Rz. 55

Im Zusammenhang mit einer beabsichtigten Änderungskündigung kann auch ein Beteiligungsrecht des Betriebsrats nach §§ 99 ff. BetrVG bestehen. Dies ist der Fall, wenn in dem Unternehmen mehr als 20 Arbeitnehmer beschäftigt sind und das Änderungsangebot auf eine personelle Einzelmaßnahme i. S. v. § 99 Abs. 1 Satz 1 BetrVG abzielt. Praktisch wird dies insbesondere dann relevant, wenn mit der beabsichtigten Änderung der Arbeitsbedingungen eine Versetzung (§§ 99 Abs. 1 Satz 1, 95 Abs. 3 BetrVG) und/oder eine Umgruppierung verbunden ist. Für die wirksame Umsetzung dieser Maßnahmen ist dann die vorherige Zustimmung des Betriebsrats erforderlich (§ 99 Abs. 1 Satz 1 BetrVG).

 
Hinweis

Der Arbeitgeber kann die Beteiligungsverfahren nach § 102 Abs. 1 BetrVG und §§ 99 ff. BetrVG miteinander verbinden, muss dann aber gegenüber dem Betriebsrat unmissverständlich klarstellen, dass dieser sowohl zu der beabsichtigten Kündigung angehört als auch um seine Zustimmung zur Versetzung und/oder Umgruppierung ersucht wird.[1]

 

Rz. 56

Der Betriebsrat kann die Zustimmung zu der Versetzung und/oder Umgruppierung in den Fällen des § 99 Abs. 2 BetrVG verweigern. Dies muss schriftlich unter Angabe von Gründen innerhalb einer Woche nach Unterrichtung durch den Arbeitgeber erfolgen (§ 99 Abs. 3 Satz 1 BetrVG). Teilt der Betriebsrat dem Arbeitgeber die Verweigerung seiner Zustimmung nicht innerhalb der Frist schriftlich mit, so gilt die Zustimmung als erteilt (§ 99 Abs. 3 Satz 2 BetrVG).

Verweigert der Betriebsrat frist- und ordnungsgemäß seine Zustimmung, kann der Arbeitgeber beim Arbeitsgericht beantragen, die Zustimmung zu ersetzen (§ 99 Abs. 4 BetrVG). In diesem Fall kann er die Versetzung und/oder Umgruppierung erst dann wirksam vornehmen, wenn die Zustimmung des Betriebsrats rechtskräftig ersetzt worden ist. Unter den Voraussetzungen nach § 100 BetrVG kann der Arbeitgeber die personelle Maßnahme vorläufig durchführen. Will er das gerichtliche Ersetzungsverfahren nicht betreiben oder ist sein Zustimmungsersetzungsantrag rechtskräftig zurückgewiesen worden, kann er die Versetzung und/oder Umgruppierung nicht wirksam durchführen.

 

Rz. 57

Hat der Betriebsrat der Versetzung und/oder Umgruppierung nicht zugestimmt, gilt seine Zustimmung auch nicht nach § 99 Abs. 3 Satz 2 BetrVG als erteilt und ist sie auch nicht auf Antrag des Arbeitgebers gerichtlich ersetzt worden, scheidet somit eine tatsächliche Versetzung und/oder Umgruppierung aus. Die Wahrung der Beteiligungsrechte des Betriebsrats nach §§ 99 ff. BetrVG ist jedoch keine Wirksamkeitsvoraussetzung für den Ausspruch der Änderungskündigung.[2] Die Mitwirkungsrechte nach §§ 99 ff. BetrVG betreffen "lediglich" die tatsächliche Durchführung einer Versetzung und/oder Umgruppierung.[3]

 

Rz. 58

Die Änderungskündigung stellt zwar die auf die Änderung des Arbeitsvertrags abzielende Willenserklärung dar, bewirkt aber nicht unmittelbar auch eine tatsächliche Umsetzung des geänderten Vertragsinhalts. Für sie gilt daher nur das schwächer ausgestaltete Anhörungsrecht des Betriebsrats nach § 102 Abs. 1 BetrVG. Das Nebeneinander der Beteiligungsrechte aus § 102 BetrVG und §§ 99 ff. BetrVG führt somit dazu, dass der Arbeitgeber zwar die Änderungskündigung nach Anhörung des Betriebsrats nach § 102 Abs. 1 BetrVG aussprechen, eine damit beabsichtigte Versetzung und/oder Umgruppierung aber erst tatsächlich umsetzen kann, wenn auch die Beteiligungsrechte des Betriebsrats nach §§ 99 ff. BetrVG gewahrt sind. Solange keine Zustimmung des Betriebsrats zu einer beabsichtigten Versetzung und/oder Eingruppierung vorliegt oder als erteilt gilt oder gerichtlich ersetzt ist, darf er den Arbeitnehmer nicht zu den geänderten Bedingungen beschäftigen – es sei denn, die Voraussetzungen für eine vorläufige Durchführung der Maßnahme nach § 100 BetrVG liegen vor.

 

Rz. 59

Die Unwirksamkeit einer mitbestimmungswidrigen Versetzungsanordnung kann auch der betroffene Arbeitnehmer gerichtlich feststellen lassen.[4] Dies gilt selbst dann, wenn der Arbeitnehmer das mit der Kündigung verbundene Änderungsangebot vorbehaltlos oder unter dem Vorbehalt nach § 2 KSchG angenommen hat. Auch nach Ablauf der Kündigungsfrist muss der Arbeitnehmer dann zu den bisherigen Bedingungen beschäftigt werden, solange keine Zustimmung des Betriebsrats zu der Versetzung und/oder Umgruppierung vorliegt.[5] Der Arbeitnehmer kann eine Beschäftigung zu den geänderten Bedingungen unter Hinweis auf die fehlende Zustimmung des Betriebsrats verweigern. Eine solche Weigerung, einer mitbestimmungswidrig zugewiesenen Beschäftigung nachzukommen, stellt auch kein böswilliges Unterlassen anderweitigen Erwerbs dar, sodass der Arbeitnehmer seinen Anspruch auf Zahlung von Annahmeverzugsentgelt nicht verliert.[6] Beschäftigt der Arbeitgeber den Arbeitnehmer – ggf. auch mit dessen Einverständnis – unter Missachtung der Rechte des Betriebsrats aus §§ 99 ff. BetrVG, kann der Betriebsrat nach § 101 BetrVG die gerichtliche Aufhebung der Maßnahme beantragen.

 

Rz. 60

Dagegen ist die au...

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