibender Tätigkeit und Dauer der Arbeitszeit) nur unter sehr eingeschränkten Voraussetzungen möglich. Der Arbeitgeber ist nur im absoluten Ausnahmefall berechtigt, in das vertraglich vereinbarte Verhältnis von Leistung und Gegenleistung einzugreifen.

Keine (reine) Entgeltreduzierung in diesem Sinne liegt vor, wenn gegenüber einem liquidationsberechtigten leitenden Arzt entsprechend neu auf das Krankenhaus anwendbaren Regelungen eines Landeskrankenhausgesetzes eine Beteiligung der nachgeordneten Ärzte an seinen Honorareinnahmen sichergestellt werden soll. In diesem Fall kann eine Änderungskündigung mit dem Ziel gerechtfertigt sein, den gesetzlichen Abführungspflichten im Verhältnis zwischen Krankenhausträger und Chefarzt Geltung zu verschaffen.[5]

 

Rz. 99

Nicht ausreichend zur sozialen Rechtfertigung einer betriebsbedingten Änderungskündigung zur Entgeltreduzierung ist es, wenn der Arbeitgeber den Arbeitnehmer aufgrund einer Änderung der Beschäftigungslage inzwischen zu für ihn günstigeren Bedingungen einstellen könnte. Der Arbeitgeber bleibt auch dann grundsätzlich an den einmal geschlossenen Arbeitsvertrag gebunden.[6] Vergleichbare Grundsätze gelten bei einem Tarifwechsel des Arbeitgebers.[7] Auch allein die Einführung eines neuen Entgeltrahmenabkommens im Betrieb, nach welchem die Tätigkeit eines bisher außertariflich beschäftigten Arbeitnehmers nunmehr einer Vergütungsgruppe unterfällt, kann eine Änderungskündigung mit dem Ziel der Anpassung (Verschlechterung) der materiellen Arbeitsbedingungen des "AT-Angestellten" an das Tarifniveau nicht sozial rechtfertigen.[8]

 

Rz. 100

Liegen ausnahmsweise die Voraussetzungen für notwendige Entgeltkürzungen vor, muss der Arbeitgeber den Gleichbehandlungsgrundsatz beachten. Er darf das Entgelt nicht ohne sachlichen Grund bei einzelnen Arbeitnehmern kürzen, bei anderen hingegen nicht.[9]

 

Rz. 101

Im öffentlichen Dienst kann eine Änderungskündigung zur Entgeltkürzung bereits aufgrund der Verpflichtung zu einem wirtschaftlichen und sparsamen Umgang mit Haushaltsmitteln sozial gerechtfertigt sein.[10] Regelmäßig nicht sozialwidrig ist im öffentlichen Dienst deshalb auch eine Änderungskündigung zum Zweck der richtigen tariflichen Eingruppierung, soweit irrtümlich vertraglich eine höhere Eingruppierung vereinbart worden ist.[11] Ist arbeitsvertraglich versehentlich eine Beschäftigung als "Angestellter" mit Aufgaben einer bestimmten Vergütungsgruppe vereinbart worden, obwohl die ausgeübte Tätigkeit nur einer geringeren Vergütungsgruppe entsprach, ist eine Änderungskündigung zur "Rückgruppierung" in dem Fall, dass höherwertige Aufgaben nicht übertragen werden können, in Wirklichkeit nicht allein auf eine Umgruppierung, sondern auf eine Änderung der vertraglich geschuldeten Tätigkeit und die entsprechende Anpassung der zu zahlenden Vergütung gerichtet.[12]

[1] BAG, Urteil v. 23.6.2005, 2 AZR 642/04, AP KSchG 1969 § 2 Nr. 81, NZA 2006, 92.
[3] BAG, Urteil v. 23.6.2005, 2 AZR 642/04, AP KSchG 1969 § 2 Nr. 81, NZA 2006, 92.
[4] BAG, Urteil v. 16.5.2002, 2 AZR 292/01, EzA KSchG § 2 Nr. 46, NZA 2003, 147.
[5] BAG, Urteil v. 5.6.2014, 2 AZR 615/13, AP KSchG 1969 § 2 Nr. 181, NZA 2015, 40.
[6] BAG, Urteil v. 12.1.2006, 2 AZR 126/05, AP KSchG 1969 § 2 Nr. 82, NZA 2006, 587, 589.
[7] Vgl. BAG, Urteil v. 25.10.2001, 2 AZR 216/00, EzA BGB § 626 Änderungskündigung Nr. 2, NZA 2002, 1000.
[8] BAG, Urteil v. 8.10.2009, 2 AZR 235/08, n. v.: Auch das Institut einer Störung der Geschäftsgrundlage erlaubt in diesem Fall keine Vertragsanpassung entsprechend dem Änderungsangebot.

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