Rz. 1

Nach § 19 KSchG kann die Bundesagentur für Arbeit die Einführung von Kurzarbeit durch privatrechtsgestaltenden Verwaltungsakt zulassen, wenn der Arbeitgeber die Arbeitnehmer des von der Massenentlassung betroffenen Betriebs nicht bis zum Ablauf der Sperrfrist voll beschäftigen kann. Die Regelung findet dementsprechend nur dann Anwendung, wenn die gesetzlich geltende oder eine behördlich bestimmte Sperrfrist (§ 18 Abs. 1 und 2 KSchG) die individuelle Kündigungsfrist eines zu entlassenden Arbeitnehmers überschreitet. Die Zulassung von Kurzarbeit tritt dabei in Ergänzung zu § 18 KSchG und kann nur im Zusammenhang mit einer geplanten Massenentlassung, nicht jedoch generell in Zeiten wirtschaftlicher Schwierigkeiten, beantragt werden. Daher ist die Einführung von Kurzarbeit an dieselben Voraussetzungen wie eine Massenentlassung i. S. d. § 17 KSchG geknüpft.[1] Wird dem Arbeitgeber eine entsprechende Ermächtigung durch die Bundesagentur für Arbeit erteilt, ist er berechtigt, abweichend von den arbeitsvertraglichen Regelungen einseitig die Arbeitszeit herabzusetzen und das Arbeitsentgelt entsprechend zu kürzen. Unberührt bleibt dabei jedoch das Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats nach § 87 Abs. 1 Nr. 3 BetrVG.

[1] ErfK/Kiel, 24. Aufl. 2024, § 19 KSchG Rz. 2; LKB/Bayreuther, KSchG, 16. Aufl. 2019, § 19 KSchG Rz. 2; KR/Weigand/Heinkel, 13. Aufl. 2022, § 19 KSchG Rz. 6.

1.1 Regelungszweck

 

Rz. 2

Die Regelung verfolgt den Zweck, die durch eine Sperrfrist nach § 18 KSchG ausgelösten finanziellen und wirtschaftlichen Härten des Arbeitgebers während des Massenentlassungsverfahrens zu mildern.[1] Durch die Zulassung von Kurzarbeit soll es dem Arbeitgeber ermöglicht werden, die noch vorhandene Arbeit gleichmäßig auf alle Arbeitskräfte zu verteilen.[2] Damit sollen die mit der Sperrfrist verfolgten arbeitsmarktpolitischen Ziele mit den berechtigten Interessen des Arbeitgebers in Ausgleich gebracht werden.[3] So sind Massenentlassungen häufig die Folge wirtschaftlicher Schwierigkeiten, insbesondere einer schlechten Auftragslage.[4] Gleichzeitig bilden die Personalkosten einen hohen, wenn nicht den größten Kostenfaktor eines Betriebs. Mithilfe von § 19 KSchG soll der Arbeitgeber eine vergleichsweise einfache Möglichkeit erhalten, Kurzarbeit einzuführen und aufgrund des entsprechend verringerten Kurzarbeitsentgelts Personalkosten einzusparen.[5] Hat die Bundesagentur für Arbeit eine Ermächtigung zur Einführung von Kurzarbeit erteilt, kann der Arbeitgeber auf individualrechtlicher Ebene einseitig die betriebliche Arbeitszeit vorübergehend herabsetzen und das Arbeitsentgelt entsprechend kürzen. Auf kollektivrechtlicher Ebene hat er jedoch das Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats nach § 87 Abs. 1 Nr. 3 BetrVG zu wahren.[6]

[1] BeckOK-ArbR/Volkening, § 19 KSchG Rz. 1; BeckOGK/Naber, § 19 KSchG Rz. 2.
[2] KR/Weigand/Heinkel, § 19 KSchG Rz. 4; LKB/Bayreuther, KSchG, § 19 KSchG Rz. 1; APS/Moll, 7. Aufl. 2024, § 19 KSchG Rz. 2.
[3] APS/Moll, § 19 KSchG Rz. 2.
[4] KR/Weigand/Heinkel, § 19 KSchG Rz. 3.
[5] LKB/Bayreuther, KSchG, § 19 KSchG Rz. 1; APS/Moll, § 19 KSchG Rz. 2.
[6] Gebel, BB 2015, 2485, 2486.

1.2 Praktische Relevanz

 

Rz. 3

Die durch § 19 KSchG ermöglichte Einführung von Kurzarbeit ist jedoch – aufgrund der engen Tatbestandsvoraussetzungen – nur wenig dazu geeignet, den Arbeitgeber von hohen Personalkosten zu entlasten und damit den Normzweck zu erfüllen. Deswegen ist die Vorschrift in der Praxis nur wenig relevant und schafft dementsprechend keinen Ausgleich für den aus Arbeitgebersicht mit einer Massenentlassungsanzeige verbundenen erheblichen und fehleranfälligen Verwaltungsaufwand.[1] Dies liegt vor allem daran, dass

 

Rz. 4

Der Arbeitgeber bleibt bis zum gesetzlichen oder vertraglichen Beendigungstermin des Arbeitsverhältnisses zur Zahlung des vollen Arbeitsentgelts verpflichtet. Die Regelung greift demnach nur dann, wenn die Kündigungsfrist (z.B. bei Kündigungen innerhalb einer Probezeit nach § 622 Abs. 3 BGB) ausnahmsweise kürzer ist als die Sperrfrist und ist auf diesen regelmäßig sehr kurzen Zeitraum beschränkt. Mit anderen Worten: § 19 KSchG beschränkt sich auf diejenigen (wenigen) Fälle, in denen die Agentur für Arbeit einerseits die Sperrfrist verlängert und andererseits eine kurze Kündigungsfrist besteht.[2] Gerade bei langfristig beschäftigten Arbeitnehmern ist die Kündigungsfrist i. d. R. aber weitaus länger als die Sperrfrist, sodass der Arbeitgeber trotz der Einführung von Kurzarbeit die volle Vergütung zahlen muss. Hinzu kommt, dass tarifvertragliche Regelungen über Einführung, Ausmaß und Bezahlung auch nach Zulassung durch die Bundesagentur für Arbeit vorrangig gelten und die Einführung der Kurzarbeit der Mitbestimmung des B...

Das ist nur ein Ausschnitt aus dem Produkt Haufe Personal Office Platin. Sie wollen mehr?

Anmelden und Beitrag in meinem Produkt lesen


Meistgelesene beiträge