Den Tarifvertragsparteien sind beim Abschluss von Tarifverträgen in ihrer Rechtssetzungsbefugnis gegenüber den Tarifunterworfenen wie jedem anderen Normgeber Grenzen gesetzt. So dürfen sie nur Vereinbarungen treffen, die Regelungen der Arbeits- und Wirtschaftsbedingungen (Art. 9 Abs. 3 GG) zum Gegenstand haben. Dies sind alle Bedingungen, unter denen abhängige Arbeit geleistet wird. Weiterhin müssen die nach § 1 TVG zulässigen Normen eines Tarifvertrages betriebsbezogen sein. Aus diesem Grund ist in der arbeitsrechtlichen Literatur umstritten, ob und ggf. in welchem Umfang die Tarifvertragsparteien die Arbeitsmarktpolitik zum Regelungsziel ihrer Vereinbarungen machen können. Bejaht hat dies das BAG für eine abgesenkte Vergütung für ABM-Kräfte.[1] Durch Tarifvertrag kann das staatliche Prozessrecht grundsätzlich nicht geändert werden. Nur wenn der Gesetzgeber selbst eine ausdrückliche Öffnungsklausel für abweichende Vereinbarungen geschaffen hat, kommen tarifliche Regelungen in Betracht.

 

Prozessrechtliche Öffnungsklauseln

  • § 48 Abs. 2 ArbGG: Tarifvertragliche Festlegung eines an sich örtlich unzuständigen Arbeitsgerichts für Streitigkeiten auf Grundlage des Tarifvertrages.
  • § 101 Abs. 2 ArbGG Tarifvertraglicher Ausschluss der Zuständigkeit der Arbeitsgerichte für besondere Beschäftigungsgruppen zugunsten einer Schiedsgerichtsbarkeit

Eine Regelungsbefugnis steht ihnen nicht für die Rechtsverhältnisse von Tarifunterworfenen mit Dritten zu. Nach § 1 Abs. 1 TVG erstreckt sich die Tarifmacht nur auf das Verhältnis von Arbeitgeber und Arbeitnehmer.

 
Praxis-Beispiel

So kann die Haftung des Arbeitnehmers nur im Verhältnis zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer ausgestaltet werden, im Verhältnis zu dem geschädigten Dritten kann der Tarifvertrag keine wirksamen Regelungen treffen.[2]

Grenzen für die Tarifvertragsparteien ergeben sich schließlich dann, wenn sie durch den Tarifinhalt in die Rechtsstellung der nicht- oder andersorganisierten Arbeitnehmer und damit in deren negative Koalitionsfreiheit eingreifen. Hingegen liegt im Abschluss eines Tarifvertrags keine unzulässige Wettbewerbsbeschränkung der an den Tarifvertrag gebundenen Arbeitgeber.

4.1 Negative Koalitionsfreiheit

Grenzen für ihre Rechtssetzungsmacht ergeben sich für die Tarifvertragsparteien aus der negativen Koalitionsfreiheit der nicht oder anders organisierten Arbeitnehmer. Art. 9 Abs. 3 GG schützt entgegen seinem Wortlaut nicht nur das Recht des einzelnen, einer Koalition und damit einer Arbeitnehmer- bzw. Arbeitgeberkoalition beizutreten (positive Koalitionsfreiheit). Durch die genannte Grundgesetznorm wird ebenso die Freiheit des einzelnen gewährleistet, einer Koalition fernzubleiben und eine bestehende Mitgliedschaft durch Kündigung aufzulösen (negative Koalitionsfreiheit).[1] Die negative Koalitionsfreiheit ist dementsprechend ein Grundrecht, das sich als Spiegelbild der positiven Koalitionsfreiheit aus Art. 9 Abs. 3 GG ergibt. Nach Art. 9 Abs. 3 Satz 2 GG sind Abreden nichtig und damit nach § 134 BGB unwirksam, die einen Eingriff in die positive oder negative Koalitionsfreiheit enthalten.

Zu den Abreden i. S. d. genannten Grundgesetzartikels zählen auch Tarifverträge. Daher sind Vereinbarungen unwirksam, die eine Mitgliedschaft in einer Gewerkschaft als Voraussetzung für eine Beschäftigung im Betrieb vorsehen (sog. Organisationsklauseln).

 

Organisationsklausel

Arbeitgeber und Gewerkschaft vereinbaren in einem Firmentarifvertrag, dass der Arbeitgeber bei gleicher Eignung Bewerber bevorzugt einstellt, die der abschließenden Gewerkschaft angehören. Dieser Teil des Tarifvertrags verstößt gegen Art. 9 Abs. 3 GG und ist nichtig.

Ebenso verstoßen Tarifnormen gegen höherrangiges Recht, die Vergünstigungen nur für organisierte Arbeitnehmer vorsehen und eine entsprechende Begünstigung der nicht oder anders organisierten untersagen, weil auf diese Weise für die nicht oder anders organisierten Arbeitnehmer ein unzulässiger Anreiz geschaffen wird, der Gewerkschaft beizutreten (sog. Differenzierungsklauseln; auch Spannen- oder Abstandsklauseln).[2]

 

Differenzierungsklausel

In einem Tarifvertrag ist vereinbart, dass gewerkschaftsangehörige Arbeitnehmer 150 % des Weihnachtsgelds erhalten, das nicht- oder andersorganisierten Arbeitnehmern gezahlt wird. Auch eine solche Vereinbarung verstößt gegen die durch Art. 9 Abs. 3 GG geschützte negative Koalitionsfreiheit.

Zulässig ist es hingegen, durch die Regelungen in einer Betriebsnorm die Arbeitsverhältnisse auch der nicht organisierten Arbeitnehmer zu erfassen.

 

Betriebsnorm

Wird in einem Tarifvertrag festgelegt, dass die Geschäftsstellen einer Bank am 31. Dezember eines Jahres geschlossen bleiben, gilt diese Regelung auch für Arbeitnehmer, die ansonsten von dem Tarifvertrag nicht erfasst werden, etwa für außertarifliche Angestellte. Der Arbeitgeber darf also auch nicht mit ihrer Hilfe den Publikumsverkehr durchführen.[3]

Noch nicht abschließend ...

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