Rz. 49

Häufig wird der Arbeitnehmer im Aufhebungsvertrag von der Verpflichtung zur Arbeitsleistung unter Anrechnung sämtlicher noch offener Urlaubsansprüche freigestellt.[1] Die Anrechnung restlicher Urlaubsansprüche ist arbeitsrechtlich jedoch nur im Fall einer unwiderruflichen Freistellung möglich, da der Arbeitgeber den Urlaubsanspruch des Arbeitnehmers nur durch eine unwiderrufliche Befreiung von der Arbeitspflicht erfüllt.[2] Der Arbeitnehmer ist bei unwiderruflicher Freistellung unter Anrechnung offener Urlaubsansprüche in der Regel frei darin, den Urlaubszeitpunkt zu bestimmen. Eine konkludente Vereinbarung der Urlaubsgewährung zu Beginn des Freistellungszeitraums kann sich jedoch aus der Vereinbarung einer sog. "Sprinterklausel mit vorzeitigem Sonderkündigungsrecht" (Rz. 52) ergeben.[3] Regeln die Parteien in einem gerichtlich protokollierten Vergleich, der die Auflösung des Arbeitsverhältnisses nach Ausspruch einer Kündigung zum Gegenstand hat, dass der klagende Arbeitnehmer unwiderruflich unter Fortzahlung der Vergütung sowie unter Anrechnung auf etwaige noch offene Urlaubs- und Freizeitausgleichsansprüche bis zum Ende des Arbeitsverhältnisses freigestellt wird, werden in einem weiten Verständnis des Begriffs "Freizeitausgleichsansprüche" auch etwaige Ansprüche auf Überstundenvergütung erfasst.[4] Soll mit der Freistellung auch ein etwaiges Zeitguthaben auf dem Arbeitszeitkonto abgebaut werden, ist dies im Aufhebungsvertrags hinreichend deutlich zu vereinbaren.[5]

 

Rz. 49a

Wird in einer Aufhebungsvereinbarung die Freistellung des Arbeitnehmers vereinbart, wird dadurch nicht ohne Weiteres das vertragliche Wettbewerbsverbot (vgl. § 60 HGB) aufgehoben. Eine andere Auslegung der Freistellungsvereinbarung ist aber denkbar, wenn die Anrechnung anderweitigen Verdienstes ausdrücklich vereinbart ist.[6] Bei einer unwiderruflichen Freistellung unter dem Vorbehalt der Anrechnung etwaigen anderweitigen Verdienstes kann der Arbeitnehmer nach § 157 BGB davon ausgehen, in der Verwertung seiner Arbeitsleistung frei und nicht mehr an vertragliche Wettbewerbsverbote (§ 60 HGB) gebunden zu sein. Einen abweichenden Willen hat der Arbeitgeber in der Freistellungserklärung zum Ausdruck zu bringen (vgl. Rz. 49c).[7]

 

Rz. 49b

Die frühere Auffassung der Spitzenverbände der Krankenkassen, des Verbands deutscher Rentenversicherungsträger und der BA in ihrer Verständigung vom 5./6.7.2005, im Fall der – außergerichtlich vereinbarten – einvernehmlichen unwiderruflichen Freistellung des Arbeitnehmers unter Fortzahlung des Arbeitsentgelts sei davon auszugehen, dass grds. kein Beschäftigungsverhältnis im sozialversicherungsrechtlichen Sinne mehr bestehe[8], ist überholt. Das BSG hat diese Auffassung mittlerweile wiederholt abgelehnt.[9] Es geht von der Deckungsgleichheit zwischen Arbeits- und Beschäftigungsverhältnis im beitragsrechtlichen Sinne aus, d. h. die Versicherungspflicht begründende Beschäftigung endet (erst) mit dem Ende des Arbeitsverhältnisses, sofern bis dahin Arbeitsentgelt gezahlt wird. Zu Unrecht wird dies von den Sozialversicherungsträgern z. T. wieder infrage gestellt.[10]

 

Rz. 49c

Bei einer in einem Aufhebungsvertrag vereinbarten unwiderruflichen Freistellung des Arbeitnehmers unter Fortzahlung des Entgelts und Anrechnung offener Urlaubsansprüche bis zur Beendigung des Arbeitsverhältnisses wird anderweitig erzielter Verdienst grundsätzlich nicht auf die Vergütungsansprüche angerechnet. Soll eine Anrechnung erfolgen, müssen die Arbeitsvertragsparteien dies vereinbaren. Fehlt eine ausdrückliche Abrede, ist durch Auslegung der Vereinbarung zu ermitteln, ob dies konkludent erfolgt ist. Hierauf kann eine sog. "Sprinterklausel mit vorzeitigem Sonderkündigungsrecht" (Rz. 52) hindeuten.[11]

[1] Dazu Laber/Stanka, ArbRB 2021, 61; Laws, FA 2021, 39.
[3] BAG, Urteil v. 23.2.2021, 5 AZR 314/20, NZA 2021, 778, Rz. 27; vgl. auch Körlings, NZA 2023, 602.
[7] BAG, Urteil v. 6.9.2006, 5 AZR 703/05, NZA 2007, S. 36, Rz. 22.
[8] Dazu Bauer/Krieger, DB 2005, 2242; Knospe, NJW 2006, 3676; Lindemann/Simon, BB 2005, 2462; Thomas/Weidmann, NJW 2006, 257.
[10] Vgl. Nachweis bei Giesen/Ricken, NZA 2010, 1056; ablehnend dazu Rolfs/Witschen, NZA 2011, 881 ff.; Bengelsdorf, FA 2017, 366.

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