Rz. 11

Der Anspruch auf medizinische Vorsorgeleistungen setzt grundsätzlich eine Vorsorgebedürftigkeit voraus. Diese besteht, wenn beeinflussbare Risikofaktoren oder Gesundheitsstörungen vorliegen, die voraussichtlich in absehbarer Zeit zu einer Krankheit führen werden, oder wenn die gesundheitliche Entwicklung eines Kindes/Jugendlichen gefährdet ist (Primärprävention). Darüber hinaus besteht Vorsorgebedürftigkeit ebenfalls, wenn bei manifester (chronischer) Krankheit drohende Beeinträchtigungen der Aktivitäten verhindert, das Auftreten von Rezidiven bzw. Exazerbationen vermieden bzw. deren Schweregrad vermindert oder dem Fortschreiten der Krankheit entgegengewirkt werden soll (Sekundärprävention). Die auf das Gesundheitsproblem sowohl positiv wie negativ wirkenden Umwelt- und personenbezogenen Kontextfaktoren (z. B. Partnerprobleme, Verantwortung für die Pflege von Familienangehörigen, ständiger Zeitdruck, finanzielle Sorgen, soziale Isolation) sind zu berücksichtigen. Beeinflussbare medizinische Risikofaktoren (z. B. Bewegungsmangel, ungesunde Ernährung, Alkohol-/Nikotinkonsum), die ein bereits bestehendes Gesundheitsproblem verstärken, sind zu beachten. Vorsorgebedürftigkeit ist nur dann anzunehmen, wenn über die kurative Versorgung hinaus der komplexe (interdisziplinäre, mehrdimensionale) Ansatz der Vorsorgeleistung erforderlich ist (Ziff. 1.4.3 der Begutachtungs-Richtlinie).

 

Rz. 11a

Weiteres ungeschriebenes Merkmal ist die Vorsorgefähigkeit. Von ihr kann nur ausgegangen werden, wenn der Versicherte/die Versicherte motiviert bzw. zu motivieren ist, körperlich und geistig in der Lage ist, am festgelegten Vorsorgeprogramm teilzunehmen und bereit ist bzw. befähigt werden kann, konsequent und langfristig sein/ihr Gesundheitsverhalten i. S. einer Risikobeseitigung bzw. -verminderung zu ändern bzw. durch Krankheitsbewältigungsstrategien zu lernen, mit der chronischen Krankheit besser zu leben.

 

Rz. 11b

Die Voraussetzungen, unter denen im Einzelnen medizinische Vorsorgeleistungen in Betracht kommen, sind in Nr. 1 bis 4 des Abs. 1 aufgeführt.

Eine Schwächung der Gesundheit (Nr. 1) liegt vor, wenn der Allgemeinzustand des Versicherten so labil ist, dass in absehbarer Zeit bei gleich bleibender beruflicher und sonstiger Belastung eine Krankheit eintritt. Mit Gesundheit ist sowohl die körperliche als auch die seelische Gesundheit gemeint. Eine Schwächung der Gesundheit, die in absehbarer Zeit voraussichtlich zu einer Krankheit führen kann, ist z. B. bei psycho-vegetativen Funktionsstörungen sowie bei Risikofaktoren (Übergewicht, Bluthochdruck) gegeben. Die Beeinträchtigungen müssen noch nicht das Ausmaß einer Krankheit erreicht haben.

Kindern werden medizinische Vorsorgeleistungen (Nr. 2) zur Verfügung gestellt, wenn die Gefahr besteht, dass die gesundheitliche Entwicklung des Kindes beeinträchtigt wird. Die Verhütung anderer Gefährdungen gehört nicht zum Aufgabenbereich der gesetzlichen Krankenversicherung. Als Kinder in diesem Sinne gelten alle Versicherten bis zur Vollendung des 18. Lebensjahres.

Krankheiten zu verhüten oder deren Verschlimmerung zu vermeiden (Nr. 3) ist nach der in § 11 vorgenommen Abgrenzung Aufgabe sowohl der Vorsorge als auch der Behandlung. Bestandteil der Krankenbehandlung ist die Verhütung der Verschlimmerung einer Krankheit, die Leistungen der Vorsorge setzen bereits im Vorfeld ein. Zum Krankheitsbegriff wird im Übrigen auf die Komm. zu § 27 verwiesen.

Zur Vermeidung von Pflegebedürftigkeit (Nr. 4) werden medizinische Vorsorgeleistungen ebenfalls zur Verfügung gestellt. Diesem Zweck dienen insbesondere Heil- und Hilfsmittel. Zum Begriff der Pflegebedürftigkeit ist die Komm. zu § 14 SGB XI heranzuziehen.

 

Rz. 12

Zu den in Abs. 1 aufgeführten ambulanten Vorsorgeleistungen gehören

  • ärztliche Behandlung sowie
  • Arznei-, Verband-,
  • Heil- und Hilfsmittel.

Diese Leistungen werden nach Maßgabe der jeweiligen spezifischen Regelungen des SGB V (z. B. §§ 28, 31, 33) vom Arzt im Rahmen der ärztlichen Behandlung am Wohnort durchgeführt bzw. verordnet. Der Versicherte nimmt diese Leistungen zumeist nicht bewusst als Vorsorgeleistung wahr, da sie vom Arzt bzw. Behandler gegen Vorlage der Krankenversicherungskarte erbracht werden. Ambulante Vorsorgeleistungen können aber auch am Aufenthaltsort in Anspruch genommen werden (z. B. Heilmittelanwendungen während eines Ferienaufenthalts).

 

Rz. 13

Bei der Abnahme von Arznei-, Verband-, Heil- und Hilfsmitteln haben Versicherte nach vollendetem 18. Lebensjahr auch bei der ambulanten Vorsorgeleistung am Wohn- oder Aufenthaltsort die gesetzlich vorgeschriebenen Eigenanteile (§§ 31, 32, 33) zu leisten. Von der Verordnung ausgeschlossene Arznei-, Heil- und Hilfsmittel (§ 34) dürfen auch als Vorsorgeleistung nicht zu Lasten der Krankenkasse verordnet werden, wie der Verweis in Abs. 3 u. a. auf § 33 verdeutlicht. Von den Eigenbeteiligungen nach §§ 31, 32, 33 können die Versicherten nach Inkrafttreten des GMG (vgl. Rz. 6) nur unter den Voraussetzungen des § 62 befreit werden.

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