Rz. 95

Nach der gesetzlichen Regelung ist die Schriftform für Beendigung von Arbeitsverhältnissen durch Kündigung oder Aufhebungsvertrag Wirksamkeitsvoraussetzung.

5.3.1 Nichtigkeit

 

Rz. 96

Die Nichteinhaltung des gesetzlichen Schriftformerfordernisses hat nach § 125 Satz 1 BGB die Nichtigkeit des Rechtsgeschäfts zur Folge. Wird die Schriftform später "nachgeholt" und das Rechtsgeschäft bestätigt, gilt dies als erneute Vornahme des Rechtsgeschäfts (vgl. § 141 Abs. 1 BGB).

5.3.1.1 Kündigung

 

Rz. 97

Ist die Kündigung wegen Nichteinhaltung der Schriftform nichtig, so muss sie nochmals formgerecht wiederholt werden. Dabei ist zu beachten, dass bei der sog. Wiederholungskündigung die Anhörung des Betriebsrats (§ 102 BetrVG) ebenfalls zu wiederholen ist, selbst wenn es inhaltlich um denselben Kündigungssachverhalt geht und die 1. formunwirksame Kündigung dem Arbeitnehmer bereits zugegangen ist.[1] Ferner sind ggf. einschlägige Kündigungserklärungsfristen (z. B. § 626 Abs. 2 BGB; § 174 Abs. 5 SGB IX; § 171 Abs. 3 SGB IX) einzuhalten.

 

Rz. 98

Die Formvorschrift steht der Umdeutung (§ 140 BGB) einer formgerecht, aber aus sonstigen Gründen unwirksamen außerordentlichen Kündigung in eine ordentliche Kündigung nicht entgegen.[2] Nicht möglich ist hingegen die Umdeutung einer formunwirksamen Kündigung in das Angebot auf Abschluss eines Aufhebungsvertrags, da Letzteres ebenfalls der Einhaltung der gesetzlichen Schriftform bedarf. In Betracht kommt jedoch die Umdeutung einer formunwirksamen Kündigungserklärung in eine formlos mögliche Anfechtungserklärung (§ 143 BGB).[3]

[2] APS/Greiner, § 623 BGB Rz. 37.
[3] APS/Greiner, § 623 BGB Rz. 37.

5.3.1.2 Aufhebungsvertrag

 

Rz. 99

Entspricht der Aufhebungsvertrag nicht der gesetzlichen Schriftform, ist er ebenso unheilbar nichtig. Das hat zur Folge, dass das Arbeitsverhältnis nicht wirksam beendet wurde, sondern fortbesteht. Hinsichtlich der Vergütungsansprüche gilt der Grundsatz "ohne Arbeit kein Lohn". Der Arbeitnehmer hat mangels ausdrücklichen Arbeitsangebots keine Ansprüche nach § 615 Satz 1 BGB auf sog. "Annahmeverzugslohn". Dasselbe gilt, wenn das Zustandekommen eines Aufhebungsvertrags zwischen den Arbeitsvertragsparteien streitig ist; hier bedarf es zur Begründung des Annahmeverzugs des Arbeitgebers i. d. R. eines tatsächlichen Angebots der Arbeitsleistung durch den Arbeitnehmer.[1]

 

Rz. 100

Haben die Parteien trotz Nichtigkeit des Auflösungsvertrags Leistungen erbracht (z. B. Zahlung einer Abfindung durch den Arbeitgeber), sind diese nach Bereicherungsrecht (§ 812 Abs. 1 Satz 1 Alt. 1 BGB) zurückzugewähren. Dies gilt nur dann nicht, wenn der Leistende positive Kenntnis über die Formnichtigkeit des Vertrags hatte (§ 814 Alt. 1 BGB).

5.3.2 Verstoß gegen Treu und Glauben

 

Rz. 101

Nur in Ausnahmefällen kann die Berufung auf den Mangel der gesetzlichen Schriftform für Kündigungen und Auflösungsvereinbarungen gegen Treu und Glauben verstoßen und der Formmangel nach § 242 BGB unbeachtlich sein. Denn die gesetzlichen Formvorschriften dürfen nicht über § 242 BGB ausgehöhlt werden.[1] Ein derartiger Ausnahmefall kann unter dem Gesichtspunkt des Verbots widersprüchlichen Verhaltens (venire contra factum proprium) vorliegen, wenn der Erklärungsgegner einen besonderen Grund hatte, auf die Gültigkeit der Erklärung trotz Formmangels zu vertrauen und der Erklärende sich mit der Berufung auf den Formmangel zu eigenem vorhergehenden Verhalten in Widerspruch setzt. So ist die Berufung auf die Schriftform z. B. treuwidrig, wenn der Arbeitnehmer seiner Beendigungsabsicht mit ganz besonderer Verbindlichkeit und Endgültigkeit mehrfach Ausdruck verliehen und damit einen besonderen Vertrauenstatbestand geschaffen hatte.[2]

 

Beispiel

Nach formwidriger Beendigung des Arbeitsverhältnisses sucht sich der Arbeitnehmer mit Wissen des Arbeitgebers eine neue Stelle, und der Arbeitgeber stellt einen neuen Arbeitnehmer ein. Die Berufung des Arbeitnehmers auf die Formunwirksamkeit der Kündigung oder der Auflösungsvereinbarung verstößt gegen § 242 BGB.[3]

 

Rz. 102

Das Recht, sich auf die Formunwirksamkeit zu berufen, kann also verwirken. Dies erfordert, dass keine Partei eine längere Zeit die Formnichtigkeit geltend gemacht hat (Zeitmoment) und bei der jeweils anderen Seite ein berechtigtes Vertrauen begründet wurde, dass sich niemand mehr auf die Formunwirksamkeit beruft (Umstandsmoment).[4] Im Übrigen ist auf die von der Rechtsprechung entwickelten Fallgruppen zu verweisen.[5] Die für das Zeitmoment relevante Frist ist relativ kurz zu bemessen, da die Beendigung von Arbeitsverhältnissen Rechtsklarheit und eine zügige Abwicklung erfordert. Je nach Gewicht des Umstandsmoments und des bei der anderen Vertragspartei gebildeten Vertrauens kann ein Zeitraum von 2 bis 3 Monaten schon die zeitliche Obergrenze bilden, bis zu welcher der Kündigungsempfänger oder die Partei des Auflösungsvertrags Klage im Hinblick auf die behauptete Formunwirksamke...

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