Rz. 89

Der arbeitsrechtliche Gleichbehandlungsgrundsatz verlangt danach, dass eine vorgenommene Differenzierung sachlich gerechtfertigt ist. Was ein sachlicher Grund zur Rechtfertigung einer Ungleichbehandlung ist, entscheidet sich im Einzelfall. Ein abschließender Kanon existiert nicht. Die Unterscheidung muss einem legitimen Ziel dienen und zur Erreichung dieses Ziels erforderlich und angemessen sein. Davon geht auch die Rspr. aus, wenn sie fordert, dass eine Unterscheidung nach dem "Zweck der Leistung gerechtfertigt" sein muss[1] oder sie formuliert, eine Differenzierung sei sachfremd, wenn es für die unterschiedliche Behandlung keine billigenswerten Gründe gibt. Wenn also nach einer am Gleichheitsgedanken orientierten Betrachtungsweise die Regelung als willkürlich anzusehen ist.[2] Billigenswert sind Gründe, die auf vernünftigen, einleuchtenden Erwägungen beruhen und gegen keine verfassungsrechtlichen oder sonstigen übergeordneten Wertentscheidungen verstoßen.[3]

 

Rz. 90

Als generell ungeeignete Differenzierungsgründe werden die in Art. 3 Abs. 2, 3 GG, § 75 BetrVG und § 67 BPersVG normierten Merkmale genannt.[4] Das ist in dieser Verkürzung nicht zutreffend. Schwangere nicht einzustellen hat einen sachlichen Grund – nämlich Kostenminimierung – und ist unzulässig. Nicht im Hinblick auf den allgemeinen Gleichbehandlungsanspruch, sondern wegen des Verstoßes gegen das besondere Diskriminierungsverbot nach § 7 Abs. 1 i. V. m. § 1 AGG. Richtig aber ist, dass ein legitimer Zweck, dem die Unterscheidung dienen könnte, in der Tat hier oftmals nicht erkennbar ist.

 

Rz. 91

Ein rechtfertigender Grund zur Ungleichbehandlung liegt – zumindest bei der Entgelt- und Ruhegeldzusage – auch in der unterschiedlichen Profitabilität eines Arbeitsverhältnisses für den Arbeitgeber oder auch in den unterschiedlichen Möglichkeiten der Refinanzierung.[5] Unzulässig sind maßregelnde Unterscheidungen.

 

Rz. 92

Eine Ungleichbehandlung ist zulässig, wenn ein Hilfskriterium zu einer Gruppenbildung verwandt wird, die ihrerseits auf eine Unterscheidung abzielt, die durch sachliche Gründe gerechtfertigt ist. Dies entspricht allgemeinen Regeln auch zur Einordnung gesetzlicher Differenzierungen. Erforderlich ist allein, dass sich durch die Unterscheidung nach den Hilfskriterien hinreichend sicher das eigentliche Ziel fördern lässt und der Aufwand, eine feingliedrigere Abgrenzung vorzunehmen, unverhältnismäßig wäre.

 

Rz. 93

Stimmt der vom Arbeitgeber zu bestimmende Zweck einer Ungleichbehandlung jedoch mit dem Differenzierungsmerkmal nicht überein, ist er also nur vorgeschoben, kann er eine Differenzierung nicht rechtfertigen.[6]

 

Rz. 94

Stichtagsregelungen sind für die Schaffung von Ansprüchen vielfach üblich und wurden bislang durchgehend von der Rspr. des BAG anerkannt. Schon angesichts des ständigen Wandels der wirtschaftlichen Rahmenbedingungen ist der Arbeitgeber nicht aus Gleichbehandlungsgründen verpflichtet, einmal vereinbarte Vertragsinhalte auch künftigen Einstellungen immer wieder zugrunde zu legen.[7] Stichtagsregelungen sind auch nicht deshalb unzulässig, weil sie im Einzelfall zu Härten führen.[8] Bei der Wahl des Stichtags besteht ein weiter Ermessensspielraum. Der Zeitpunkt muss sich jedoch am gegebenen Sachverhalt orientieren und demnach sachlich vertretbar sein, d. h. die Interessenlage des Betroffenen angemessen erfassen.[9] Das Bestreben des Arbeitgebers, seine Kostenbelastung zu begrenzen, rechtfertigt freilich nicht jede beliebige zeitliche Differenzierung. Sie muss auf die jeweilige Leistung und deren Besonderheiten abgestimmt sein, wenn auch die Reichweite dieser Anpassungspflicht bislang nicht durch die Rspr. konkretisiert ist.[10]

[1] BAG, Urteil v. 28.5.1996, 3 AZR 752/95, AP TVG § 1 Tarifverträge: Metallindustrie Nr. 143.
[2] BAG, Urteil v. 21.3.2002, 6 AZR 144/01, EzA § 242 BGB Gleichbehandlung Nr. 88.
[4] Preis in ErfK, § 611a BGB, Rz. 591; Richardi in Staudinger, § 611 BGB, Rz. 355.
[6] BAG, Urteil v. 15.5.2001, 1 AZR 672/00, AP BGB § 242 Gleichbehandlung Nr. 176.
[7] BAG, Urteil v. 18.11.2003, 1 AZR 604/02, AP BetrVG 1972 § 77 Nachwirkung Nr. 15.
[8] BAG, Urteil v. 5.10.2000, 1 AZR 48/00, AP BetrVG 1972 § 112 Nr. 141.

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