Rz. 147

Nach § 17 Abs. 3 Satz 5 KSchG sollen in der Anzeige ferner im Einvernehmen mit dem Betriebsrat Angaben zu Geschlecht, Alter, Beruf und Staatsangehörigkeit der zu entlassenden Arbeitnehmer gemacht werden, um die Arbeitsvermittlung zu erleichtern (insoweit hat die Norm einen rein sozialrechtlichen Regelungsgehalt). Dabei handelt es sich allerdings nur um freiwillige Sollangaben, die keinen Einfluss auf die Wirksamkeit der Massenentlassungsanzeige und eine daraufhin ausgesprochene Kündigung bzw. sonstige Entlassungshandlung (§ 17 Abs. 1 Satz 2 KSchG) haben. Dies gilt erst recht, soweit im Formular der Arbeitsverwaltung nach weiteren Angaben (z. B. Wohnort, zuletzt ausgeübte Tätigkeit, Betriebszugehörigkeit, Schwerbehinderung, Ende der Kündigungsfrist) gefragt wird. Der als bloße Sollvorschrift ausgestaltete § 17 Abs. 3 Satz 5 KSchG bestimmt nach dem eindeutigen Willen des deutschen Gesetzgebers nicht die Wirksamkeit der Massenentlassungsanzeige gegenüber der Agentur für Arbeit. Über diese gesetzgeberische Entscheidung dürfen sich die nationalen Gerichte nicht im Wege einer richtlinienkonformen Auslegung hinwegsetzen. Die Pflicht zur Verwirklichung eines – vermeintlichen – Richtlinienziels darf nicht als Grundlage für eine Auslegung des mitgliedstaatlichen Rechts contra legem dienen. Das Fehlen der sog. Soll-Angaben nach § 17 Abs. 3 Satz 5 KSchG führt daher nicht zur Unwirksamkeit der Massenentlassungsanzeige und der daraufhin ausgesprochenen Kündigung.[1] Gleiches gilt für eine fehlerhafte Soll-Angabe.[2]

 

Rz. 148

Da diese freiwilligen Angaben für die Wirksamkeit der Anzeige unerheblich sind, ist der Arbeitgeber bei Durchführung der Entlassung auch nicht daran gebunden.[3] Entscheidet er sich letztlich also z. B. zur Entlassung eines älteren Arbeitnehmers, obwohl er in der Anzeige nur Arbeitnehmer jungen Alters angegeben hatte, ist dies für die Wirksamkeit der Anzeige sowie der Kündigungen unerheblich. Um eine etwaige Bindung zu vermeiden, sollte der Arbeitgeber jedoch vorsorglich einen ausdrücklichen Vorbehalt aufnehmen, wenn er der Arbeitsverwaltung Auskünfte zu den Sollangaben erteilt.[4]

 

Beispiel

"Die nachfolgenden Angaben erfolgen freiwillig und unter dem Vorbehalt, dass sich bei Durchführung der Entlassungen Änderungen ergeben können. Eine Bindung des Arbeitgebers an die Angaben ist ausgeschlossen".

 

Rz. 149

Die Sollangaben können auch ohne Einvernehmen des Betriebsrats in die Anzeige aufgenommen werden. Der Betriebsrat erhält hiervon Kenntnis aus der nach § 17 Abs. 3 Satz 6 KSchG zuzuleitenden Abschrift.

[1] BAG, Urteil v. 19.5.2022, 2 AZR 467/21, NZA 2022, 1051, Rz. 12 ff.; BAG, Urteil v. 1.6.2023, 2 AZR 150/22, NZA 2023, 1396, Rz. 72; vgl. zum Diskussionsstand auch Lembke/Tegel, BB 2022, 1084; Meinel/Degen, RdA 2022, 41; Zeppenfeld, NZA 2022, 26.
[3] APS/Moll, § 17 KSchG Rz. 151; a. A. BAG, Urteil v. 6.10.1960, 2 AZR 47/59, NJW 1961, 187; FW KSchG (Stand 10.10.2017) Rz. 17.35; HWK/Molkenbur, § 17 KSchG Rz. 35; diff. hinsichtlich der Bindungswirkung für Anzeige und Kündigung KR/Weigand, § 17 KSchG Rz. 134 ff.
[4] Vgl. FW KSchG (Stand 10.10.2017) Rz. 17.35.

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