Rz. 515

Die Kündigung eines unter den Geltungsbereich des KSchG fallenden Arbeitsverhältnisses ist nach § 1 Abs. 2 Satz 1 KSchG sozial gerechtfertigt, wenn diese durch Gründe, die in der Person des Arbeitnehmers liegen, bedingt ist.

Liegen solche Gründe vor, ist die Kündigung dennoch sozial ungerechtfertigt, wenn der Arbeitnehmer auf einem anderen Arbeitsplatz in demselben Betrieb oder in einem anderen Betrieb des Unternehmens weiter beschäftigt werden kann (§ 1 Abs. 2 Satz 2 Nr. 1b KSchG). Darüber hinaus fehlt die soziale Rechtfertigung, wenn der Arbeitnehmer nach zumutbaren Umschulungs- oder Fortbildungsmaßnahmen unter geänderten Arbeitsbedingungen weiter beschäftigt werden kann und er sein Einverständnis hierzu erklärt hat (§ 1 Abs. 2 Satz 3 i.  V.  m. Satz 2 KSchG).

 

Rz. 516

"Gründe in der Person" des Arbeitnehmers meinen persönliche Fähigkeiten, Eigenschaften oder nicht vorwerfbare Einstellungen, die dazu führen, dass der Arbeitnehmer künftig eine vertragsgerechte Leistung nicht mehr erbringen kann (BAG, Urteil v. 24.2.2005, 2 AZR 211/04[1]). Diese Gründe stammen aus der Sphäre des Arbeitnehmers, seinen persönlichen Verhältnissen oder Eigenschaften (BAG, Urteil v. 18.1.2007, 2 AZR 731/05[2]) und sind nicht willentlich steuerbar. Abzugrenzen hiervon sind verhaltensbedingte Gründe, denen ein steuerbares Verhalten des Arbeitnehmers zugrunde liegt. Wegen fehlender Steuerbarkeit wird der personenbedingte Grund nicht durch vorsätzliches oder fahrlässiges Verhalten des Arbeitnehmers verursacht. Verschulden oder Vorwerfbarkeit sind keine Voraussetzungen.

Die Parteien des Arbeitsvertrags gehen typischerweise davon aus, dass die Leistung der anderen Partei der eigenen Gegenleistung mindestens gleichwertig ist. Weichen die tatsächlichen Verhältnisse von den Erwartungen nicht nur unerheblich ab, so stehen dem in seiner Erwartung enttäuschten Arbeitgeber als Reaktionsmöglichkeit auf derartige Störungen des Austauschverhältnisses die personenbedingte Beendigungskündigung oder Änderungskündigung zur Verfügung. Demgegenüber besteht kein Minderungsrecht für Schlechtleistung in qualitativer oder quantitativer Hinsicht (BAG, Urteil v. 6.6.1972, 1 AZR 438/71[3]).

 

Rz. 517

Keine Voraussetzung der sozialen Rechtfertigung einer personenbedingten Kündigung ist die vorherige Abmahnung des Arbeitnehmers wegen der Tatsachen, die die fehlende Eignung oder Fähigkeit begründen. Mit der Abmahnung weist der Arbeitgeber den Arbeitnehmer auf die Verletzung arbeitsvertraglicher Haupt- oder Nebenpflichten hin (Rüge- und Dokumentationsfunktion), fordert ihn zugleich zu künftigem vertragstreuen Verhalten auf und kündigt individualrechtliche Konsequenzen für den Fall einer erneuten Pflichtverletzung an (Warnfunktion; vgl. BAG, Urteil v. 19.7.2012, 2 AZR 782/11[4]). Da der Verlust der persönlichen Eignung oder Fähigkeit, die Arbeitsleistung ausreichend zu erbringen, im Fall personenbedingter Gründe nicht durch eine Willensentschließung des Arbeitnehmers beeinflussbar ist, laufen die Rüge- und Warnfunktionen einer Abmahnung ins Leere. Eine Ausnahme kann bestehen, wenn kurzfristig behebbare Mängel in der fachlichen Eignung des Arbeitnehmers durch den Arbeitgeber gerügt werden (BAG, Urteil v. 15.8.1984, 7 AZR 228/82[5]).

 
Hinweis

Bei einer Kündigung wegen Schlechtleistung oder Minderleistung empfiehlt es sich für den Arbeitgeber, vor Ausspruch der Kündigung zunächst eine Abmahnung zu erteilen, da unklar sein kann, ob es sich um ein steuerbares (dann verhaltensbedingtes) oder nicht steuerbares (dann personenbedingtes) Leistungsdefizit handelt.

 

Rz. 518

Ein kündigungsrechtlicher Mischtatbestand liegt vor, wenn die Störung im Arbeitsvertragsverhältnis sowohl auf Gründen beruht, die in der Person des Arbeitnehmers liegen, als auch auf Gründen, die aus dem Verhalten des Arbeitnehmers herrühren. Die Prüfung der Kündigungsgründe erfolgt dann danach, aus welchem der Bereiche die Störung primär stammt, die sich auf den Bestand des Arbeitsverhältnisses nachteilig auswirkt (BAG, Urteil v. 18.9.2008, 2 AZR 976/06[6]).

Demgegenüber ist eine Verdachtskündigung nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts (BAG) stets eine personenbedingte Kündigung. Zu einer Kündigung aus verhaltensbedingten Gründen wird sie nicht etwa deshalb, weil der Arbeitnehmer entscheidungserhebliche Verdachtsmomente selbst gesetzt hat. Bei einem – unter den entsprechenden Voraussetzungen als Kündigungsgrund ausreichenden[7] – Verdacht einer Pflichtverletzung kommt, in Abgrenzung zur erwiesenen Pflichtverletzung bei einer Tatkündigung, nur eine personenbedingte Kündigung in Betracht (BAG, Urteil v. 31.1.2019, 2 AZR 426/18[8]).

 

Rz. 519

Falls dem Arbeitnehmer lediglich teilweise die Eignung oder Fähigkeit fehlt, die geschuldete Arbeitsleistung zu erbringen, so ist nur dann ein personenbedingter Kündigungsgrund für eine Beendigungskündigung anzunehmen, wenn ein bloß teilweiser Einsatz des Arbeitnehmers nicht möglich ist.

 

Rz. 520

Der Maßstab für die Prüfung der Wirksamkeit einer ordentlichen Kündig...

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