Rz. 12

Innerhalb des Arbeitsrechts ging bereits bislang die h. M. von einem einheitlichen Arbeitnehmerbegriff aus.[1] Bei seiner Bestimmung im Einzelfall wird also nicht in Abhängigkeit vom jeweiligen anwendbaren Gesetz differenziert, es sei denn, der persönliche Anwendungsbereich der jeweiligen Kodifikation ist vom Gesetzgeber durch eine gesonderte Regelung speziell zugeschnitten worden (z. B. § 5 Abs. 2, 3 BetrVG). Dreh- und Angelpunkt ist dementsprechend nun die Definition des Arbeitsvertrags, die sich aus § 611a BGB entnehmen lässt. Den jeweiligen arbeitsrechtlichen Gesetzen liegen allerdings im Detail durchaus unterschiedliche Schutzrichtungen zugrunde, wenngleich das Arbeitsrecht allgemein und generalisierend als Schutzrecht der abhängig Beschäftigten bezeichnet wird und der Arbeitnehmerschutz also als allumspannender Zweck des Arbeitsrechts angesehen werden kann. Die Zielsetzung vieler arbeitsrechtlicher Gesetzgebungswerke und richterrechtlich ausgeformter Institute lässt sich zusammenfassend dahingehend umschreiben, dass sie dem Schutz der Persönlichkeit der Arbeitnehmer dienen. Das Arbeitsrecht kann also umgekehrt weitgehend als Konkretisierung des Persönlichkeitsschutzes der Arbeitnehmer charakterisiert werden.[2] Bei anderen Gesetzen steht hingegen mehr die Erhaltung der wirtschaftlichen Existenz der Arbeitnehmer im Vordergrund. Das gilt z. B. für das EFZG, nach überwiegender Meinung auch mit Blick auf das KSchG.[3]

 

Rz. 13

Im Hinblick auf das kollektive Arbeitsrecht wird der Gedanke des Arbeitnehmerschutzes ebenso generalisierend als ein prägendes Grundprinzip bezeichnet[4], wenngleich auch insoweit im Detail hinsichtlich der Zwecksetzung von Tarifvertrags- und Betriebsverfassungsrecht differenziert werden muss. Die beiden Spielarten kollektiver Interessenvertretung der Arbeitnehmer verdanken ihr Entstehen historisch betrachtet der mangelnden Eignung des Individualvertrags als Gestaltungsmittel des Arbeitslebens, die sich in einer Unterlegenheit des Arbeitnehmers im Verhältnis zum Arbeitgeber manifestiert hat. Obwohl der Inhalt des Arbeitsvertrags Gegenstand freier Übereinkunft sein soll, war es dem Arbeitgeber aufgrund seiner wirtschaftlichen Machtposition faktisch möglich, die Lohn- und Arbeitsbedingungen einseitig zu diktieren. Um diese wirtschaftliche Abhängigkeit auf Seiten des Arbeitnehmers zu kompensieren, mussten sich Gewerkschaften bilden, ihre Rechte in blutigen Streiks erkämpfen, und es ist am Ende der geschichtlichen Entwicklung die Tarifautonomie entstanden, durch welche die fehlende materielle Vertragsgerechtigkeit des Individualarbeitsvertrags zugunsten der Arbeitnehmer auf kollektiver Ebene wiederhergestellt wurde.[5] Das TV-Recht dient daher mit anderen Worten einem wirtschaftlich geprägten Schutzauftrag.[6] Historisches Ziel der betrieblichen Mitbestimmung war hingegen, das Direktionsrecht des Arbeitgebers im Hinblick auf formelle Arbeitsbedingungen, d. h. solche Regelungsgegenstände, die aus organisatorischen Gründen innerhalb eines arbeitsteiligen Produktionsverbands einer einheitlichen Reglementierung bedürfen, zu beschränken. Durch die betriebliche Mitbestimmung werden einseitig vom Arbeitgeber erlassene Regelungen durch Vereinbarungen mit dem BR als Vertreter der Arbeitnehmerinteressen ersetzt.[7] Der Betriebsautonomie wird daher zu Recht neben oder anstelle ihrer Schutzfunktion ein eigenständiger Teilhabe-[8] oder Integrationszweck[9] attestiert.

 

Rz. 14

Die beispielhaft dargestellten Unterschiede in der Zielsetzung arbeitsrechtlicher Kodifikationen und Institute könnten dafür sprechen, von einem unterschiedlichen, der jeweiligen Teleologie angepassten Arbeitnehmerbegriff auszugehen.[10] Ob und inwieweit der gesetzliche Zweck eine differenzierende Begriffsbestimmung gebietet und wie diese auszusehen hat, müsste dann für jedes arbeitsrechtliche Gesetz oder Institut gesondert beurteilt werden. Unabhängig von den großen praktischen Schwierigkeiten einer solchen variierenden Festlegung des Arbeitnehmerbegriffs und der damit einhergehenden Rechtsunsicherheit spricht entscheidend gegen diese Vorgehensweise, dass der Arbeitsvertrag einen eigenständigen, einheitlichen Vertragstyp darstellt.[11] Diesen gilt es daher auch anhand einer einheitlichen Definition des Arbeitnehmerbegriffs zu charakterisieren, woran die Rechtsordnung sodann eine Vielzahl von unterschiedlichen, in zahlreichen Gesetzen verstreuten Rechtsregeln knüpft. Auch die Legaldefinition in § 611a BGB spricht für einen einheitlichen arbeitsrechtlichen Arbeitnehmerbegriff. In der Gesetzesbegründung heißt es: "Soweit andere Rechtsvorschriften eine abweichende Definition des Arbeitnehmers, des Arbeitsvertrags oder des Arbeitsverhältnisses vorsehen, um einen engeren oder weiteren Geltungsbereich dieser Rechtsvorschriften festzulegen, bleiben diese unberührt".[12] Daraus lässt sich im Umkehrschluss der Wille des Gesetzgebers erkennen, dass dort, wo keine abweichende gesetzliche Definition besteht, die Definition des § 611a BGB gel...

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