Rz. 29

Der Leistungsanspruch des Versicherten wird nach Abs. 1 beschränkt auf die Arzneimittel, die nicht nach § 34 sowie durch die Arzneimittel-Richtlinien (AM-RL) nach § 92 Abs. 1 Satz 2 Nr. 6 ausgeschlossen sind.

Die AM-RL (vgl. Rz. 14d) regelten auch schon vor dieser ausdrücklichen Inbezugnahme (ergänzend) Zweckmäßigkeit und Wirtschaftlichkeit eines Arzneimittels. Sie sind für den Vertragsarzt verbindlich (vgl. BSG, Urteil v. 24.1.1990, 3 RK 18/88; BSG, Urteil v. 10.5.1990, 6 RKa 15/89). Nach der Rechtsprechung ist auch zuvor schon geklärt gewesen, dass die Richtlinien des Bundesausschusses der Ärzte und Zahnärzte nach § 92 partiell untergesetzliche Rechtsnormen darstellen, die den Leistungsanspruch verbindlich konkretisieren und auch von den Sozialgerichten beachtet werden müssen. Dies gilt unabhängig davon, ob diese dem Satzungsrecht zuzuordnen (so der 6. Senat des BSG, Urteil v. 20.3.1993, 6 RKa 62/94) oder als sog. Normersetzungsverträge anzusehen sind (so der 1. Senat des BSG, Urteil v. 16.9.1997, 1 RK 28/95). Durch die AM-RL sollten allerdings nicht Arzneimittel von der Versorgung ausgeschlossen werden, die rechtlich als Arzneimittel einzuordnen sind und das zur Behandlung einer Krankheit notwendige Maß nicht überschreiten (vgl. zur Behandlung der erektilen Dysfunktion durch Schwellkörper-Autoinjektionstherapie – SKAT – BSG, SozR 3-2500 § 27 Nr. 11; vgl. auch BSG, Urteil v. 19.2.2003, B 1 KR 12/01 R - Bioresonanztherapie). Ab 1.1.2004 ist § 92 Abs. 1 Satz 1 SGB V i. d. F. des GMG maßgeblich. Danach kann der Gemeinsame Bundesausschuss unter anderem die Verordnung von Leistungen (auch) einschränken oder ausschließen, wenn nach dem allgemein anerkannten Stand der medizinischen Erkenntnisse der diagnostische oder therapeutische Nutzen, die medizinische Notwendigkeit oder die Wirtschaftlichkeit nicht nachgewiesen sind. Diese Ergänzung soll das dem Bundesausschuss vom Gesetzgeber aufgegebene Normsetzungsprogramm nach Inhalt, Zweck und Ausmaß klarer als bisher präzisieren (vgl. BT-Drs. 15/1525 S. 107). Im Übrigen trägt diesem Gedanken auch der durch das GMG mit Wirkung vom 1.1.2004 eingefügte Satz 4 Rechnung. Danach kann der Vertragsarzt Arzneimittel, die aufgrund der Richtlinien nach § 92 Abs. 1 Satz 2 Nr. 6 von der Versorgung ausgeschlossen sind, ausnahmsweise in medizinisch begründeten Einzelfällen mit Begründung verordnen. Die Anlage II (Lifestyle Arzneimittel), V (Übersicht der verordnungsfähigen Medizinprodukte) der AM-RL, die für die Vertragsärztin und den Vertragsarzt verbindlich sind, sind zu beachten.

 

Rz. 30

Hinsichtlich der Verfassungsmäßigkeit der Ausschlussregelung bestehen keine Bedenken (vgl. BVerfG, SozR 3-2500 § 34 Nr. 1, NJW 1992 S. 735). Versicherte und Krankenkassen können Richtlinien lediglich nach den allgemeinen Regeln der Normenkontrolle gerichtlich überprüfen lassen (zu Zweifeln an der verfassungsrechtlichen demokratischen Legitimation des Gemeinsamen Bundesausschusses vgl. BVerfG, Beschluss v. 10.11.2015, 1 BvR 2056/12 Rz. 22; ferner dazu Kingreen, MedR 2017 S. 8). Zur Zulässigkeit einer Anfechtungsklage durch den Gemeinsamen Bundesausschuss bei Erlass einer Richtlinie im Wege der Ersatzvornahme vgl. BSG, Urteil v. 28.2.2008, B 1 KR 16/07 R.

 

Rz. 31

Nach § 34 Abs. 1 besteht ein grundsätzlicher Ausschluss der Verordnungsfähigkeit nicht verschreibungspflichtiger Arzneimittel für Erwachsene; Ausnahmen hiervon sind nur in den in Anlage I der AM-RL aufgeführten Fällen (§ 34 Abs. 1 Satz 2 SGB V, § 12 AM-RL) möglich. Der Verordnungsausschluss (zur Zulässigkeit der Regelung durch Richtlinien vgl. BSG, Urteil v. 14.5.2014, B 6 KA 21/13 R Rz. 23) nicht verschreibungspflichtiger Arzneimittel gilt nicht für Kinder bis zum vollendeten 12. Lebensjahr und für Jugendliche mit Entwicklungsstörungen bis zum vollendeten 18. Lebensjahr (§ 34 Abs. 1 Satz 5). Sofern durch die Richtlinie davon abgewichen wird, ist dieses kenntlich gemacht.

Der gesetzliche Ausschluss nicht verschreibungspflichtige Arzneimittel nach Maßgabe eines allgemeinen Leistungskatalogs unter Beachtung des Wirtschaftlichkeitsgebots ist verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden. Die gesetzlichen Krankenkassen sind nicht von Verfassung wegen gehalten, alles zu leisten, was an Mitteln zur Erhaltung und Wiederherstellung der Gesundheit verfügbar ist (st. Rspr., BVerfG, Beschluss v. 6.12.2005, 1 BvR 347/98; BSG, Urteil v. 14.5.2014, B 6 KA 21/13 R Rz. 22 m. w. N.).

 

Rz. 32

Der Gemeinsame Bundesausschuss hat ferner in § 16 AM-RL i. V. m. der Anlage III die Verordnungseinschränkungen und -ausschlüsse in der Arzneimittelversorgung durch die AM-RL bestimmt. Danach dürfen

(1) Arzneimittel von Versicherten nicht beansprucht, von den behandelnden Ärztinnen und Ärzten nicht verordnet und von Krankenkassen nicht bewilligt werden, wenn nach dem allgemein anerkannten Stand der medizinischen Erkenntnisse

  1. der diagnostische oder therapeutische Nutzen oder
  2. die medizinische Notwendigkeit oder
  3. die Wirtschaftlichkeit nicht nachgewiesen ist.

(2) Diese Voraussetzun...

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