0 Rechtsentwicklung

 

Rz. 1

In § 43, seit 1.7.1996 in Kraft, sind Anspruch, Voraussetzungen sowie Inhalt und Umfang der vollstationären Pflege geregelt.

Das Gesetz zur strukturellen Weiterentwicklung der Pflegeversicherung (Pflege-Weiterentwicklungsgesetz) v. 28.5.2008 (BGBl. I S. 874) mit Wirkung zum 1.7.2008 erhöhte die Leistungsbeträge der Pflegestufe III sowie bei Härtefällen und regelt mit Abs. 5 den Anspruch auf Weitergewährung von Leistungen bei vorübergehender Abwesenheit des Pflegebedürftigen.

Das Erste Gesetz zur Stärkung der pflegerischen Versorgung und zur Änderung weiterer Vorschriften (Erstes Pflegestärkungsgesetz – PSG I) v. 17.12.2014 (BGBI. I S. 2222) dynamisierte die Leistungsbeträge zum 1.1.2015.

1 Allgemeines

 

Rz. 1a

Nach dem Fünften Bericht des Bundesministeriums für Gesundheit (BMG) gemäß § 10 Abs. 4 v. 12.1.2012 (BT-Drs. 17/8332) über die Entwicklung der Pflegeversicherung haben Ende 2010 rund 1,58 Mio. Pflegebedürftige ambulante und rund 717.000 Personen stationäre Leistungen der sozialen Pflegeversicherung erhalten. Im Jahresdurchschnitt wählten 44,8 % der Leistungsempfänger das Pflegegeld, gefolgt von vollstationärer Pflege mit 26,5 %, Kombination von Pflegegeld und Pflegesachleistung mit 13,3 % und ausschließlich Pflegesachleistung mit 7,8 %. Der langjährige Trend in Richtung vollstationäre Versorgung ist zum Stillstand gekommen.

Die Zahl der Pflegeheime belief sich bundesweit auf rund 10.400 Einrichtungen, sie stellen etwa 808.000 Heimplätze zur Verfügung.

2 Rechtspraxis

2.1 Vorrangige Leistungen

 

Rz. 2

In Abs. 1 wird nochmals der in § 3 als Grundsatz normierte Vorrang häuslicher oder teilstationärer Pflege betont. Ist häusliche oder teilstationäre Pflege möglich und zumutbar und wird gleichwohl vollstationär gepflegt, so erlöschen Leistungsansprüche indes nicht vollständig. Die soziale Pflegeversicherung übernimmt allerdings in derartigen Fällen die Kosten nicht nach Maßgabe der Leistungssätze des Abs. 2, sondern sie leistet nach Maßgabe von Abs. 4 nur einen Zuschuss zu den pflegebedingten Aufwendungen i. H. d. in § 36 Abs. 3 für die jeweilige Pflegestufe vorgesehenen Gesamtwertes.

 

Rz. 3

Die Pflegekasse hat bei Beantragung vollstationärer Pflege nach Maßgabe von § 18 Abs. 1 Satz 1 im Einzelfall über den Medizinischen Dienst abzuklären, ob die Voraussetzungen der Pflegebedürftigkeit erfüllt sind und welche Stufe der Pflegebedürftigkeit vorliegt. Insofern besteht kein Unterschied zu den sonstigen Leistungsarten. Der Medizinische Dienst hat indes nach § 18 Abs. 1 Satz 2 darüber hinaus u. a. Art und Umfang der Hilfebedürftigkeit sowie das Vorliegen einer erheblich eingeschränkten Alltagskompetenz (§ 45a) zu ermitteln. Hiervon umfasst ist die Prüfung, ob die Voraussetzungen des § 43 Abs. 1 erfüllt sind.

 

Rz. 4

Die häusliche Pflege kann etwa wegen baulicher/räumlicher oder pflegepersonenbedingter Verhältnisse unmöglich sein, so dass die teilstationäre Pflege (Tages- oder Nachtpflege) entsprechend ebenfalls keinen Sinn hat. Gleiches gilt, wenn zur Sicherstellung der Pflege die teilstationäre Pflege (§ 41) ausreichend wäre, jedoch in weitem Umkreis kein teilstationäres Angebot vorhanden ist. Weiter erscheint es denkbar, dass zwar nicht der Tatbestand der Unmöglichkeit vorliegt, aber unter Abwägung aller Umstände des Einzelfalls die Versorgung mittels häuslicher und/oder teilstationärer Pflege unzumutbar ist. Ein solcher Grund kann vorliegen, wenn der Pflegebedürftige die Pflegeperson, die Pflegeeinrichtung o. Ä. aus plausiblen und nachvollziehbaren Gründen zu Recht ablehnt und eine anderweitige, zumutbare ambulante Alternative nicht zur Verfügung steht.

In den meisten Fällen wird vollstationäre Pflege geboten sein, weil schlichtweg ein derart schwerwiegender Krankheits- oder Behinderungstatbestand vorliegt, dass ein Tätig werden einer privaten Pflegeperson oder eines ambulanten Pflegedienstes den pflegerischen Bedürfnissen des Pflegebedürftigen nicht mehr gerecht werden kann, vielmehr eine engmaschige, intensive Betreuung notwendig ist.

Die Richtlinien der Spitzenverbände der Pflegekassen zur Begutachtung von Pflegebedürftigkeit nach dem XI. Buch des Sozialgesetzbuches (Begutachtungsrichtlinien), herausgegeben vom Medizinischen Dienst der Spitzenverbände der Krankenkassen e. V., verhalten sich in Abschnitt D 5.5 ebenfalls zu den Tatbestandsvoraussetzungen des Abs. 1. Danach kann vollstationäre Pflege insbesondere erforderlich sein bei

  • Fehlen einer Pflegeperson,
  • fehlender Pflegebereitschaft möglicher Pflegepersonen,
  • drohender oder bereits eingetretener Überforderung von Pflegepersonen,
  • drohender oder bereits eingetretener Verwahrlosung des Pflegebedürftigen,
  • Selbst- und Fremdgefährdungstendenzen des Pflegebedürftigen,
  • räumlichen Gegebenheiten im häuslichen Bereich, die keine häusliche Pflege ermöglichen und durch Maßnahmen zur Verbesserung des individuellen Wohnumfeldes (§ 40 Abs. 4) nicht verbessert werden können.

Vorsicht ist bei Zugrundelegung dieser Kriterien insoweit geboten, als sie zum einen nach eigenem Anspruch ("insbesondere") überhaupt nur exemplarischen Charakter h...

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