Rz. 19

Das TSVG (vgl. 2a) hat durch den neu eingefügten Abs. 4 für Versicherte einen Anspruch auf Kryokonservierung von Ei- oder Samenzellen oder von Keimzellgewebe eröffnet, wenn wegen einer Erkrankung und deren Behandlung mit einer keimzellschädigenden Therapie die Kryokonservierung medizinisch notwendig erscheint, um eine zukünftige künstliche Befruchtung mithilfe der kryokonservierten Ei- oder Samenzellen oder des kryokonservierten Keimzellengewebes zu ermöglichen. Nach der Rechtsprechung des BSG wurden von den Leistungen zur künstlichen Befruchtung nach § 27a bisher nur Maßnahmen umfasst, die dem einzelnen natürlichen Zeugungsakt entsprechen und unmittelbar der Befruchtung dienen, nicht aber eine Kurkonservierung und Lagerung von Samenzellen oder vorsorglich gewonnener Eizellen für die Wiederholung eines Versuchs der Befruchtung. Eine Leistungspflicht war ausgeschlossen, wenn eine Kryokonservierung von Körperzellen nur eine spätere künstliche Befruchtung ermöglichen sollte. Lediglich dann wurde eine Leistungspflicht der gesetzlichen Krankenversicherung für das Einfrieren und die Lagerung von Eierstockgewebe als Teilausschnitt der Gesamtbehandlung unter der Voraussetzung bejaht, wenn es eine unselbständige Vorbereitungshandlung der späteren (eigentlichen) ärztlichen Krankenbehandlung zur Wiederherstellung der Empfängnisfähigkeit darstellte, die in Form der Implantation des Gewebes stattfand (Urteil v. 17.2.2010, B 1 KR 10/09 R, m.w.N).

 

Rz. 20

Künftig kommt nun der Anspruch auf Kryokonservierung Versicherten nach einer entsprechenden umfassenden Beratung durch die behandelnden Fachärzte zugute, die aufgrund einer Erkrankung eine keimzellschädigende Therapie in Anspruch nehmen müssen und bei denen zwar keine spätere Wiederherstellung der Zeugungsfähigkeit oder Empfängnisfähigkeit an sich in Betracht kommt, für die aber eine spätere künstliche Befruchtung infrage kommen könnte.

 

Rz. 21

Voraussetzung für den Anspruch ist gemäß Abs. 1 Satz 1, dass wegen einer Erkrankung eine keimzellschädigende Therapie mit der Gefahr der Unfruchtbarkeit medizinisch notwendig ist, um spätere medizinische Maßnahmen zur Herbeiführung einer Schwangerschaft nach Abs. 1 in Form einer künstlichen Befruchtung vornehmen zu können. Ferner dürfen nach Maßgabe von Abs. 4 Satz 2 weibliche Versicherte noch nicht das 40. und männliche Versicherte noch nicht das 50. Lebensjahr vollendet haben. Der Anspruch ist hingegen weder an die in § 27 Abs. 3 Satz 1 HS 1 festgelegte untere Altersgrenze der Vollendung des 25. Lebensjahres noch an die Voraussetzung des Bestehens einer Ehe geknüpft. Er besteht nicht mehr mit dem Tod des oder der Versicherten.

 

Rz. 22

Liegen die leistungsrechtlichen Voraussetzungen vor, umfasst der Anspruch künftig die Übernahme der Kosten für die erforderlichen Leistungen im Zusammenhang mit der Kurkonservierung, insbesondere die Entnahme, Aufbereitung, Lagerung und ein spätes Auftauen in vollem Umfang im Rahmen des Sachleistungsprinzips. Die Begrenzung nach Maßgabe von § 27a Abs. 3 Satz 3 greift für die Kryokonservierung nicht. Der Umfang der Kostenübernahme für eine sich anschließende künstliche Befruchtung bleibt hingegen unverändert (BT-Drs. 19/6337 S. 87). Nach einem Urteil des SG Berlin v. 16.11.2022 (S 28 KR 63/22) umfasst der Anspruch auch die Kryokonservierung nach § 3 der Kryo-RL (dazu Rz. 24) nach einer Transition (Geschlechtsangleichung).

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