Rz. 20

Da der Dienstpflichtige durch den Annahmeverzug keine finanziellen Vor- und Nachteile haben soll, muss er sich gem. Satz 2 dasjenige auf den Verzugslohn anrechnen lassen, was er infolge des Unterbleibens der Dienstleistung erspart oder durch anderweitige Verwendung seiner Dienste erwirbt oder zu erwerben böswillig unterlässt. Anrechung bedeutet dabei nicht Aufrechnung, sondern eine automatische Kürzung der Vergütung.[1]

[1] ErfK/Preis, § 615 BGB, Rz. 83; Erman/Riesenhuber, § 615 BGB, Rz. 49.

6.1 Ersparte Aufwendungen

 

Rz. 21

Anzurechnen sind ersparte Aufwendungen, die in unmittelbarem Zusammenhang mit den geschuldeten Diensten stehen. Dies sind etwa Fahrtkosten und die Kosten für die Anschaffung oder Reinigung von Berufskleidung.[1]

[1] HWK/Krause, § 615 BGB, Rz. 88; MünchKomm/Henssler, § 615 BGB, Rz. 74.

6.2 Anderweitig erzieltes Einkommen

 

Rz. 22

Weiterhin muss sich der Dienstpflichtige den Verdienst anrechnen lassen, der kausal durch das Freiwerden der Arbeitskraft ermöglicht worden ist. Anhaltspunkte für die Kausalität können sich sowohl aus objektiven als auch aus subjektiven Umständen ergeben.[1] Eine Anrechnung erfolgt auch, wenn es sich um eine höherwertige und besser bezahlte Tätigkeit handelt.[2] Anzurechnen ist stets der anderweitige Bruttoverdienst. Dabei sind die Verdienste auf die Vergütung für die gesamte Dauer des Annahmeverzugs und nicht nur für einzelne Zeitabschnitte anzurechnen.[3] Einer Anrechnung zugänglich sind nur solche Verdienste, die auf der Arbeitskraft beruhen; Kapitaleinkünfte bleiben daher unberücksichtigt.[4] Ebenfalls unberücksichtigt bleiben Verdienste, die im Zeitraum einer Freistellung erwirtschaftet wurden. Es besteht dann keine Arbeitspflicht, sodass auch kein Annahmeverzug entsteht.[5] Entsprechendes gilt für Nebenverdienste, soweit sie auch bei Erfüllung der Vertragspflichten möglich gewesen wären.[6] Anders verhält es sich dagegen bei öffentlich-rechtlichen Leistungen. Diese sind nach § 11 Nr. 3 KSchG anzurechnen. Auch wenn der Anspruch auf den Annahmeverzugslohn aufgrund einer Legalzession auf den Leistungsträger gem. § 115 SGB X übergeht, verringert sich der Anspruch des Dienstpflichtigen im Ergebnis um den Betrag der empfangenen Sozialleistungen.[7] Zusätzlich für den Fall der gewonnenen Kündigungsschutzklage enthält § 11 Nr. 1 KSchG eine Sonderregel zu § 615 BGB. Der im Zeitraum zwischen Kündigungserklärung und Urteil erworbene Zwischenverdienst ist bereits ipso iure aus § 11 KSchG zu berücksichtigen und kann nicht mehr in den Anwendungsbereich von § 615 BGB fallen.[8]

[4] MünchArbR/Tillmanns, § 76, Rz. 67.
[5] BAG, Urteil v. 23.2.2021,5 AZR 314/20, NZA 2021, 778 – 782.
[7] MünchKomm/Henssler, § 615 BGB, Rz. 79.
[8] Zur Lage nach Kündigungserklärung BAG, Urteil v. 2.10.2018, 5 AZR 376/17, BAGE 163, 326.

6.3 Böswillig unterlassener Erwerb

 

Rz. 23

Um den Dienstberechtigten davor zu schützen, dass der Dienstpflichtige auf seine Kosten vorsätzlich Verdienstmöglichkeiten außer Acht lässt, muss sich der Dienstpflichtige auch den hypothetisch erzielbaren Verdienst anrechnen lassen. Eine Anrechnung findet jedoch nur statt, wenn der Dienstpflichtige die anderweitige Verwendung seiner Dienste böswillig unterlässt. Ein böswilliges Unterlassen ist zu bejahen, wenn der Dienstpflichtige zumutbare Arbeit grundlos ablehnt oder vorsätzlich verhindert, dass ihm zumutbare Arbeit angeboten wird. Der Arbeitgeber hat insoweit einen Auskunftsanspruch, welche andere Arbeit dem Arbeitnehmer durch das Jobcenter angeboten wurde.[1] Eine Schädigungsabsicht des Dienstpflichtigen ist nicht erforderlich. Der Dienstpflichtige muss lediglich in Kenntnis der objektiven Umstände untätig bleiben oder die Arbeitsaufnahme verhindern. Fahrlässiges Verhalten genügt aber nicht. Ist die anderweitige Tätigkeit dem Arbeitnehmer nicht zumutbar, kann dem Dienstpflichtigen seine Untätigkeit nicht zum Vorwurf gemacht werden. Dem Kriterium Unzumutbarkeit kommt daher entscheidende Bedeutung zu. Zur Klärung der Frage der Unzumutbarkeit kommt es auf die Umstände des Einzelfalls an. Bei der Prüfung sind das dem Arbeitnehmer gem. Art. 12 GG zustehende Grundrecht der freien Arbeitsplatzwahl sowie der Grundsatz von Treu und Glauben zu beachten.[2] Die Unzumutbarkeit der Arbeit kann sich unter verschiedenen Gesichtspunkten ergeben. Sie kann in der Person des Arbeitgebers, der Art der Arbeit oder den sonstigen Arbeitsbedingungen ihren Grund haben.[3] Auch vertragsrechtliche Umstände sind zu berücksichtigen. Demgegenüber kann der Maßstab des § 121 SGB III nicht herangezogen werden, da es dabei um den Schutz der Versichertengemeinschaft und damit einen anderen Regelungsgegenstand geht.[4] Der Dienstpflichtige muss keine völlig anders geartete, vor allem geringwertigere Tätigkeit aufnehmen. Andererseits kann ein solches Verhalten auch nicht als böswillig gewertet werden.[5] Er ist im Fall d...

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