Rz. 77

Streitgegenstand der Änderungsschutzklage nach § 4 Satz 2 KSchG ist nicht die Wirksamkeit der Kündigung, sondern der Inhalt der für das Arbeitsverhältnis geltenden Vertragsbedingungen.[1] Die Regelung in § 8 KSchG spricht nicht gegen dieses Verständnis. Danach gilt zwar "die Änderungskündigung" als von Anfang an rechtsunwirksam, wenn das Gericht festgestellt hat, dass die Änderung der Arbeitsbedingungen sozial ungerechtfertigt ist. Da aber schon die Annahme des Angebots unter Vorbehalt die Beendigungswirkung der Kündigung beseitigt, ist § 8 KSchG so zu verstehen, dass nur die unter Vorbehalt akzeptierte Änderung der Arbeitsbedingungen von Beginn an entfällt.[2]

 

Rz. 78

Eine Änderung von "Arbeitsbedingungen" i. S. v. § 2 Satz 1, § 4 Satz 2 KSchG steht nur im Streit, wenn der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer im Zusammenhang mit der Kündigung die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses zu geänderten vertraglichen Bedingungen anbietet. § 2 Satz 1 KSchG setzt voraus, dass es zur Änderung der Arbeitsbedingungen einer Kündigung des bestehenden Arbeitsvertrags bedarf. Das ist nur der Fall, wenn der Arbeitgeber die von ihm erstrebte Änderung auf Basis der bestehenden vertraglichen Regelungen gerade nicht zu erreichen vermag.

Das bedeutet umgekehrt, dass eine faktische Änderung, die schon auf der Grundlage des bestehenden Arbeitsvertrags, d. h. ohne Einverständnis des Arbeitnehmers durchsetzbar ist, keiner Vertragsänderung und deshalb keiner Kündigung bedarf. Vom Arbeitgeber erstrebte Änderungen, die er schon durch Ausübung seines Weisungsrechts nach § 106 Satz 1 GewO durchsetzen kann, halten sich im Rahmen der vertraglichen Vereinbarungen und sind keine "Änderung von Arbeitsbedingungen" nach § 2 Satz 1, § 4 Satz 2 KSchG. Soll am bestehenden Vertragsinhalt nichts geändert werden, liegt in Wirklichkeit kein Änderungsangebot vor. Die vermeintlich erst herbeizuführenden Vertragsbedingungen gelten bereits. Eine Änderungsschutzklage ist in diesem Fall – notwendig – unbegründet.[3] Das Gericht wird in einem solchen Fall jedoch zu prüfen haben, ob die vom Arbeitnehmer erklärte Vorbehaltsannahme unter dieser Bedingung überhaupt gelten soll und ggf. eine Fassung des Klageantrags nach § 4 Satz 1 KSchG anregen.

 

Rz. 79

Nach § 4 Satz 2 KSchG ist im Fall von § 2 KSchG die Klage auf Feststellung zu erheben, dass die Änderung der Arbeitsbedingungen sozial ungerechtfertigt oder aus anderen Gründen rechtsunwirksam ist. Gegenstand der Änderungsschutzklage ist damit ausdrücklich auch eine Unwirksamkeit der Änderung der Arbeitsbedingungen aus anderen Gründen[4], was zu § 4 Satz 2 KSchG a. F. nicht eindeutig war.[5]

 

Rz. 80

Nimmt der Arbeitnehmer das Änderungsangebot nicht zumindest unter Vorbehalt an, sondern lehnt er es endgültig ab, steht ausschließlich noch die Beendigung des Arbeitsverhältnisses im Streit. Die dadurch eintretende Bestandsgefährdung verbietet es, die Kündigung als verhältnismäßig zu betrachten, wenn es ihrer nicht bedurft hätte, weil die Änderung der Arbeitsbedingungen bereits aufgrund einer Ausübung des Direktionsrechts hätte erreicht werden können.[6]

 
Hinweis

Bei Zweifeln, ob eine beabsichtigte Änderung der Arbeitsbedingungen noch vom Direktionsrecht erfasst oder der Ausspruch einer Änderungskündigung erforderlich ist, empfiehlt es sich für den Arbeitgeber, sowohl den Arbeitnehmer unter Berufung auf das Direktionsrecht anzuweisen, zu den geänderten Bedingungen tätig zu werden, als auch eine entsprechende Änderungskündigung unter Beachtung der Kündigungsfrist auszusprechen (vgl. näher zur sog. "überflüssigen Änderungskündigung" die Hinweise unter Rz. 16).

 

Rz. 81

Demgegenüber ist der Arbeitgeber aufgrund des "Ultima-Ratio-Prinzips" nicht gehalten, mit dem Arbeitnehmer vor Ausspruch einer Änderungskündigung zunächst in Verhandlungen eine einvernehmliche Änderung der Arbeitsbedingungen zu versuchen. Ausreichend ist, wenn er das Änderungsangebot mit dem Ausspruch der Kündigung unterbreitet. Die Möglichkeit, das Änderungsangebot unter Vorbehalt anzunehmen, schützt den Arbeitnehmer ausreichend vor einer Gefährdung des Bestands des Arbeitsverhältnisses.[7]

[1] BAG, Urteil v. 26.1.2012, 2 AZR 102/11, NZA 2012, 856, Rz. 13.
[3] BAG, Urteil v. 26.1.2012, 2 AZR 102/11, NZA 2012, 856, Rz. 14.
[4] APS/Hesse, 6. Aufl. 2021, § 4 KSchG Rz. 119; Linck/Krause/Bayreuther/Linck, KSchG, 16. Aufl. 2019, § 2, Rz. 222; KR/Kreft, § 2 KSchG, Rz. 246; DDZ/Callsen, KSchR, 12. Aufl. 2024, § 4 KSchG, Rz. 41.
[5] Vgl. KR/Kreft, § 2 KSchG, Rz. 246 ff.
[6] BAG, Urteil v. 6.9.2007, 2 AZR 368/06, AP KSchG 1969 § 2 Nr. 135, Rz. 21.
[7] BAG, Urteil v. 21.4.2005, 2 AZR 132/04, AP KSchG 1969 § 2 Nr. 79, NZA 2005, 1289, zu B II 4 c bb der Gründe.

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