Rz. 14

Unbeschadet der sonstigen Anspruchsvoraussetzungen kommt der Arbeitgeber nicht in Annahmeverzug, wenn der Arbeitnehmer außerstande ist, die Leistung zu bewirken, § 297 BGB. Die objektive Leistungsfähigkeit ist eine vom Leistungsangebot und dessen Entbehrlichkeit unabhängige Voraussetzung, die während des gesamten Annahmeverzugszeitraums vorliegen muss.[1] Unerheblich ist dabei die Ursache für die Leistungsunfähigkeit des Arbeitnehmers.[2] Der Annahmeverzug setzt also stets voraus, dass der Arbeitnehmer leistungsfähig und leistungswillig ist. Ist er zum maßgeblichen Zeitpunkt außerstande die Leistung zu erbringen, liegt Unmöglichkeit vor, die den Annahmeverzug ausschließt. In diesem Fall wird der Arbeitnehmer gem. § 275 BGB von seiner Arbeitspflicht frei. Maßgeblich für die Leistungsbereitschaft ist ausschließlich die geschuldete Arbeit. In welchem zeitlichen Umfang dabei der Arbeitgeber in Annahmeverzug geraten kann, richtet sich nach der arbeitsvertraglich vereinbarten oder – falls diese regelmäßig überschritten wird – nach der tatsächlich praktizierten Arbeitszeit. Denn die für das Arbeitsverhältnis maßgebliche Arbeitszeit bestimmt den zeitlichen Umfang, in welchem der Arbeitnehmer berechtigt ist, Arbeitsleistung zu erbringen und der Arbeitgeber verpflichtet ist, die Arbeitsleistung anzunehmen.[3] Für sonstige außerhalb der Vereinbarung zugewiesene Arbeiten ist die Leistungsbereitschaft des Arbeitnehmers nicht von Belang.

 
Praxis-Beispiel

Ein Annahmeverzug scheidet daher für alle Zeiten aus, die jenseits der gesetzlichen Grenzen des ArbZG liegen. Bietet ein Arbeitnehmer etwa während der Ruhezeiten des § 4 ArbZG seine Leistung an, gerät der Arbeitgeber nicht in Annahmeverzug.[4] Mit der bußgeld- und strafbewehrten[5] Verpflichtung des Arbeitgebers, die Arbeit mindestens in dem vorgeschriebenen Umfang zu unterbrechen, entbindet die Norm gleichzeitig den Arbeitgeber von der Verpflichtung, Arbeitsleistung der Arbeitnehmer anzunehmen und setzt zudem die Arbeitnehmer außerstande, die Arbeitsleistung zu bewirken.[6]

Kontrovers diskutiert wird die Frage, ob der Arbeitgeber verpflichtet ist, dem Arbeitnehmer eine Weiterarbeit zu geänderten Vertragsbedingungen anzubieten, wenn dieser nicht mehr zur Erbringung seiner ursprünglichen Arbeitsleistung imstande ist. Zum Teil wird mit Blick auf das Ultima-Ratio-Prinzip des Kündigungsschutzrechts eine solche Pflicht des Arbeitgebers bejaht.[7] Überzeugender dürfte es jedoch sein, eine automatische Änderung des Vertragsinhalts abzulehnen, da diese nicht mit der vertraglichen Gestaltungsfreiheit zu vereinbaren ist.[8] Aus § 296 BGB lässt sich keine Verpflichtung des Arbeitgebers herleiten, die von ihm wirksam konkretisierte Arbeitspflicht nach den Wünschen des Arbeitnehmers neu zu bestimmen. Daher ist für den Annahmeverzug des Arbeitgebers das Angebot einer "leidensgerechten Arbeit" ohne Belang, solange der Arbeitgeber diese nicht durch eine Neuausübung des Direktionsrechts zu der i. S. v. § 294 BGB zu bewirkenden Arbeitsleistung bestimmt hat.[9] Die Konkretisierung der Arbeitspflicht ist nach § 106 Satz 1 GewO Sache des Arbeitgebers. Verlangt der Arbeitgeber eine bestimmte Arbeit in rechtlich einwandfreier Art und Weise, kommt er nicht in Annahmeverzug, wenn der Arbeitnehmer diese Arbeit ablehnt und stattdessen eine andere, ebenfalls vertragsgemäße Arbeit anbietet.[10] Die Leistungsunfähigkeit kann sich aus tatsächlichen oder rechtlichen Gründen ergeben. Dazu gehören sowohl die Alkoholisierung eines Maschinenführers, der Führerscheinentzug eines Auslieferungsfahrers, der Freiheitsentzug als auch Beschäftigungsverbote wie das Fehlen einer Arbeitserlaubnis gem. § 284 Abs. 3 SGB III oder einer Approbation. Zudem liegt ein Unvermögen des Arbeitnehmers auch dann vor, wenn er zwar arbeitsfähig ist, aber nicht an seinen Arbeitsplatz gelangen kann, weil ein an ihn gerichtetes, aus seiner Sphäre resultierendes Hausverbot eines Kunden seines Arbeitgebers ihn rechtlich daran hindert, die geschuldete Arbeitsleistung am richtigen Ort zu erbringen.[11] Davon ist derjenige Fall abzugrenzen, in dem ein Kunde ein an den Arbeitgeber gerichtetes Verbot, einen bestimmten Arbeitnehmer einzusetzen, ausspricht: Da dieses Verbot sich nicht an den Arbeitnehmer selbst richtet, begründet es seitens des jeweiligen Arbeitnehmers auch kein Unvermögen i. S. v. § 297 BGB.[12] Neben diesen Fallgruppen lassen insbesondere gesundheitliche Gründe die Arbeitsfähigkeit entfallen und führen somit zum Ausschluss des Annahmeverzugs. Problematisch ist in diesem Zusammenhang, ob der Arbeitnehmer im gekündigten Arbeitsverhältnis nach seiner Genesung die wiedergewonnene Arbeitsfähigkeit gegenüber dem Arbeitgeber anzeigen muss. Während das BAG früher ein derartiges Verhalten seitens des Arbeitnehmers verlangte[13], hat es in der Folgezeit die Anforderungen verringert. Mittlerweile ist eine Anzeige der Leistungsbereitschaft selbst bei mehrfach befristeter und sogar unbefristeter Arbeitsunfähigkeit entbehrlich.[14] Begrü...

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