Rz. 6

Der Dienstberechtigte ist nach Abs. 1 Fall 1 verpflichtet, die Räume, Vorrichtungen und Gerätschaften so einzurichten und zu unterhalten, dass von ihnen keine gesundheitlichen Gefahren für den Dienstverpflichteten ausgehen. Um dem Normzweck gerecht zu werden, ist der Begriff des Raums extensiv auszulegen. Deshalb umfasst er nicht nur die reine Arbeitsstätte, sondern darüber hinaus alle Örtlichkeiten, die der Dienstverpflichtete im Zusammenhang mit seiner betrieblichen Tätigkeit aufzusuchen hat bzw. aufsuchen darf.[1]

 
Praxis-Beispiel

Hierzu werden Arbeitsplätze im Freien, Wasch- und Toilettenräume, Treppen, Fahrstühle, Kantinen, Pausen- und Bereitschaftsräume, Umkleiden, Betriebsparkplätze sowie Liegeräume gezählt.

Die Vorschrift legt dem Dienstberechtigten auf, solche Schutzmaßnahmen zu ergreifen, die geeignet sind, bestehende Gefahren effektiv auszuschließen.

 

Rz. 7

Neben den Räumen erstreckt sich die Schutzpflicht des Dienstberechtigten auch auf Vorrichtungen und Gerätschaften. Auch hier bedarf es einer weiten Auslegung. Entsprechend gehören hierzu alle Gegenstände, mit denen der Dienstverpflichtete bei der Erbringung der Dienstleistung in Berührung kommt.[2] Dies sind insbesondere Maschinen, Werkzeuge, Anlagen, Schutzausrüstungen sowie die eingesetzten Gefahrstoffe. Unter den Begriff der Vorrichtung kann auch Schutzkleidung, die aus hygienischen Gründen getragen werden muss, fallen. Dies gilt aber nur, soweit die Schutzkleidung den Schutz der Arbeitnehmer – etwa im Lebensmittelrecht vor Infektionsgefahren – bezwecken soll.[3]

 

Rz. 8

Abzugrenzen vom gegenständlichen Schutzbereich der Räume, Vorrichtungen und Gerätschaften ist der Schutzbereich der Regelung der Dienstleistung[4] (Abs. 1 Fall 2). Der Dienstberechtigte muss die unter seiner Anordnung oder Leitung zu erbringende Dienstleistung so regeln, dass eine Gefahr für Leib oder Leben des Dienstverpflichteten auszuschließen ist. Im Vordergrund steht dabei das gesundheitsbewusste Verhalten bei der Ausführung der Dienstleistung. Diese Pflicht des Arbeitgebers wird auch durch die Normen des europäischen und des nationalen Arbeitsschutzrechts konkretisiert. Die Einhaltung der entsprechenden Vorschriften wird damit zugleich arbeitsvertraglich geschuldet. Dies wirkt sich auf das Weisungsrecht des Arbeitgebers nach § 106 Satz 1 GewO aus. Im Interesse des Gesundheitsschutzes der Arbeitnehmer hat der Arbeitgeber die festgelegten Grenzen der höchstzulässigen Arbeitszeit einzuhalten.[5] Mit der Verpflichtung aus § 618 Abs. 1 BGB geht die Verpflichtung des Arbeitgebers aus § 4 Nr. 1 ArbSchG einher, die Arbeit so zu gestalten, dass eine Gefährdung für das Leben sowie die physische und die psychische Gesundheit möglichst vermieden und die verbleibende Gefährdung möglichst gering gehalten wird. Dieser Pflicht genügt der Arbeitgeber nicht bereits, indem er eine sicherheitstechnische Beratung in Anspruch nimmt; vielmehr muss er hinreichende Schutzeinrichtungen gegen einen Zugriff auf gefährliche Maschinen sicherstellen.[6]

 
Praxis-Beispiel

Auch die gestellte Dienstkleidung muss so beschaffen sein, dass der Arbeitnehmer gegen Gefahren für Leben und Gesundheit soweit geschützt ist, wie die Natur der Arbeitsleistung es gestattet. Schutzpflichten hinsichtlich der Dienstkleidung sind nicht isoliert im Hinblick auf bestimmte Temperaturen im Sommer oder im Winter zu bewerten, sondern in Abhängigkeit von der konkreten Arbeitsleistung des Arbeitnehmers. Ein Anspruch auf Winterkleidung kann nicht aus § 618 Abs. 1 BGB abgeleitet werden, wenn anderweitig ausreichende Schutzmaßnahmen gegen Kälte getroffen werden. Wachpolizisten im Objektschutz sind etwa bereits durch die Einrichtung von 8/4-Schichten, Postenhäuschen und die zur Verfügung gestellten Ganzjahresstiefel mit einer waschbaren, herausnehmbaren Funktionseinlegesohle, Funktionssocken sowie die nach dem "Zwiebel-Prinzip" ihnen zur Verfügung gestellten Winterschutzjacken, Fleece-Jacken und Strickjacken ausreichend geschützt.[7]

Der Arbeitgeber ist auf Grundlage des § 618 BGB auch verpflichtet, die Gefahr der Infektion mit Krankheitserregern möglichst gering zu halten. Während der Coronapandemie muss der Arbeitgeber daher Maßnahmen ergreifen, um die Verbreitung des Virus innerhalb der Betriebsstätte zu verhindern.[8]

Anhaltspunkte für die zu treffenden Maßnahmen geben der SARS-CoV-2-Arbeitsschutzstandard und die SARS-CoV-2-Arbeitsschutzregel. Deren rechtliche Bindungswirkung und Auswirkungen auf das Arbeitsverhältnis ist nicht unumstritten. Der Arbeitgeber wird die Vorgaben jedenfalls berücksichtigen müssen, kann seine Schutzpflichten nach § 618 Abs. 1 BGB jedoch im Einzelfall auch auf anderem Wege erfüllen.[9]

Grundsätzlich obliegt es dem Arbeitgeber zu beurteilen, wie er seinen Verpflichtungen aus § 618 BGB gerecht wird.[10]

Er ist dabei nicht verpflichtet, jegliches Gesundheitsrisiko auszuschließen – der Arbeitnehmer hat keinen Anspruch auf eine Null-Risiko-Situation am Arbeitsplatz.[11]

Verbindliche Vorgaben macht darüber hinaus d...

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