Rz. 11

Hat der Gläubiger bereits zuvor erklärt, er werde die Leistung nicht annehmen oder ist zur Leistungserbringung eine Handlung des Gläubigers erforderlich, genügt nach § 295 Satz 1 BGB ein wörtliches Angebot. Diesem ist nach Satz 2 die Aufforderung, an den Arbeitgeber die erforderliche Mitwirkungshandlung vorzunehmen, gleichgestellt.

 

Rz. 12

Anders als beim tatsächlichen Angebot handelt es sich bei dem wörtlichen Angebot um eine geschäftsähnliche Handlung. Die Vorschriften über Willenserklärungen finden daher entsprechende Anwendung. Insbesondere muss ein Zugang des Angebots i. S. v. § 130 BGB erfolgen.[1] Die Erklärung ist auch stillschweigend möglich, setzt aber voraus, dass der ernste Wille des Arbeitnehmers zur Arbeitsleistung deutlich wird. Inhaltlich muss das Angebot die gesamte geschuldete Arbeitsleistung umfassen. Gem. § 295 BGB ist vor Abgabe des Angebots eine Ablehnungserklärung des Gläubigers notwendig. Diese kann auch konkludent erfolgen.[2]

 
Praxis-Beispiel

Häufigster Fall einer ablehnenden Erklärung ist in der Praxis die Kündigung seitens des Arbeitgebers.[3]

Es wäre reiner Formalismus, wenn der gekündigte Arbeitnehmer dem Arbeitgeber ein von vornherein zur Ablehnung verurteiltes Angebot machen müsste. Daher genügte nach der früheren Rechtsprechung jeglicher Protest des Arbeitnehmers gegen die Kündigung. Vor allem die Erhebung einer Kündigungsschutzklage wurde als konkludentes wörtliches Angebot gewertet.[4] Da der Annahmeverzug in diesem Fall allerdings erst mit Zugang der Kündigungsschutzklage ausgelöst wird, besteht die Gefahr, dass der Arbeitnehmer für den vor dem Zugang liegenden Zeitraum u. U. seinen Vergütungsanspruch verliert. Um dies zu vermeiden, greift das BAG nunmehr auf § 296 BGB zurück.[5] Danach bedarf es eines Angebots nicht, wenn der Arbeitgeber eine nach dem Kalender bestimmte Mitwirkungshandlung unterlässt. Die dem Arbeitgeber zukommende Mitwirkungshandlung besteht nach Ansicht des BAG darin, dem Arbeitnehmer einen funktionsfähigen Arbeitsplatz zur Verfügung zu stellen und ihm Arbeit zuzuweisen. Als eine mit dem Kalender synchron laufende Daueraufgabe macht sie ein Angebot entbehrlich.[6] Klarstellend und erkennbar in dem Bestreben einer uferlosen Anwendung des § 296 BGB entgegenzuwirken, hat das BAG nunmehr entschieden, dass die Norm zwar im Einklang mit der bisherigen Rechtsprechung im Falle der unwirksamen arbeitgeberseitigen Kündigung Anwendung findet, dass jedoch in anderen Fallgestaltungen – wie z. B. der unwirksam angeordneten Kurzzeitarbeit – der Rückgriff auf § 296 BGB versperrt ist und es hier weiterhin zumindest eines mündlichen Angebots i. S. v. § 295 BGB bedarf.[7] Die Literatur stimmt mit dem von der Rechtsprechung gefundenen Ergebnis weitgehend überein. Allerdings begründet sie die Entbehrlichkeit des Angebots nicht mit § 296 BGB, sondern hält ein solches vielmehr aufgrund von Nutzlosigkeit, Unzumutbarkeit bzw. Verstoßes gegen die Leistungstreuepflicht für verzichtbar.[8] Zum Teil wird die Konstruktion des BAG mit dem Argument abgelehnt, die bloße Annahme stelle keine Mitwirkungshandlung dar und der Arbeitgeber sei nicht vorleistungspflichtig. Insofern sei ein wörtliches Angebot erforderlich.[9]

[2] ErfK/Preis, § 615 BGB, Rz. 26; Staudinger/Richardi/Fischinger, § 615 BGB, Rz. 59.
[3] Fuhlrott/Oltmanns, BB 2017, 2677, 2678 mit Blick auf die Praxis.
[4] BAG, Urteil v. 26.8.1971, 2 AZR 301/70, BB 1971, 1508.
[5] BAG, Urteil v. 9.8.1984, 2 AZR 374/83, NZA 1985, 119; BAG, Urteil v. 19.1.1999, 9 AZR 679/97, NZA 1999, 925.
[7] BAG, Urteil v. 18.11.2015, 5 AZR 491/15,NZA 2016, 565.
[8] Schäfer, JuS 1988, 265; Schwarze, Anm. zu BAG, EzA § 615 BGB Nr. 78; Waas, NZA 1994, 153.
[9] HWK/Krause, § 615 BGB, Rz. 39; Soergel/Kraft, § 615 BGB, Rz. 22; Stahlhacke, AuR 1992, 9.

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