Rz. 35

Zwar haben die Krankenkassen als Rehabilitationsträger nach dem SGB IX die Verpflichtung,

  • die Möglichkeit von Leistungen zur Teilhabe zu prüfen (§ 9 SGB IX),
  • die Erwerbsfähigkeit zu sichern (§ 10 SGB IX),
  • den Rehabilitationsbedarf zu erkennen und zu ermitteln (§§ 12, 13 SGB IX) und
  • die Teilhabeplanung nach Einwilligung des Leistungsberechtigten durchzuführen (§§ 19 bis 23 SGB IX),

aber diese Verpflichtungen greifen nur, wenn eine Behinderung eingetreten ist oder einzutreten droht (§ 2 Abs. 1 i.V.m. § 7 Abs. 2 SGB IX).

Viele arbeitsunfähige Versicherte sind aber weder behindert, noch von Behinderung bedroht. Sie haben jedoch das Bedürfnis, von der Krankenkasse Unterstützung und Beratung zu erhalten – insbesondere bei länger andauernder Arbeitsunfähigkeit. Ziel ist die Erlangung der Arbeitsfähigkeit und die Abklärung von medizinischen Leistungen zur Besserung des Gesundheitszustandes. Mit § 44 Abs. 4 übernimmt die Krankenkasse hier die Funktion des "Kümmerers" – allerdings nur dann, wenn der Versicherte das auch möchte; bei einer fehlenden Einwilligung des Versicherten bzw. bei Widerruf der Einwilligung darf die Krankenkasse den Versicherten in ihrem Leistungsgeschehen nicht benachteiligen. Außerdem dürfen die Mitwirkungspflichten gemäß den §§ 60 ff. SGB I einschließlich der Folgen bei fehlender Mitwirkung von der Krankenkasse im Zusammenhang mit § 44 Abs. 4 nicht angewandt werden.

 

Rz. 36

Wenn der Versicherte der Durchführung eines "Krankengeldfallmanagements" i.S.d. § 44 Abs. 4 zugestimmt hat, erfolgt in der Praxis ein erstes persönliches oder telefonisches "Beratungsgespräch" zwischen dem Sachbearbeiter der Krankenkasse (i.d.R. Krankengeldfallmanager) und dem Versicherten. Damit die Krankenkasse später Maßnahmen vorschlagen und auf eine Antragstellung hinwirken kann, benötigt sie hierzu vom Versicherten meist noch zusätzliche Informationen – und zwar je nach Bedarf z.B.

  • zum jetzigen und zum zu erwartenden Gesundheitszustand,
  • zu den letzten beruflichen Verhältnissen und Anforderungen,
  • bezüglich der Erwartungen des Versicherten zu seiner beruflichen und finanziellen Zukunft,
  • zu seiner Bereitschaft bezüglich der Teilnahme an speziellen medizinischen Rehabilitations- bzw. beruflichen Teilhabeleistungen oder
  • zu seiner Bereitschaft zur stufenweisen Wiedereingliederung (§ 44 SGB IX).

Der Versicherte kann allerdings auch jederzeit zu seinen persönlichen Fragen beraten werden. Am Ende des Gesprächs wird der Krankenkassenmitarbeiter dem Versicherten Aktivitäten/Maßnahmen vorschlagen. Sie bedürfen immer der Einwilligung des Versicherten; § 51 bleibt unberührt.

 

Rz. 37

Die Gesetzesbegründung zu § 44 Abs. 4 (BT-Drs. 18/4095 S. 78 ff.) befasst sich intensiv mit den Hintergründen zur Entstehungsgeschichte und dem Rahmen, den die Krankenkassen im Rahmen ihrer Aktivitäten nutzen dürfen. Im Einzelnen heißt es in der Gesetzesbegründung:

„Die Krankenversicherung als Solidargemeinschaft hat die Aufgabe, die Gesundheit der Versicherten zu erhalten, wiederherzustellen oder ihren Gesundheitszustand zu verbessern. Die Versicherten haben unter anderem durch aktive Mitwirkung an Krankenbehandlung und Rehabilitation dazu beizutragen, die Folgen von Krankheit zu überwinden. Dabei haben die Krankenkassen den Versicherten durch Aufklärung, Beratung und Leistungen zu helfen (vgl. § 1).

Versicherte, die Krankengeld beziehen, haben regelmäßig eine länger andauernde Krankheit zu überwinden und oft einen erheblichen Beratungs- und Unterstützungsbedarf, der im konkreten Einzelfall über bloße Auskünfte oder allgemeine Beratung hinausgehen kann. In der Versorgung von Versicherten, die über einen längeren Zeitraum arbeitsunfähig sind, bestehen jedoch häufig Schwierigkeiten bei der zielgerichteten und angemessenen Unterstützung zur Überwindung der Krankheit. Diese Bedürfnisse werden künftig durch einen spezifischen Anspruch gegenüber den Krankenkassen auf individuelle Beratung und Hilfestellung durch die Krankenkassen aufgefangen. Neben der Verbesserung der Versorgungsqualität und der Versorgungskontinuität wird auch die Wirtschaftlichkeit des Gesamtversorgungssystems durch Vermeidung von Fehl-, Unter- und Überversorgung gesteigert.

Die individuelle Beratung und Hilfestellung durch die Krankenkassen endet dort, wo die Krankenkasse den MDK (Anmerkung des Autors: heute MD) einschalten muss, insbesondere bei der Prüfung von Maßnahmen zur Sicherung des Behandlungserfolgs, wie der Einleitung von Maßnahmen der Leistungsträger für die Wiederherstellung der Arbeitsfähigkeit oder wenn Zweifel an der Arbeitsunfähigkeit bestehen (§ 275 Abs. 1 Nr. 3 Buchst. a und b). Die Krankenkassen dürfen deshalb im Rahmen des Abs. 4 – neu – keine zusätzlichen Daten erheben, um Anfangszweifel an der Arbeitsunfähigkeit auszuräumen oder zu bestätigen. Denn es obliegt allein dem MDK im Rahmen der ihm nach § 275 zugewiesenen Aufgaben Zweifel an einer Arbeitsunfähigkeit zu beseitigen und hierbei ggf. Daten (§ 276 Abs. 2) zu erheben.

Die Inanspruchnahme des Leistungsangebots ist ...

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