Rz. 31

Der Arbeitsvertrag kann in seiner Gesamtheit oder in Teilen gegen ein gesetzliches Verbot i. S. v. § 134 BGB verstoßen und damit insgesamt oder teilweise nichtig sein. Der Anwendungsbereich des § 134 BGB ist im Arbeitsrecht groß, da zahlreiche Arbeitsschutznormen Verbotsgesetze i. S. d. Vorschrift enthalten. Verbotsgesetze sind insbesondere Arbeitnehmerschutzvorschriften wie der allgemeine Kündigungsschutz, Arbeitszeit-, Sonn- und Feiertagsschutz sowie der Frauen-, Jugendarbeits- und BR-Schutz. Ob der Arbeitsvertrag bei Verstoß gegen ein Verbotsgesetz insgesamt nichtig ist, hängt von dem Zweck der entsprechenden Norm ab.

 

Rz. 32

Auch die Gesetzesumgehung kann zur Nichtigkeit führen.[1] Diese liegt immer dann vor, wenn der Zweck einer zwingenden Rechtsnorm dadurch vereitelt wird, dass andere rechtliche Gestaltungsmöglichkeiten missbräuchlich verwendet werden. Maßgeblich ist die objektive Funktionswidrigkeit des Rechtsgeschäfts. Die Rspr. hat hierauf die Unwirksamkeit von Gratifikations- oder Prämienrückzahlungsklauseln[2] oder aber mit den Wertungen des KSchG unvereinbare auflösende Bedingungen[3] gestützt. Heute wird man oftmals durch eine Inhaltskontrolle nach § 307 BGB zum gleichen Ergebnis kommen.

 

Rz. 33

Der Abschluss eines Arbeitsvertrags kann ferner gegen die guten Sitten verstoßen und somit gem. § 138 Abs. 1 BGB nichtig sein. Verträge sind unwirksam, wenn sie gegen die Grundprinzipien der Rechts- und Sittenordnung verstoßen; sittenwidrig ist, was dem Anstandsgefühl aller billig und gerecht Denkenden widerspricht.[4] Hierbei ist zu unterscheiden, ob der Vertragsinhalt insbesondere durch den Gegenstand der versprochenen Dienste gegen die guten Sitten verstößt (Inhaltssittenwidrigkeit) oder ob sich der Verstoß aus einer Zusammenfassung von Inhalt, Begründung und Zweck des Vertrags ergibt (Umstandssittenwidrigkeit).[5] Liegen die Voraussetzungen allgemeiner Geschäftsbedingungen vor, wird es auf die Sittenwidrigkeit regelmäßig nicht ankommen, da für die Unwirksamkeit des § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB bereits ein Unwerturteil unterhalb der Schwelle der Sittenwidrigkeit nach § 138 BGB genügt.[6]

 

Rz. 34

Wucher i. S. v. § 138 Abs. 2 BGB ist dann gegeben, wenn Leistung und Gegenleistung in einem auffälligen Missverhältnis stehen und das Leistungsversprechen unter Ausbeutung der Zwangslage, der Unerfahrenheit, des Mangels an Urteilsvermögen oder der erheblichen Willensschwäche erfolgt ist.[7] Eine Ausnutzung der wirtschaftlichen oder intellektuellen Überlegenheit liegt dann vor, wenn der objektiv sittenwidrig Handelnde sich böswillig oder leichtfertig der Erkenntnis verschließt, dass sich der andere nur unter dem Zwang der Verhältnisse auf den ungünstigen Vertrag einlässt. Allein dadurch, dass bei einem Arbeitsverhältnis die Vergütungshöhe dem gesetzlichen Mindestlohn entspricht, wird das Vorliegen des Wuchertatbestands noch nicht ausgeschlossen. Insofern wird nur das Minimum der Vergütung festgesetzt, der Mindestlohn sagt jedoch nichts darüber aus, wie eine bestimmte Tätigkeit üblicherweise vergütet wird.[8]

[1] BAG, Urteil v. 10.2.1999, 2 AZR 422/98, AP KSchG 1969 § 2 Nr. 52.
[2] BAG, Urteil v. 12.10.1972, 5 AZR 227/72, DB 1973 S. 285.
[4] BAG, Urteil v. 21.3.1963, 5 AZR 100/62, AP GG Art. 12 Nr. 29; Preis in ErfK, § 611a BGB, Rz. 336.
[5] Zu praxisrelevanten Einzelfällen ausführlich Thüsing in HWK, § 611a BGB, Rz. 220 ff.; zum Scheingeschäft BAG, Urteil v. 14.10.2020, 5 AZR 409/19, AP § 117 BGB Nr. 3.
[7] BAG, Urteil v. 23.5.2001, 5 AZR 527/99, AuR 2001, S. 510; Richardi in Staudinger, § 611 BGB, Rz. 201.

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