Rz. 18

Nach Abs. 3 Satz 1 bestimmt die Krankenkasse nach den medizinischen Erfordernissen des Einzelfalls Art, Dauer, Umfang, Beginn und Durchführung der Leistungen nach den Abs. 1 und 2 sowie die Rehabilitationseinrichtung nach pflichtgemäßem Ermessen. Die Krankenkasse übt ihr Ermessen in einer dem Zweck der Ermächtigung entsprechenden Weise aus, wenn sie ihre Entscheidung in erster Linie an den medizinischen Erfordernissen des Einzelfalls ausrichtet. Sie darf insoweit auch innerhalb des Kreises der medizinisch geeigneten Einrichtungen nach Maßgabe des Wirtschaftlichkeitsgebots die kostengünstigste Einrichtung auswählen (BSG, Urteil v. 7.5.2013, B 1 KR 53/12 R).

Abs. 3 Satz 1 HS 2 i. d. F. durch das PNG (Rz. 3c) verpflichtet die Krankenkasse, bei ihrer Entscheidung die besonderen Belange pflegender Angehöriger zu berücksichtigen. Insbesondere muss die Krankenkasse berücksichtigen, ob die Ziele der Rehabilitationsleistung in der Einrichtung erbracht werden können. Das bedeutet, dass der Krankenkasse lediglich über das "Wie" der Leistungserbringung, die Dauer und letztlich das Wiederholungsintervall Ermessen eingeräumt ist. Vor dem Hintergrund der Regelung in § 9 Abs. 1 SGB IX sind dabei die berechtigten Wünsche der Leistungsberechtigten zu berücksichtigen. Ein etwaig daraus abzuleitendes "Wahlrecht" der Versicherten wird allerdings durch das Wirtschaftlichkeitsgebot (§ 12 Abs. 1) begrenzt. Die Versicherten können verfassungsrechtlich kein Wahlrecht für verschiedene Leistungen beanspruchen, wenn der Gesetzgeber dafür Sorge trägt, dass sie das Erforderliche erhalten, wie es im Rahmen des § 40 der Fall ist (BSG, Urteil v. 7.5.2013, B 1 KR 12/12 R). Allerdings sind Wünsche, die zu Mehrkosten führen, als berechtigte Wunschäußerungen anzuerkennen, wenn der Leistungsberechtigte für die gewünschte geeignete, zulässige Einrichtung nach den einschlägigen gesetzlichen Regelungen wie z. B. in § 40 Abs. 2 die Mehrkosten trägt. Die Änderung in Abs. 3 Satz 1 durch das GKV-VSG (vgl. Rz. 3d) stärkt das Wunsch- und Wahlrecht Versicherter bei Inanspruchnahme von Leistungen zur medizinischen Rehabilitation. Die Anwendung von § 8 SGB IX hat zur Folge, dass die Krankenkassen bei ihrer Entscheidung berechtigten Wünschen der Leistungsberechtigten entsprechen müssen. Insbesondere muss die Krankenkasse bei der Ausübung ihres pflichtgemäßen Ermessens auf die persönliche Lebenssituation, das Alter, das Geschlecht, die Familie sowie die religiösen und weltanschaulichen Bedürfnisse der Leistungsberechtigten Rücksicht nehmen (§ 8 Abs. 1 Satz 1 und 2 SGB IX).

 

Rz. 18a

Abs. 3 Satz 2 bis 10 sind durch das GKV-IPReG (vgl. Rz. 3j) mit Wirkung zum 29.10.2020 eingefügt worden. Sie enthalten insbesondere in den Sätzen 2 und 3 modifizierende Regelungen für eine geriatrische Rehabilitation, für die der Gesetzgeber i. S. des Grundsatzes "Rehabilitation vor Pflege" zur Vermeidung oder Verminderung der Pflegebedürftigkeit eine Notwendigkeit sah (vgl. hierzu und zum folgenden insbesondere BT-Drs. 19/19368 S. 32 ff.). Zu diesem Zweck bestimmt Satz 2, dass von der Krankenkasse bei einer vertragsärztlich verordneten geriatrischen Rehabilitation nicht überprüft wird, ob diese medizinisch erforderlich ist. Dies eröffnet die Möglichkeit der geriatrischen Rehabilitation noch vor einer Begutachtung der Pflegebedürftigkeit und der damit einhergehenden möglichen Einleitung von Rehabilitationsmaßnahmen (§ 18 SGB XI). Voraussetzung dafür ist, dass die geriatrische Indikation durch dafür geeignete Abschätzungsinstrumente vertragsärztlich überprüft wurde. Deren Grundlage sieht der Gesetzgeber unter Beachtung der "Begutachtungsanleitung Vorsorge und Rehabilitation" des Spitzenverbandes Bund der Krankenkassen (Stand Juli 2018, https://www.mds-ev.de/fileadmin/dokumente/Publikationen/GKV/Begutachtungsgrundlagen_GKV/BGA_Vorsorge-Reha_18-07-02.pdf) darin, dass sich die vertragsärztliche Indikationsprüfung für eine geriatrische Rehabilitation typischerweise auf mehrere verschiedene Aktivitäts- und Teilhabebereiche erstreckt. Dies begründet für die geriatrische Rehabilitation, unabhängig von der rehabilitationsbegründenden Diagnose, die Durchführung eines geriatrischen Assessments durch die Vertragsärzte. Bei der Übermittlung der Verordnung an die Krankenkasse ist gemäß Abs. 3 Satz. 3 die Anwendung der geeigneten Abschätzungsinstrumente nachzuweisen und das Ergebnis der Abschätzung beizufügen, damit die Krankenkasse das Vorliegen dieser Voraussetzungen überprüfen kann. Daneben bleibt das Vorliegen von Rehabilitationsbedürftigkeit, Rehabilitationsfähigkeit und einer positiven Rehabilitationsprognose für eine Indikationsstellung zur geriatrischen Rehabilitation erforderlich. Die weitergehenden Voraussetzungen für die Bewilligung von Leistungen zur medizinischen Rehabilitation im Bereich der gesetzlichen Rentenversicherung werden von dieser Regelung nicht berührt. Hier dürfen Leistungen u. a. nur erbracht werden, wenn der Versicherte die für ihre Inanspruchnahme erforderlichen ver...

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