Rz. 3

Mit dem Begriff "Vertragsbedingungen" meint der Gesetzgeber alle Regeln, die auf individualrechtlicher Ebene für das Arbeitsverhältnis geschaffen werden. Damit ist ein umfassendes Verständnis der Vertragsbedingung gemeint, was zu einer möglichst weit reichenden Anwendung der AGB-Kontrolle auf individualrechtliche Vereinbarungen führt.

Unter "Vertragsbedingungen" sind folglich nicht nur die Hauptleistungspflichten aus dem Arbeitsverhältnis zu fassen, sondern auch weitere Hauptpflichten, Nebenleistungspflichten und Nebenpflichten. Erfasst werden auch vertragliche Regelungen über prozessuale Fragen[1], also z. B. auch ein Verzicht auf die Erhebung der Kündigungsschutzklage in einem Aufhebungs- oder Abwicklungsvertrag.

Unter Vertragsbedingungen wurden vom BGH auch einseitige Rechtsgeschäfte sowohl des Arbeitgebers als auch des Arbeitnehmers verstanden.[2] Kontrollfähig sind daher – unabhängig von ihrer dogmatischen Erklärung als einseitige Zusage oder als Vertrag – Gesamtzusagen des Arbeitgebers oder betriebliche Übungen auf der einen Seite, auf der anderen Seite sogar Ausgleichsquittungen oder Empfangsquittungen des Arbeitnehmers, wenn sie vom Arbeitgeber vorformuliert wurden.[3] Allerdings enthalten rein einseitige Rechtsgeschäfte (insbesondere des Arbeitgebers) keine allgemeinen Geschäftsbedingungen. Insbesondere unterfallen daher Kündigungen nicht der AGB-Kontrolle.[4]

Eine Wiedereinstellungszusage bewertet das BAG – anders als Kündigungen – nicht als rein einseitiges Rechtsgeschäft, sie wird daher der AGB-Kontrolle unterworfen.[5]

 

Rz. 4

Tarifverträge, Betriebs- und Dienstvereinbarungen sind zwar grundsätzlich nicht individualvertragliche Vertragsbedingungen i. S. d. § 305 BGB, die AGB-Kontrolle findet kraft § 310 Abs. 4 Satz 1 BGB auf solche Normen nicht Anwendung. Allerdings gilt dies nur, solange und soweit die erwähnten Normen allein kraft ihrer normativen Wirkung gelten. Häufig wird in Arbeitsverträgen auch auf solche Regelungswerke verwiesen. Insofern wirken diese Normen im Arbeitsverhältnis nicht aufgrund ihrer normativen Wirkung, sondern kraft individualvertraglicher Verweisung. Sie sind in dieser Funktionsweise Vertragsbedingungen i. S. d. § 305 Abs. 1 BGB und können daher der AGB-Kontrolle unterliegen.[6] Allerdings meidet es die Rechtsprechung, auf dem Umweg über die einzelvertragliche Verweisung Tarifwerke insgesamt einer "AGB-Zensur" zu unterwerfen. Das BAG verzichtet daher ebenfalls dann auf eine Inhaltskontrolle der in Bezug genommenen Tarifverträge, wenn im Arbeitsvertrag auf ein vollständiges Tarifwerk und nicht nur auf Abschnitte Bezug genommen wird und wenn dieses Tarifwerk zumindest für den Arbeitgeber kraft dessen Tarifbindung gilt.[7] Dies gilt auch für Haustarifverträge.[8] Teilweise fordert das BAG weiter, dass das Tarifwerk auf Dauer in Bezug genommen wird.[9] Verweist eine Vertragsklausel allerdings auf mehrere Tarifwerke, so hält das BAG eine solche Verweisung wegen Intransparenz für unwirksam, wenn aus der Verweisungsklausel nicht deutlich wird, welcher Tarifvertrag gelten soll und wenn es sich um konkurrierende Tarifwerke handelt. Das gilt auch, wenn die Klausel scheinbar nur auf einen Tarifvertrag verweist, dort aber in Form eines sog. mehrgliedrigen Tarifvertrags von mehreren Tarifparteien (also z. B. mehreren Gewerkschaften oder mehreren Arbeitgeberverbänden) in einem Dokument gleichzeitig je für sich Tarifverträge vereinbart wurden.[10]

 
Praxis-Tipp

Verweise bei mehrgliedrigen Tarifverträgen

Bei einer Verweisungsklausel, die auf Tarifverträge mit mehreren Tarifparteien auf einer Seite verweist, sollte klargestellt werden, welche Tarifverträge von welchen Parteien bei künftigem Auseinanderfallen der noch einheitlichen Regelungen gelten sollen.

Auch bei einer globalen Verweisung auf den Tarifvertrag ist eine Inhaltskontrolle jedoch dann nicht ausgeschlossen, wenn der Tarifvertrag seinerseits keine Regelungen enthält, sondern die Gestaltungsspielräume an die Arbeitgeber zurückgibt.[11] Ist aber eine Erweiterung des arbeitgeberseitigen Direktionsrechts Inhalt der in Bezug genommenen Tarifbestimmung, so kann dieser im Tarifvertrag gefundene Interessenausgleich als im Arbeitsrecht geltende Besonderheit i. S. d. § 310 Abs. 4 Satz 2 BGB zu der Wertung führen, dass keine unangemessene Benachteiligung des Arbeitnehmers durch eine solche Regelung geschaffen werde.[12]

Ein Arbeitsvertrag kann auch auf unwirksame Tarifverträge verweisen. Allerdings prüft das BAG dann, ob die Tarifparteien die Verweisung auch für den Fall gewollt haben, dass der Tarifvertrag rechtlich unwirksam ist.[13]

 

Rz. 5

Die Rechtsprechung verzichtet allerdings auch dann nicht auf die Inhaltskontrolle vollständig in Bezug genommener Tarifverträge, wenn die arbeitsvertragliche Verweisung einen nicht einschlägigen, branchenfremden Tarifvertrag trifft. Denn die Regelungen eines Tarifvertrags basieren auf ökonomischen Gegebenheiten der jeweiligen Branche, für die er erlassen wurde.[14] Die Literatur spricht sich in diesem Fal...

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