Rz. 99

Der Arbeitgeber hat dem Betriebsrat nach § 17 Abs. 2 KSchG alle zweckdienlichen Auskünfte hinsichtlich der beabsichtigten Massenentlassung zu erteilen. Dies umfasst z. B. alle vorhandenen Unterlagen, die einen Bezug zur geplanten Entlassung haben und deren Kenntnis für den Betriebsrat zur Vorbereitung der Stellungnahme erforderlich ist.[1] Praktisch relevant im Rahmen des § 17 Abs. 2 KSchG sind jedoch insbesondere die Gegenstände des § 17 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 bis 5 KSchG, weil nur diese Auswirkungen auf die Wirksamkeit der Anzeige haben können.

 

Rz. 100

Bei der Unterrichtung des Betriebsrats durch den Arbeitgeber kann nach dem BAG – anders als bei § 102 Abs. 1 BetrVG[2] – nicht der Grundsatz der subjektiven Determination herangezogen werden, vielmehr muss der Arbeitgeber objektiv richtige Angaben machen.[3] Das BAG nimmt sogar eine Nachunterrichtungspflicht bis zum Abschluss des Konsultationsverfahrens an. Der Arbeitgeber habe der Arbeitnehmervertretung während der gesamten Konsultationen die relevanten Informationen zu geben. Er habe die Möglichkeit und die Pflicht, die Auskünfte im Laufe des Verfahrens zu vervollständigen.[4]

 

Rz. 101

Im Hinblick auf die in § 17 Abs. 2 Satz 1 KSchG im Einzelnen aufgeführten Unterrichtungsgegenstände gilt Folgendes:

 

Rz. 102

Die Gründe für die geplanten Entlassungen (Nr. 1) umfassen die Sachverhalte, die zu den geplanten Entlassungen führen. Sie sind i. d. R. – aber nicht zwingend – betriebsbedingt. Insoweit hat der Arbeitgeber den zugrunde liegenden Sachverhalt und die wirtschaftlichen Hintergründe darzustellen.[5] Eine ausführliche Darlegung der Kündigungsgründe wie bei § 102 Abs. 1 BetrVG ist ebenso wenig erforderlich wie eine individualisierte Beschreibung hinsichtlich einzelner Arbeitnehmer.[6] Sonst bestünde kein Unterschied zur Unterrichtung nach § 102 Abs. 1 BetrVG. Ausreichend ist z. B. die Angabe, dass nicht beabsichtigt sei, den stillgelegten Betrieb wieder aufzunehmen.[7] In der Praxis empfiehlt sich bei betriebsbedingten Massenentlassungen eine Darstellung der unternehmerischen Entscheidung, der inner- oder außerbetrieblichen Gründe, des Arbeitsplatzwegfalls und des Fehlens anderweitiger Beschäftigungsmöglichkeiten oder sonstiger gegenüber der Entlassung milderer Mittel. Die Kriterien für die Sozialauswahl sind bei Nr. 5 darzustellen.

 

Rz. 103

Nach Nr. 2 hat der Arbeitgeber ferner die Zahl und Berufsgruppen der zu entlassenden Arbeitnehmer anzugeben. Insoweit ist eine Individualisierung der Betroffenen nicht erforderlich.[8] Zudem sind die Zahl und Berufsgruppen der i. d. R. beschäftigten Arbeitnehmer (Nr. 3) anzugeben. Hinsichtlich der "Berufsgruppen" verweist das Formular der Arbeitsverwaltung zur Massenentlassungsanzeige auf die 3-stelligen Nummern der Berufsgruppen bzw. die 5-stelligen Nummern der Berufsklassen in der "Systematik der Klassifikation der Berufe 2010 (Systematisches Verzeichnis der KldB 2010)", welche den ersten 3 Stellen des DEÜV-Schlüssels entspricht (vgl. § 28a Abs. 3 Satz 1 Nr. 5 SGB IV).[9] Art. 2 Abs. 3 lit. b, Unterabs. 1 Ziff. ii und iii i. V. m. Art. 3 Abs. 1 Unterabs. 4 MERL spricht allerdings nicht von "Berufsgruppen" bzw. "Berufsklassen", sondern von "Kategorien der (zu entlassenden bzw. der i. d. R. beschäftigten) Arbeitnehmer". Angesichts dieser Divergenz im Gesetzestext ist im Streitfall eine Vorlage an den EuGH nach Art. 267 AEUV naheliegend. Für die Praxis wird die Angabe der ersten 4 Stellen der DEÜV-Nummer bzw. der "Berufsuntergruppen" aus dem Systematischen Verzeichnis der KldB 2010 empfohlen.[10] Wird der Betriebsrat vor einer Massenentlassung im Rahmen des Konsultationsverfahrens entgegen § 17 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 und Nr. 3 KSchG nicht über die betroffenen Berufsgruppen unterrichtet, kommt eine Heilung dieses Verfahrensfehlers durch eine abschließende Stellungnahme des Betriebsrats in Betracht, wenn wegen einer Betriebsstilllegung die Entlassung aller Arbeitnehmer beabsichtigt ist und der Betriebsrat hierüber ordnungsgemäß unterrichtet wurde. Der Stellungnahme muss zu entnehmen sein, dass der Betriebsrat seinen Beratungsanspruch (§ 17 Abs. 2 Satz 2 KSchG) als erfüllt ansieht.[11]

 

Rz. 104

Nach Nr. 4 ist über den Zeitraum, in dem die Entlassungen vorgenommen werden sollen, zu unterrichten. Da die Nr. 2 bis 4 dazu dienen, dem Betriebsrat die Prüfung zu ermöglichen, ob die Schwellenwerte nach § 17 Abs. 1 KSchG überschritten sind[12], ist hier auf den für die Schwellenwerte maßgeblichen Zeitpunkt der Entlassung abzustellen. Das ist nach der Junk-Entscheidung des EuGH der Zeitpunkt des Ausspruchs der Arbeitgeberkündigung bzw. der Vornahme der sonstigen vom Arbeitgeber veranlassten Beendigungshandlung.[13] Im Zeitpunkt der Einleitung des Konsultationsverfahrens kann der Arbeitgeber noch nicht angeben, wann die Kündigungen zugehen werden, denn dies hängt vom Verlauf des Konsultationsverfahrens, insbesondere dessen Dauer, ab. Ob und wie viele Kündigungen zu welchem Zeitpunkt erfolgen sollen, ist zudem gerade Gegenstand der zu führend...

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