8.3.4.1 Schutz des Lebens und der Gesundheit des Arbeitnehmers

 

Rz. 124

Der Schutz der Gesundheit des Arbeitnehmers gehört zu den wichtigsten arbeitgeberseitigen Nebenpflichten. Schutzpflichten, die dem Schutz von Leben und Gesundheit des Arbeitnehmers dienen, haben überwiegend eine Konkretisierung durch den Gesetzgeber erfahren. Besonders bedeutsam sind hierbei die Vorschriften des ArbSchG, des ASiG, § 618 Abs. 1 BGB, § 62 HGB, § 12 HAG, § 114 SeeArbG und § 28 JArbSchG.

 

Rz. 125

Der Arbeitnehmer hat gegenüber dem Arbeitgeber im Hinblick auf einen arbeitsschutzkonformen Zustand seines Arbeitsplatzes grundsätzlich einen einklagbaren Erfüllungsanspruch.[1] Verstößt der Arbeitgeber gegen Arbeitsschutzvorschriften, steht dem Arbeitnehmer ferner ein Unterlassungsanspruch als quasi negatorischer Beseitigungsanspruch analog §§ 12, 862, 1004 BGB zu.[2] Besteht durch das arbeitsschutzrechtswidrige Verhalten des Arbeitgebers eine Gesundheitsgefährdung für den Arbeitnehmer, so kann dieser entsprechend § 273 BGB seine Arbeitsleistung zurückbehalten.[3]

 

Rz. 126

Erfolgte eine Schädigung an Körper oder Leben des Arbeitnehmers, die durch eine vom Arbeitgeber zu vertretende Schutzverletzung hervorgerufen wurde, so bestehen grundsätzlich vertragliche Schadensersatzansprüche. Ferner kann ein Verstoß gegen öffentlich-rechtliche Arbeitsschutzgesetze auch eine deliktsrechtliche Haftung des Arbeitgebers begründen. Ob die Arbeitsschutzgesetze Verbotsgesetze i. S. v. § 823 Abs. 2 BGB darstellen, wird nicht einheitlich beurteilt.[4] Der Verbotsgesetzcharakter von § 618 BGB wird jedenfalls nach überwiegender Auffassung abgelehnt.[5] Hierfür spricht § 618 Abs. 3 BGB, wonach die Vorschriften der §§ 842-846 BGB entsprechend anzuwenden sind. Hierdurch wird deutlich, dass der Gesetzgeber nicht davon ausgegangen sein kann, dass eine Verletzung der Fürsorgevorschriften gleichzeitig eine unerlaubte Handlung i. S. d. Deliktsrechts darstellt, da es ansonsten einer ausdrücklichen Verweisung nicht bedurft hätte.[6]

[1] BAG, Urteil v. 10.3.1976, 5 AZR 34/75, AP BGB § 618 Nr. 17; Kort, NZA 1996, 855.
[2] Kohte in MünchArbR, Bd. 2, § 175, Rz. 21 Unterlassungsanspruch aus § 1004 i. V. m. § 823 BGB.
[3] Kohte in MünchArbR, Bd. 2, § 175, Rz. 23, 24; Richardi in Staudinger, § 611 BGB, Rz. 926.
[4] Dafür: Kohte in MünchArbR, § 175, Rz. 34; Joussen in BeckOK ArbR, § 611a, Rz. 304; eher abl. Preis in ErfK, § 611a BGB, Rz. 618.
[5] Vgl. Henssler in MünchKom, § 618 BGB, Rz. 105.
[6] Preis in ErfK, § 611a BGB, Rz. 618.

8.3.4.2 Persönlichkeitsschutz des Arbeitnehmers

 

Rz. 127

Eine große Bedeutung kommt auch der Pflicht des Arbeitgebers zum Schutz der Persönlichkeit des Arbeitnehmers zu. Hier entfaltet die Schutzfunktion der Grundrechte eine große Wirkung auf das Arbeitsrecht. Ob eine Persönlichkeitsverletzung des Arbeitnehmers vorliegt, ist durch eine Güter- und Interessenabwägung im Einzelfall zu bestimmen.[1]

 

Rz. 128

Von großer Bedeutung ist auch das aus dem Persönlichkeitsrecht folgende allgemeine Schikaneverbot (Mobbing) als Nebenpflicht des Arbeitgebers.[2]

 
Hinweis

Mit dem Begriff des Mobbings werden in diesem Zusammenhang "fortgesetzte aufeinander aufbauende und ineinander übergreifende, der Anfeindung, Schikane oder Diskriminierung dienende Verhaltensweisen erfasst, die nach ihrer Art und ihrem Ablauf im Regelfall einer übergeordneten, von der Rechtsordnung nicht gedeckten Zielsetzung förderlich sind und in ihrer Gesamtheit das allgemeine Persönlichkeitsrecht, die Ehre oder die Gesundheit des Betroffenen verletzen".[3]

 

Rz. 129

Der Arbeitgeber ist hiernach verpflichtet, das allgemeine Persönlichkeitsrecht der bei ihm beschäftigten Arbeitnehmer nicht selbst durch Eingriffe in deren Persönlichkeits- oder Freiheitssphäre zu verletzen, diese vor Belästigungen durch Mitarbeiter oder Dritte, auf die er einen Einfluss hat, zu schützen, einen menschengerechten Arbeitsplatz zur Verfügung zu stellen und die Arbeitnehmerpersönlichkeit zu fördern. Zur Einhaltung dieser Pflichten kann der Arbeitgeber als Störer nicht nur dann in Anspruch genommen werden, wenn er selbst den Eingriff begeht oder steuert, sondern auch dann, wenn er es unterlässt, Maßnahmen zu ergreifen oder seinen Betrieb so zu organisieren, dass eine Verletzung des Persönlichkeitsrechts ausgeschlossen wird.[4] So kann der Arbeitnehmer berechtigt sein, vom Arbeitgeber Schadensersatz zu verlangen, falls ihm Schäden aufgrund von Mobbing durch namentlich benannte Kollegen entstanden sind; hierzu reicht als konkreter Lebenssachverhalt die Angabe "Mobbing-Aktionen" verbunden mit der Angabe eines ungefähren Zeitraums jedoch nicht aus.[5] In einem solchen Fall kommen die Arbeitskollegen als Verrichtungsgehilfen in Betracht, deren Handeln dem Arbeitgeber über § 831 BGB zugerechnet werden kann. Hierfür genügt aber nicht schon ein nur örtlicher oder zeitlicher Zusammenhang zwischen Schädigung und Verrichtung; vielmehr ist über den äußeren Zusammenhang hinaus erforderlich, dass das Handeln angeblich mobbender Kollegen mit dem ihnen übertragenen Aufgabenkreis nach Zweck und Art objektiv in einem engen oder unmittelbaren inneren (sachliche...

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