Rz. 19

Eine Ruhen nach Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 tritt ein, wenn eine freiheitsentziehende Maßnahme durchgeführt wird und gleichzeitig ein Anspruch auf Gesundheitsfürsorge nach dem Strafvollzugsgesetz oder eine sonstige Gesundheitsfürsorge besteht. Es soll auch hier eine Doppelversorgung vermieden werden. Die Vorschrift betrifft Gefangene in Untersuchungshaft (§§ 112 ff. StPO), einstweilig Untergebrachte (§ 126a StPO) sowie Gefangene, gegen die eine Freiheitsstrafe (§§ 38 f. StGB) oder eine freiheitsentziehende Maßregel der Besserung und Sicherung (§§ 61 ff. StGB) vollzogen wird. Für Jugendliche kommt als Freiheitsentzug die in einer Jugendstrafanstalt durchzuführende Jugendstrafe in Betracht (§ 17 JGG).

 

Rz. 20

Abs. 1 Nr. 4 betrifft im Wesentlichen Leistungsansprüche, die aus einer vor dem Freiheitsentzug begründeten, fortbestehenden Mitgliedschaft stammen, da die Verrichtung einer Arbeit nach §§ 37, 41 StVollzG keine Mitgliedschaft in der gesetzlichen Krankenversicherung begründet, weil kein freier Austausch von Lohn und Arbeit vorliegt (vgl. BSG, Urteil v. 6.11.1987, 11 RAr 33/97, SozR 3-4100 § 168 Nr. 21). Dies kommt etwa dann in Betracht, wenn ein vor Haftantritt bestehendes versicherungspflichtiges Beschäftigungsverhältnis fortbesteht, wenn Arbeitsverhältnis fortbesteht und sowohl Arbeitgeber als auch Arbeitnehmer den Willen haben, das Beschäftigungsverhältnis nach Wegfall der Unterbrechung fortzusetzen (BSG, Urteil v. 18.4.1991, 7 RAr 106/90, SozR 3-4100 § 104 Nr. 6). Versicherungspflicht besteht außerdem bei Freigängern, die in einem freien Beschäftigungsverhältnis außerhalb der Anstalt stehen (§ 39 StVollzG). Möglich auch das Fortbestehen der Mitgliedschaft in der KVdR gemäß § 5 Abs. 1 Nr. 11.

 

Rz. 21

Gefangene im Strafvollzug haben nach den §§ 1, 56 ff. StVollzG Anspruch auf Gesundheitsfürsorge. Soweit im Rahmen dieser Gesundheitsfürsorge, hinsichtlich deren Art und Umfang auf die entsprechenden Vorschriften des SGB V Bezug genommen wird (§ 61 StVollzG), ein Anspruch auf Leistungen besteht, sollen zwecks Vermeidung von Doppelleistungen daneben nicht auch noch Leistungsansprüche gegen die Krankenkasse bestehen. Bei Gefangenen im Maßregelvollzug gelten unterschiedliche Regelungen. Bei der Sicherungsverwahrung (§ 66 StGB) gelten die §§ 56 ff. StVollzG entsprechend (§ 130 StVollzG), es besteht also ein Anspruch auf Gesundheitsfürsorge. Die Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus oder in einer Erziehungsanstalt richtet sich gemäß § 138 Abs. 1 StVollzG nach Landesrecht, soweit Bundesgesetze nichts anderes bestimmen. Da der Bundesgesetzgeber insoweit keine umfassende Gesundheitsfürsorge angeordnet hat, ist das jeweilige Landesrecht maßgeblich. Regelt das Landesrecht lediglich ein subsidiären Anspruch auf Gesundheitsfürsorge für den Fall, dass Ansprüche gegen die gesetzliche Krankenkasse nicht bestehen (z. B. § 12 MaßregelvollzugsG NRW), tritt die Ruhenswirkung des § 16 Abs. 1 Nr. 4 nicht ein (SG Düsseldorf, Urteil v. 6.2.1996, S 24 Kn 14/94).

 

Rz. 22

Untersuchungsgefangene, einstweilig Untergebrachte sowie Jugendliche im Jugendstrafvollzug erhalten zwar keine Gesundheitsfürsorge nach §§ 56 ff. StVollzG (vgl. § 1 StVollzG), jedoch tatsächlich "sonstige" Gesundheitsfürsorge in gleichem Umfang (vgl. gemeinsames Rundschreiben der Spitzenverbände der Krankenkassen v. 9.12.1988, S. 39). Auch hier kommt es daher zum Ruhen der Leistungsansprüche nach dem SGB V.

 

Rz. 23

Für Freigänger, die in einem freien Beschäftigungsverhältnis außerhalb der Anstalt stehen (§ 39 StVollzG) und für die deshalb Versicherungspflicht nach § 5 Abs. 1 Nr. 1 besteht, ordnet § 62a StVollzG das Ruhen des Anspruchs auf Gesundheitsfürsorge an, so dass die Ruhensfolge des § 16 Abs. 1 Nr. 4 in diesen Fällen nicht eintritt (BT-Drs. 11/2237 S. 165; das Urteil des BSG v. 9.12.1986, 8 RK 9/85, SozR 2200 § 216 Nr. 9 ist insofern überholt). Das Gleiche gilt für Gefangene, für die das StVollzG nicht gilt und denen das Eingehen eines freien Beschäftigungsverhältnisses gestattet wurde (z. B. Jugendliche im Jugendstrafvollzug). Auch für diese Gefangenen ruhen die Leistungsansprüche gegen die Krankenkasse nicht, wenn sie keine Gesundheitsfürsorge von der Anstalt erhalten.

 

Rz. 24

Die Leistungen der Gesundheitsfürsorge müssen im Umfang den Leistungen des SGB V nicht vollständig entsprechen (Igl, in: GK-SGB V, § 16 Rz. 57; Noftz, in: Hauck/Noftz, SGB V, Erg.-Lfg 1/10, § 16 Rz. 44; vgl. BSG, Urteil v. 23.3.1983, 3 RK 57/81, SozR 2200 § 216 Nr. 6). Maßgeblich ist nur, dass ein Anspruch auf Gesundheitsfürsorge überhaupt besteht bzw. diese tatsächlich gewährt wird und in diesem Rahmen eine vergleichbare Leistung gewährt wird. Besteht allerdings ein Anspruch auf Krankengeld (etwa aus einer Beschäftigung als Freigänger), ruht dieser nicht nach § 16 Abs. 1 Nr. 4, da im Rahmen der Gesundheitsfürsorge nach den §§ 56 ff. StVollzG kein Anspruch auf Lohnersatzleistungen vorgesehen ist (SG Hamburg, Urteil v. 5.12.2003, 21 KR 479/96; Noftz, in: Hauck/Noftz, SGB V, Erg.-Lfg. 1...

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