Entscheidungsstichwort (Thema)

Freiwillige Versicherung. Beitrittsfrist. Wiedereinsetzung in den vorigen Stand. Verschulden. Betreuung. sozialrechtlicher Herstellungsanspruch. Beratung. Schutzbedürftigkeit

 

Leitsatz (redaktionell)

1. Scheidet ein behinderter Versicherter aus der Versicherungspflicht nach § 5 Abs. 1 Nr. 7 SGB V aus, hat die Krankenkasse ihn über die Möglichkeit einer freiwilligen Weiterversicherung aufzuklären, selbst dann, wenn für ihn ein Betreuer bestellt ist.

2. Versäumt der Versicherte mangels Aufklärung durch die Krankenkasse die Beitrittsfrist nach § 9 Abs. 2 SGB V, so ist er im Wege des sozialrechtlichen Herstellungsanspruchs so zu stellen, als habe er die Frist eingehalten. Dies gilt selbst dann, wenn eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand ausscheidet.

 

Normenkette

SGB V § 5 Abs. 1 Nr. 7, § 9 Abs. 1 Nr. 1, Abs. 2 Nr. 1; SGB X § 27 Abs. 1; SGB XI § 7 Abs. 2, § 20 Abs. 1, § 26 Abs. 1

 

Verfahrensgang

SG Suhl (Urteil vom 26.03.2003; Aktenzeichen S 4 KR 306/01)

 

Tenor

Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Sozialgerichts Suhl vom 26. März 2003 wird zurückgewiesen.

Die Beteiligten haben einander keine Kosten zu erstatten.

Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

Streitig ist die Mitgliedschaft des Klägers bei der Beklagten.

Mit Beschlüssen des Amtsgerichts Sonneberg (Az.: XVII 106/94) vom 8. November 1994 und 26. November 1999 wurde die Betreuerin M.… G.…, vormals Mitarbeiterin des Vereins Volkssolidarität e.V. N.… und nunmehr Mitarbeiterin des Betreuungsvereins B.… e.V. N.…, als gesetzliche Betreuerin des Klägers mit dem Aufgabenkreis Aufenthaltsbestimmung, Vermögenssorge, Vertretung bei notwendiger ärztlicher Heilbehandlung und Vertretung gegenüber Ämtern und Behörden bestellt.

Der seit längerem seelisch behinderte Kläger war vom 1. August 1997 bis einschließlich 31. Juli 2000 bei der R.…-Werkstätten gGmbH, einer Werkstatt für behinderte Menschen (vgl. §§ 136, 137 des Neunten Buches Sozialgesetzbuch ≪SGB IX≫) beschäftigt und bei der Beklagten und der Beigeladenen zu 2. gesetzlich kranken- und pflegeversichert (vgl. § 5 Abs. 1 Nr. 7 des Fünften Buches Sozialgesetzbuch ≪SGB V≫ und § 20 Abs. 1 Satz 2 Nr. 7 des Elften Buches Sozialgesetzbuch ≪SGB XI≫). Der Beigeladene zu 1. leistete in dieser Zeit Hilfe in besonderen Lebenslagen als Eingliederungshilfe nach dem Bundessozialhilfegesetz (BSHG).

Aufgrund einer Verschlechterung seines Gesundheitszustandes wurde der Kläger am 1. August 2000 in das Landesfachkrankenhaus für Psychiatrie und Neurologie H.… zum stationären Aufenthalt eingewiesen. Das Beschäftigungsverhältnis mit der R.…-Werkstätten gGmbH endete zu diesem Zeitpunkt; Sozialhilfeleistungen gewährte der Beigeladenen zu 1. weiterhin. Er stellte mit Schreiben vom 3. August 2003 (der Geschäftstelle H.… der Beklagten am 7. August 2000 zugegangen und am 9. August bei der Beigeladenen zu 2. eingegangen) “gemäß § 91a BSHG” einen Antrag auf Leistungen der Sozialen Pflegeversicherung nach § 43a SGB XI und machte einen Erstattungsanspruch gemäß § 104 des Zehnten Buches Sozialgesetzbuch (SGB X) geltend.

Ausweislich der von der R.…-Werkstätten gGmbH unter dem 6. September 2000 erteilten Bescheinigung zur Sozialversicherung war der Kläger bei der Beklagten vom 1. März bis 31. Juli 2000 gemeldet.

Nach dem internen Vermerk des Sachbearbeiters H.… vom 19. Oktober 2000 sollte ein Hausbesuch der Beklagten beim Kläger durchgeführt werden. Hierbei sollte ein Antrag auf Pflegeleistungen aufgenommen werden. Die Versicherungszeiten seien unklar. Zu prüfen sei, ob der Kläger noch bei der AOK versichert sei. Wahrscheinlich sei dies nicht der Fall.

Anlässlich des am 27. Oktober 2000 durchgeführten Hausbesuchs überreichte die im Auftrag der Beigeladenen zu 2. tätige Pflegeberaterin H.… der Mitarbeiterin des Betreuungsvereins B.… e.V. H.… einen Antragsvordruck auf Leistungen der Sozialen Pflegeversicherung. Sie vermerkte u.a. Folgendes im Besuchsbericht: “Der Versicherte wohnt nicht mehr im Kirchweg 73. Er befindet sich nach Auskunft des betreuten Wohnens im LNK H.… Die gesetzliche Betreuerin ist Frau G.… vom BV N.… e.V. Der Antrag wird von ihr gestellt, wenn sie nächste Woche wieder kommt. Er wurde an Frau H.… übergeben.”

Mit Telefax vom 6. November 2000 wandte sich der Beigeladene zu 1. nochmals an die Beklagte und bat sie, die “Antragsformalitäten” mit der gerichtlich bestellten Betreuerin zu erledigen. Als Sozialhilfeträger sei er bereit, die freiwilligen Versicherungsbeiträge zu übernehmen. Mit Schreiben vom 9. November 2000 teilte ihm die Beklagte mit, dass wegen Ablaufs der Drei-Monats-Frist des § 9 SGB V eine freiwillige Mitgliedschaft nicht möglich sei. Eine Kopie übersandte sie der Betreuerin G.…, die mit Schreiben vom 29. November 2000 Widerspruch einlegte und um “Rückversetzung” in den vorigen Stand mit dem Ziel der Feststellung einer freiwilligen Mitgliedschaft der Beklagten ab dem 1. August 2000 bat. Die Beklagte wies mit Widerspruchsbescheid vom 21. Februar 2001 den Widerspruch zurück.

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