5.3.4.1 Pflicht des Arbeitgebers

 

Rz. 66

Der Arbeitgeber ist wie bei der Anhörung vor einer außerordentlichen Kündigung verpflichtet, dem Betriebsrat die Kündigungsabsicht und die maßgeblichen Tatsachen mitzuteilen, die nach seiner Auffassung die Annahme eines wichtigen Grundes rechtfertigen. Die für das Anhörungsverfahren geltenden Grundsätze sind auf das Zustimmungsverfahren entsprechend anzuwenden.[1]

 

Rz. 67

Das Zustimmungsersuchen ist eine einseitige empfangsbedürftige Willenserklärung, auf die als geschäftsähnliche Handlung die §§ 164 ff. BGB anwendbar sind.[2] Eine Zurückweisung wegen fehlender Vollmacht nach § 174 BGB durch den Betriebsrat ist daher möglich.[3]

 
Hinweis

Die Zustimmung des Betriebsrats zur außerordentlichen Kündigung eines Betriebsratsmitglieds nach § 103 BetrVG ist keine Zustimmung i. S. d. §§ 182 ff. BGB. Das Betriebsratsmitglied kann daher die Kündigung nicht nach § 182 Abs. 3 BGB i. V. m. § 111 Sätze 2, 3 BGB zurückweisen, weil ihm der Arbeitgeber die vom Betriebsrat erteilte Zustimmung nicht in schriftlicher Form vorlegt.[4]

[1] Ebenso BAG, Beschluss v. 18.8.1977, 2 ABR 19/77, AP BetrVG 1972 § 103 Nr. 10; vgl. Thüsing, § 102 BetrVG Rz. 23 ff.
[2] S. auch Grüneberg/Ellenberger, 82. Aufl. 2023, § 174 BGB Rz. 2.
[4] So zu Recht BAG, Urteil v. 4.3.2004, 2 AZR 147/03, AP BetrVG 1972 § 103 Nr. 50; KR/Rinck, § 103 BetrVG Rz. 95; APS/Linck, § 103 BetrVG Rz. 18; a. A. Fitting, BetrVG, § 103 BetrVG Rz. 31; Fischermeier, ZTR 1998, 433; LAG Hamm, Urteil v. 22.7.1998, 3 Sa 766/98, NZA-RR 1999, 242.

5.3.4.2 Zuständigkeit innerhalb des Betriebsrats

 

Rz. 68

Der Betriebsrat kann die Ausübung seines Zustimmungsrechts dem Betriebsausschuss oder einem sonstigen Ausschuss zur selbstständigen Erledigung übertragen (§§ 27 Abs. 2 Satz 2, 28 Abs. 1 Satz 3 BetrVG).[1] Jedoch genügt es nicht, dass der Betriebsrat die Wahrnehmung seiner Beteiligungsrechte bei Kündigungen dem Betriebsausschuss übertragen oder zu diesem Zweck einen Personalausschuss gebildet hat. Wegen der Bedeutung der Maßnahme für die Funktionsfähigkeit des Betriebsrats ist vielmehr davon auszugehen, dass der Betriebsrat in seiner Gesamtheit zuständig ist, wenn er nicht zuvor eindeutig auch die Ausübung des Zustimmungsrechts nach § 103 BetrVG in die Delegation einbezogen hat.[2]

 

Rz. 69

Besteht der Betriebsrat nur aus einer Person und soll sie gekündigt werden, so ist für die Erteilung der Zustimmung das gewählte Ersatzmitglied zuständig.[3]

 

Rz. 70

Soll allen Betriebsratsmitgliedern außerordentlich gekündigt werden, so wird dadurch nicht die Zuständigkeit des Betriebsrats aufgehoben, auch wenn keine Ersatzmitglieder vorhanden sind.[4] Von der Abstimmung ist jeweils nur dasjenige Mitglied ausgeschlossen, das durch die ihm gegenüber beabsichtigte Kündigung unmittelbar betroffen wird (vgl. auch Rz. 70).[5]

[1] Ebenso Fitting, BetrVG, § 103 BetrVG Rz. 32; GK-BetrVG/Raab, § 103 BetrVG Rz. 61; HWGNRN/Huke, BetrVG, § 103 BetrVG Rz. 63; a. A. Heinze, Personalplanung Rz. 667.
[2] Für einen generellen Ausschluss der Übertragbarkeit LAG Köln, Urteil v. 28.8.2001, 13 Sa 19/01, LAGE Nr. 18 zu § 103 BetrVG 1972.
[3] Ebenso Fitting, BetrVG, § 103 BetrVG Rz. 31; GK-BetrVG/Raab, § 103 BetrVG Rz. 64; HWGNRH/Huke, BetrVG, § 103 BetrVG Rz. 67; a. A. für Ersetzung der Zustimmung durch das Arbeitsgericht nach Abs. 2: Lepke, BB 1973, 894, 895.
[4] Ebenso BAG, Urteil v. 25.3.1976, 2 AZR 163/75, AP BetrVG 1972 § 103 Nr. 6.
[5] Ebenso BAG, Urteil v. 25.3.1976, 2 AZR 163/75, AP BetrVG 1972 § 103 Nr. 6.

5.3.4.3 Frist für die Erteilung der Zustimmung

 

Rz. 71

Das Gesetz sieht im Gegensatz zu §§ 55 Abs. 1 Satz 2, 127 Abs. 1 Satz 2 BPersVG nicht ausdrücklich eine Frist für die Äußerung des Betriebsrats vor. Da aber wegen der Kündigungserklärungsfrist des § 626 Abs. 2 BGB kein sachlicher Grund besteht, dem Betriebsrat für seine Stellungnahme eine längere Frist einzuräumen als im Anhörungsverfahren, ist § 102 BetrVG Abs. 2 Satz 3 analog anzuwenden, sodass die Zustimmung des Betriebsrats spätestens innerhalb von 3 Tagen seit der Mitteilung durch den Arbeitgeber vorliegen muss.[1]

 
Hinweis

Das Schweigen des Betriebsrats gilt hier jedoch im Gegensatz zu § 102 BetrVG nicht als Zustimmung zur Kündigung, sondern als Zustimmungsverweigerung.[2]

[1] Ebenso BAG, Beschluss v. 18.8.1977, 2 ABR 19/77, AP BetrVG 1972 § 103 Nr. 10 (G. Hueck).
[2] Ebenso BAG, Beschluss v. 18.8.1977, 2 ABR 19/77 ,AP BetrVG 1972 § 103 Nr. 10; Fitting, BetrVG, § 103 BetrVG Rz. 33; HWGNRH/Huke, BetrVG, § 103 BetrVG Rz. 66; GK-BetrVG/Raab, § 103 BetrVG Rz. 69.

5.3.4.4 Beschlussfassung

 

Rz. 72

Der Betriebsrat entscheidet durch Beschluss (§ 33 BetrVG).[1] Das betroffene Betriebsratsmitglied kann sich an der Abstimmung nicht beteiligen.[2] Nach zutreffender Ansicht des BAG ist es auch von der ihr vorausgehenden Beratung ausgeschlossen, sodass ein Ersatzmitglied an seine Stelle tritt.[3] Eine Selbstbetroffenheit, die zum Ausschluss führt, liegt auch bei dem Beschluss zur Beauftragung eines Rechtsanwalts für die Vertretung des Betriebsratsmitglieds im Zustimmungsersetzungsverfahren vor.[4]

 
Hinweis

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