Rz. 8

Abs. 1 Satz 1 nennt die grundlegenden Voraussetzungen, unter denen Anspruch auf Krankenbehandlung besteht. Nur Versicherte (§§ 5 ff.) haben Anspruch auf Krankenbehandlung. Diese muss notwendig sein, um eine Krankheit zu erkennen, zu heilen, ihre Verschlimmerung zu verhüten oder Krankheit Beschwerden zu lindern. Die Einzelheiten finden sich in den konkreten Anspruchsnormen der §§ 28 bis 43b, die umfassend und abschließend (BSG, Urteil v. 9.12.1997, 1 RK 23/95) die Voraussetzungen der Krankenbehandlung beinhalten. Für den Umfang der jeweiligen Leistungsansprüche sind die §§ 11 und 12 zusätzlich zu beachten. Die Anwendung in der Praxis wird konkretisiert durch Richtlinien des Gemeinsamen Bundesausschusses. Diese wurden zunächst in Rechtsprechung und Literatur als untergesetzliche Rechtsnormen bzw. normenkonkretisierende Rechtsvorschriften klassifiziert (vgl. zusammenfassend Engelmann, NZS 2000, 1 ff., 76 ff. m. w. N.; BSG, Urteil v. 22.3.2005, B 1 A 1/03 R, m. w. N.). Das GMG (vgl. Rz. 6) schuf mit der Änderung des § 91 Abs. 9 eine gesetzliche Grundlage, wonach die Beschlüsse des Gemeinsamen Bundesausschusses mit Ausnahme der zu Entscheidungen nach § 137b und zu Empfehlungen nach § 137f sowohl für die Versicherten als auch die Krankenkassen, die an der ambulanten ärztlichen Verordnung teilnehmenden Leistungserbringer und die zugelassenen Krankenhäuser verbindlich waren. Nunmehr bestimmt § 91 Abs. 6 dass die Beschlüsse des Gemeinsamen Bundesausschusses mit Ausnahme der Beschlüsse zu Entscheidungen nach § 136d für die Träger nach Abs. 1 Satz 1, deren Mitglieder und Mitgliedskassen sowie für die Versicherten und die Leistungserbringer verbindlich sind.

Neue Untersuchungs- und Behandlungsmethoden im ambulanten Bereich dürfen gemäß § 135 ebenso wie neue Heilmittel gemäß § 138 von den an der vertragsärztlichen Versorgung teilnehmenden Ärzten nur angewandt bzw. verordnet werden, wenn der Gemeinsame Bundesausschuss zuvor ihren therapeutischen Nutzen anerkannt und in den Richtlinien nach § 92 Abs. 1 Satz 2 Nr. 6 Empfehlungen für die Sicherung der Qualität bei der Leistungserbringung abgegeben hat – sog. präventiver Vorbehalt (BSG, Urteil v. 3.9.2003, B 1 KR 34/01 R). Im Rahmen der Krankenhausbehandlung können hingegen alle Untersuchungs- und Behandlungsmethoden angewandt werden, soweit sie nicht kraft einer Richtlinie des Gemeinsamen Bundesausschusses nach § 137c ausgeschlossen sind – sog. repressiver Vorbehalt (so anfangs BSG, Urteil v. 19.2.2003, B 1 KR 1/02 R). Mit Urteil v. 28.7.2008 (B 1 KR 5/08 R; ebenso Urteil v. 18.12.2012, B 1 KR 34/12 R) hat es sodann ausdrücklich seinen früheren Standpunkt aufgegeben, dass die Prüfung, ob die in einem Krankenhaus angewandte Untersuchungs- oder Behandlungsmethode die vom Gesetz geforderten Qualitätsstandards erfüllt, ausschließlich dem Gemeinsamen Bundesausschuss obliege. Die Regelung des § 137c setze die Geltung des Qualitätsgebots aus § 2 Abs. 1 Satz 3 auch im stationären Bereich nicht außer Kraft (zuletzt noch Urteil v. 28.5.2019, B 1 KR 32/18 R; kritisch hierzu Knispel, BeckOK Sozialrecht, § 27 SGB V Rz. 42).

Erst mit Urteil v. 25.3.2021 (B 1 KR 25/20 R) hat das BSG diese Rechtsprechung ausdrücklich aufgegeben und klargestellt, dass die ab 23.7.2015 geltenden Regelungen des GKV-VSG (§ 137c Abs. 3 i. V. m. § 137e) über Krankenhausbehandlungen, die das Potenzial einer erforderlichen Behandlungsalternative haben, eine partielle Einschränkung des Qualitätsgebots beinhalten und Versicherten einen Anspruch auf solche Krankenhausbehandlungen auch außerhalb von Erprobungs-Richtlinien eröffnen (vgl. zur Entwicklung dieser Rechtsprechung ausführlich § 39 Rz. 41 ff.).

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