3.1 Zivilrechtliche Behandlung

3.1.1 Fälligkeit

 

Rz. 29

Nach allerdings umstrittener Auffassung des BAG entsteht der Abfindungsanspruch mit dem auflösenden Urteil des Arbeitsgerichts vor Rechtskraft der Entscheidung[1] und wird damit sofort fällig, es sei denn, der Auflösungszeitpunkt liegt in der Zukunft. Ab Fälligkeit ist der Anspruch nach § 288 BGB auch zu verzinsen. Das Urteil auf Auflösung ist mit Fälligkeit auch vorläufig vollstreckbar. Dies kann nur vermieden werden, wenn unter den sehr engen Voraussetzungen des § 62 Abs. 1 ArbGG auf Antrag des Arbeitgebers das Arbeitsgericht die vorläufige Vollstreckbarkeit ausschließt.

 
Hinweis

Wird in einem gerichtlichen oder außergerichtlichen Vergleich eine Abfindung vereinbart, gilt ohne nähere Regelung Folgendes[2]:

  • Liegt der Auflösungszeitpunkt in der Vergangenheit, ist die Abfindung sofort fällig.
  • Liegt der Auflösungszeitpunkt in der Zukunft, wie z. B., wenn in einem Vergleich in einem Gütetermin am 15.2. die Beendigung zum 31.3. gegen Abfindungszahlung vereinbart wird, wird in aller Regel nach § 271 BGB die Abfindung mit dem Beendigungszeitpunkt fällig.

Um Streitigkeiten zu vermeiden, sollten gleichwohl, auch zur Klärung der Vererblichkeit, Entstehen und Fälligkeit des Anspruchs ausdrücklich vereinbart werden. Soll die Abfindung aus steuerlichen Gründen nicht vor einem bestimmten Zeitpunkt bezahlt werden (Ausschluss einer vorfälligen Leistung), bedarf dies einer ausdrücklichen Vereinbarung.[3]

[1] BAG, Urteil v. 9.12.1987, 4 AZR 561/87, AP ArbGG 1979 § 62 Nr. 4; ebenso KR/Spilger, § 10 KSchG, Rz. 21; Löwisch/Schlünder/Spinner/Wertheimer, § 10 KSchG, Rz. 36; a. A. z. B. APS/Biebl, § 10 KSchG, Rz. 41.
[2] BAG, Urteil v. 15.10.2004, 2 AZR 630/03, AP BGB § 271 Nr. 1; ebenso z. B. Löwisch/Schlünder/Spinner/Wertheimer, § 10 KSchG, Rz. 37; a. A. KR/Spilger, § 10 KSchG, Rz. 22.

3.1.2 Abtretung, Aufrechnung und Pfändung

 

Rz. 30

Der Anspruch auf Zahlung einer Abfindung nach § 9 KSchG ist abtretbar, und zwar auch im Voraus.[1] Als "Arbeitseinkommen" i. S. v. § 850 ZPO ist der Abfindungsanspruch nach allgemeiner Ansicht auch pfändbar. Da es sich um eine nicht wiederkehrend zahlbare Vergütung nach § 850i ZPO handelt, gelten die Pfändungsgrenzen des § 850c ZPO nicht.[2] Pfändungsschutz kann der Arbeitnehmer daher nur nach § 850i ZPO erlangen.

 

Rz. 31

Da der Abfindungsanspruch pfändbar ist, ist auch die Aufrechnung des Arbeitgebers gegen einen Abfindungsanspruch des Arbeitnehmers zulässig, ohne dass dem das Aufrechnungsverbot des § 394 BGB entgegensteht.

 
Hinweis

Die Aufrechnung gegen eine Abfindung ist nur gegen den Netto-Betrag der Abfindung zulässig.[3] Solange ein Freibetrag steuerfrei war, sind Aufrechnungen insoweit hieran nicht gescheitert. Nach der seit 1.1.2006 geltenden Regelung zur Versteuerung (hierzu unten Rz. 37) kann im Rahmen einer Aufrechnung im Prozess der aufrechnende Arbeitgeber nicht gegen die Bruttoabfindung aufrechnen, vielmehr nur gegen den darzulegenden Nettobetrag.

 

Rz. 32

Im Rahmen von Prozesskostenhilfe handelt es sich bei einer Abfindung um Vermögen i. S. v. § 115 Abs. 3 ZPO. Da es sich jedoch um einen Ausgleich für den Verlust des Arbeitsplatzes handelt, ist ein Betrag in Höhe des Schonbetrags für Ledige nach der Durchführungsverordnung zu § 90 Abs. 2 Nr. 9 SGB XII zusätzlich zu dem gesetzlich zustehenden Schonbetrag kein einsetzbares Vermögen.[4] An dieser Entscheidung wird sich die Praxis zu orientieren haben.

[1] Löwisch/Schlünder/Spinner/Wertheimer, § 10 KSchG, Rz. 40; KR/Spilger, § 10 KSchG, Rz. 15.

3.1.3 Vererblichkeit

 

Rz. 33

Das Recht eines Arbeitnehmers, einen Auflösungsantrag (§ 9 KSchG) zu stellen, ist höchstpersönlich. Hat der Arbeitnehmer innerhalb einer Kündigungsschutzklage vor seinem Tod noch keinen Auflösungsantrag gestellt, können die Erben die Kündigungsschutzklage weiterführen.[1] Die Stellung eines Auflösungsantrags durch die Erben ist jedoch ausgeschlossen.[2] Hat der Arbeitnehmer bereits vor seinem Tod einen Auflösungsantrag gestellt, ist die Auflösung im Rahmen des von den Erben fortgesetzten Verfahrens möglich, wenn der Arbeitnehmer erst nach dem Auflösungszeitpunkt gestorben ist.[3]

 
Praxis-Beispiel

Ein Arbeitnehmer erhebt am 1.3. eine Kündigungsschutzklage gegen eine ordentliche Kündigung zum 30.6. desselben Jahres. Er stellt nach gescheiterter Güteverhandlung am 15.4. einen Auflösungsantrag.

Verstirbt der Arbeitnehmer zwischen dem 15.4. und dem 30.6., erledigt sich damit der Auflösungsantrag.

Verstirbt der Arbeitnehmer nach dem 30.6., kann über den Auflösungsantrag entschieden werden.

[1] Hierzu Wiehe, § 4 Rz. 96 ff.
[2] KR/Spilger, § 10 KSchG, Rz. 20.
[3] Hierzu Arnold, § 9 Rz. 25.

3.1.4 Ausschlussfristen/Verjährung

 

Rz. 34

Gerichtlich nach § 9 KSchG festgesetzte Abfindungen unterliegen keinen tariflichen oder einzelvertraglichen Ausschlussfristen, da mit der Entscheidung der Anspruch festgesetzt und tituliert ist. Gleiches gilt, wenn in einem gerichtl...

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