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Mit der hausarztzentrierten Versorgung (in der Praxis ist die Abkürzung "HzV" gebräuchlich) soll gegenüber der als Regelversorgung geltenden hausärztlichen Versorgung (vgl. § 73) erreicht werden, dass der für die gesetzlich und vertraglich geregelten Anforderungen an die HzV qualifizierte Hausarzt

  • seinen eingeschriebenen Patienten eine besondere hausärztliche Versorgung gewährleistet,
  • die "Lotsenfunktion" durch den Behandlungsprozess der vertragsärztlichen Versorgung, insbesondere für den Zugang des Versicherten zu anderen Fachärzten sowie in nicht facharztspezifischen Behandlungsfällen die notwendige Einweisung in die stationäre Krankenhausbehandlung übernimmt.
  • Außerdem sollen durch die HzV die Ausgaben in der gesetzlichen Krankenversicherung minimiert bzw. entstehende Mehrausgaben über Einsparungen und Effizienzsteigerungen finanziert werden.

Die HzV beschreibt eine Form der medizinischen Versorgung in Deutschland, in der der Hausarzt als erste Anlaufstelle für den Patienten sämtliche Behandlungsschritte koordiniert. Die Versorgungsforschung verbindet damit 2 Ziele: Zum einen soll der Patient besser versorgt werden und zum anderen lässt sich durch die Koordinierung der gesamten Behandlung des Patienten Geld sparen, wenn möglichst viele Versicherten ihre Teilnahme an der HzV erklären und eine auf diese Versichertenzahl zugeschnittene Anzahl der Hausärzte die HzV durchführt.

Eine auf 2 Jahre bezogene gesundheitsökonomische Evaluation der HzV in Deutschland anhand von Routinedaten der AOK Rheinland/Hamburg, veröffentlicht am 17.1.2017, hatte allerdings ergeben, dass die Interventionsgruppe mit 25.201 Teilnehmern (54,4 % weibliche Teilnehmer) mit einem Durchschnittsalter von 49,5 Jahren an der HzV im Vergleich zur Kontrollgruppe signifikant höhere Kosten aufwiesen. Die Arzneimittelkosten summierten sich im ersten Jahr pro Teilnehmer auf durchschnittlich 499,00 EUR gegenüber 477,00 EUR in der Kontrollgruppe und im zweiten Jahr auf 544,00 EUR gegenüber 522,00 EUR in der Kontrollgruppe. Die Analyse zeigte bei den Teilnehmern der HzV zudem eine höhere Anzahl von Facharztkontakten mit Überweisung vom Hausarzt. Darüber hinaus sank die Verweildauer im Krankenhaus für die eingeschriebenen Versicherten. Die höheren Kosten und das Inanspruchnahmeverhalten von Leistungen ließen auf eine höhere Morbidität der Teilnehmer an der HzV schließen, die sich in dieser Studie im Charlson-Komorbiditätsindex zeigte und auch im Vergleich zur Durchschnittsbevölkerung gültig ist. Bei einem in beiden Gruppen insgesamt steigenden Kostenniveau war bei den HzV-Teilnehmern ein geringerer relativer Kostenanstieg im zweiten Jahr gegenüber der Vergleichsgruppe festzustellen. Die Ergebnisse dieser Studie zeigten nach Meinung der Verfasser, dass Effekte der HzV vor allem auf lange Sicht zu erwarten sind. Weiterhin sei im Hinblick auf die Zielsetzung der Hausarztverträge darauf hinzuweisen, dass eine Versorgungs- und Qualitätsverbesserung nicht zwingend gleichzeitig mit Kosteneinsparungen zu erreichen ist. Da innerhalb der Daten nicht zwischen Patientenverhalten und Arztverhalten unterschieden werden konnte, seien die Ergebnisse im Hinblick auf die Kausalität mit entsprechender Vorsicht zu interpretieren. Die Evaluation gründet auf § 19 des nachstehend näher erläuterten HzV-Vertrages zwischen der AOK Rheinland/Hamburg und dem Hausärzteverband Nordrhein e. V. i. d. F. der Entscheidung der Schiedsperson v. 6.3.2015, gültiger Stand des Vertrages ist der 25.5.2018.

Konkrete Zahlen über Hausärzte und Versicherte, die in Deutschland an der HzV teilnehmen, sind nur schwer zu erhalten. Nach einer Information v. 16.4.2019 sollen in Deutschland inzwischen knapp 17.000 Hausärzte sowie ca. 4 Mio. Versicherte freiwillig an der selektivvertraglich geregelten HzV teilnehmen. Der Deutsche Hausärzteverband spricht in einer 2019 erschienenen Veröffentlichung gar von über 6 Mio. HzV-Versicherten sowie 17.000 Hausärzten, was bedeuten würde, dass sich pro Hausarzt inzwischen mehr als 353 Versicherte für die HzV entschieden haben.

Nach der Gesetzesbegründung sollte die seit 1.1.2004 verpflichtende Rechtsvorschrift für die gesetzlichen Krankenkassen zunächst eine Chance sein, im Rahmen der gesamtvertraglichen Vorgaben die HzV einzelvertraglich mit einem besonders qualifizierten Hausarzt bzw. zugelassenen medizinischen Versorgungszentrum selbst zu gestalten.

Die mit der HzV verbundene Stärkung des qualifizierten Hausarztes würde bei konsequenter Umsetzung zu einem primärarztbasierten Gesundheitssystem führen, welches nach der Gesetzesbegründung Vorteile bei der Ergebnisqualität, den Kosten sowie beim Zugang und der Kontinuität der ambulanten ärztlichen Versorgung bietet. Primärarztbasiert bedeutet, dass der Patient im Krankheitsfall bis auf wenige definierte Ausnahmen immer zuerst den aufgrund der Teilnahme an der HzV besonders qualifizierten Hausarzt aufsucht, bevor auf dessen Überweisung hin der für den jeweiligen Krankheitsfall geeignete Facharzt in Anspruch genomme...

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