Leitsatz (amtlich)

›1. Die Stellung als gesetzlicher Vertreter einer juristischen Person führt niemals schon für sich allein zur Verantwortlichkeit für eine von Mitarbeitern oder Organen der juristischen Person verübten Ordnungswidrigkeit. Grundsätzlich setzt die Ahndung einer begangenen Ordnungswidrigkeit gegenüber einem gesetzlichen Vertreter einer juristischen Person voraus, dass ihm diese Ordnungswidrigkeit nach den allgemeinen Grundsätzen zu Täterschaft und Teilnahme, Tun und Unterlassen zugerechnet werden kann (§§ 8, 14 OwiG).

2. Eine Erweiterung der Haftung u.a. von gesetzlichen Vertretern juristischen Personen bewirkt § 9 OWiG. Diese Vorschrift bezieht sich auf solche Tatbestände, die ihrer Fassung nach nur für einen ganz bestimmten Personenkreis gelten, deren Angehörige besondere persönliche Merkmale aufweisen oder die nach dem Zusammenhang der Vorschrift nur für einen solchen Personenkreis gelten können. § 9 OWiG bewirkt keine Zurechnung fremden Verhaltens an den gesetzlichen Vertreter, sondern erklärt nach der jeweiligen Ordnungswidrigkeitnorm vorausgesetzte besondere persönliche Merkmale beim handelnden gesetzlichen Vertreter für entbehrlich, sofern sie beim Vertretenen vorliegen.

3. Nach § 130 OWiG werden der Inhaber eines Betriebes oder Unternehmens und die ihm gleichstehenden gesetzlichen Vertreter einer juristischen Person zwar nicht wegen der Begehung der von Mitarbeitern des Unternehmens verwirklichten Zuwiderhandlung belangt, sie haften aber dann, wenn die betriebsbezogenen straf- oder bußgeldbewehrten Gebote und Verbote nicht eingehalten wurden und dies darauf beruht, dass der Inhaber oder die gesetzlichen Vertreter die erforderlichen Aufsichtsmaßnahmen schuldhaft nicht getroffen haben.‹

 

Gründe

I.

Mit Bußgeldbescheid vom 16.09.2003 setzte das Landratsamt des Kyffhäuserkreises gegen den Betroffenen als Geschäftsführer der J. K.Baugesellschaft mbH wegen verbotswidriger Abfallablagerung gemäß § 27 Abs. 1 Satz 1 KrW-/AbfG i.V.m. § 61 Abs. 1 Nr. 1 und 2 KrW-/AbfG eine Geldbuße von 800,00 E fest. Gegen diesen dem Betroffenen persönlich am 17.09.2003 und seinem Verteidiger am 18.09.2003 zugestellten Bußgeldbescheid legte der Betroffene durch seinen Verteidiger am 25.09.2003 Einspruch ein. Daraufhin verurteilte das Amtsgericht Sondershausen den Betroffenen in Anwesenheit am 03.12.2003 wiederum zu einer Geldbuße von 800,--EUR. Hiergegen legte der Betroffene durch seinen Verteidiger am 08.12.2003 Rechtsbeschwerde ein und begründete diese, nachdem das vollständig abgefasste Urteil dem Verteidiger am 18.12.2003 zugestellt worden war, am 07.01.2004. Mit der Rechtsbeschwerde wird die Verletzung formellen und materiellen Rechts gerügt.

II.

Die Rechtsbeschwerde ist zulässig und begründet. Mit der Sachrüge hat sie einen vorläufigen Erfolg.

Die getroffenen Feststellungen reichen zur Annahme der Täterschaft des Betroffenen in Bezug auf die ihm zur Last gelegte Ordnungswidrigkeit nicht aus. Die diesbezüglichen Ausführungen sind nicht frei von Rechtsfehlern. Zur Täterschaft des Betroffenen heißt es in dem Urteil:

"Nach Beendigung der Schachtungsarbeiten sprach ein Mitarbeiter des Abwasserverbandes, der Zeuge N., einen Gesellschafter der K.Baugesellschaft mbH, den Zeugen E., an und erklärte ihm, die K.Baugesellschaft mbH solle die verbliebenen Löcher zumachen. Dies geschah auch in der Weise, dass Bitumen-, Baumisch- und diverse Bauabfälle aus einer Bautätigkeit vom Betriebshof auf das nahe gelegene betreffende Grundstück gebracht, abgelagert und einplaniert wurden. Somit muss das Gericht davon ausgehen, dass die K. Baugesellschaft mbH die Gelegenheit, die ihnen durch die Schachtungsarbeiten des örtlichen Abwasserverbandes gegeben waren, genutzt hat und entsprechende Löcher mit dem genannten Abfall zugefüllt hat. Dieser Verstoß ist zumindest bedingt vorsätzlich begangen worden. Die K.-Baugesellschaft mbH ist seit mehreren Jahren auf dem Markt. Der Betroffene ist nicht unerfahren in diesem Bereich, so dass er einen entsprechenden Verstoß in Kauf genommen hat. ... Eine Haftung des Betroffenen kommt aus § 9 Abs. 1 OWiG in Betracht. Der Betroffene ist der vertretungsberechtigte Geschäftsführer der K.-Baugesellschaft mbH. Er muss sich diese Vorschriften anrechnen lassen, genau wie das Handeln der K.-Baugesellschaft mbH durch deren Mitarbeiter und in deren Zuständigkeit der Müll entsprechend abgelagert worden ist."

In Bezug auf den Betroffenen werden zur objektiven Tatseite keinerlei tatsächliche Feststellungen getroffen. Offensichtlich ist das Amtsgericht der Meinung, dass ein durch (irgendwelche) Mitarbeiter der K.-Baugesellschaft mbH begangener Verstoß gegen § 27 Abs. 1 Satz 1 KrW-/AbfG dem Betroffenen ohne weiteres gemäß § 9 Abs. 1 OWiG zugerechnet werde, und zwar allein deshalb, weil der Betroffene Geschäftsführer und damit gesetzlicher Vertreter dieses Unternehmens war. Das ist rechtsfehlerhaft.

Die Stellung als gesetzlicher Vertreter einer juristischen Person führt niemals schon für sich allein zur Verantwortlichkeit f...

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