Rz. 21

Im Falle, dass sich die Partner der Vereinbarung nach Abs. 1 oder 3, der GKV-Spitzenverband und der pharmazeutische Unternehmer, nicht auf den Erstattungsbetrag für das neue, nicht festbetragsfähige Arzneimittel einigen sollten, sieht Abs. 4 ein Schiedsverfahren vor. Das Schiedsverfahren stellt seiner Natur nach einen Interessenausgleich durch ein sachnahes und unabhängiges Gremium dar. Insbesondere mit der paritätischen Zusammensetzung und dem Mehrheitsprinzip (vgl. § 130b Abs. 5 Satz 2) ist bezweckt, die Fähigkeit dieses Spruchkörpers zur vermittelnden Zusammenführung unterschiedlicher Interessen und zu einer sachgerechten Entscheidungsfindung zu nutzen. Mit dieser Alternative zur Vereinbarung im Verhandlungswege, die auf die Vereinbarungspartner den Druck auf eine Einigung zweifellos erhöht, soll die gesetzlich geforderte Vereinbarung über Erstattungsbeträge für Arzneimittel mit neuem Wirkstoff realisiert werden, um nachhaltig die Preiswürdigkeit von Arzneimitteln mit neuen Wirkstoffen zu sichern. Für die Einigung haben die Vereinbarungspartner maximal 6 Monate nach der Veröffentlichung des Beschlusses des Gemeinsamen Bundesausschusses nach §§ 35a Abs. 3 oder 35b Abs. 3 Zeit; danach setzt die Schiedsstelle innerhalb von spätestens 3 Monaten den Vertragsinhalt fest. Die Schiedsstelle setzt den Vertragsinhalt in dem Umfang fest, in welchem er durch das Nichtzustandekommen einer Vereinbarung nach Abs. 1 oder 3 offen ist. Sie entscheidet nach Abs. 4 Satz 2 unter freier Würdigung aller Umstände des Einzelfalles; die Besonderheiten des jeweiligen Therapiegebietes sind dabei zu berücksichtigen. Damit hat die Schiedsstelle für die Festsetzung des Vertrages die gleiche Gestaltungsfreiheit wie die Vertragsparteien im Falle einer Einigung, was darauf hindeutet, dass es nach der Gesetzesbegründung in erster Linie um die Festsetzung des Erstattungsbetrages geht. Die tatsächlichen Abgabepreise in anderen europäischen Ländern sind dabei von der Schiedsstelle nach Maßgabe der Rahmenvereinbarung nach Abs. 9 zu berücksichtigen, was bedeutet, dass die Abgabepreise, so wie vorgegeben, zu gewichten sind, um die Vergleichbarkeit zu gewährleisten. Bei Vereinbarungen für neue Arzneimittel, die keinen Zusatznutzen haben und keiner Festbetragsgruppe zugeordnet werden können (vgl. Abs. 3), entfällt der Vergleich mit den Abgabepreisen in anderen europäischen Ländern, weil dann bei den festzusetzenden Erstattungsbeträgen auf die Vergleichstherapie in Deutschland abgestellt wird. Dies hat nach Abs. 4 Satz 2 HS 2 Vorrang. Durch Abs. 3 Satz 1 ist klargestellt, dass die Vergleichstherapie zweckmäßig sein muss, also nicht auf irgendeine willkürliche Vergleichstherapie abgestellt werden kann.

 

Rz. 22

Die Fristen sind in Abs. 4 so gesetzt, dass der durch Schiedsspruch festgesetzte Erstattungsbetrag – die Gesetzesbegründung spricht vom Erstattungspreis – spätestens ein Jahr nach Markteinführung eines neuen, nicht festbetragsfähigen Arzneimittels gilt. Ein einheitlicher Zeitpunkt verhindert zudem, dass Verzögerungen in der Preisfindung zu unberechtigten finanziellen Vorteilen für die Vertragspartner, in erster Linie für den pharmazeutischen Unternehmer, führen. Deshalb gilt nach Abs. 4 Satz 3 der im Schiedsspruch festgelegte Erstattungsbetrag ab dem 13. Monat nach dem Beschluss des Gemeinsamen Bundesausschusses nach § 35a Abs. 3 mit der Konsequenz, dass die Differenz zwischen dem festgelegten Erstattungsbetrag der Schiedsstelle und dem tatsächlich gezahlten Abgabepreis bei der Festsetzung auszugleichen ist. Diese Regelung war zwar in den Beratungen über das AMNOG kritisiert worden, weil sie dem pharmazeutischen Unternehmer praktisch ein Jahr Zeit lässt, für ein neues, nicht festbetragsfähiges Arzneimittel den von ihm selbst festgelegten Abgabepreis zu erheben, aber es ist nicht von der Hand zu weisen, dass die Vereinbarung nach Abs. 1 wegen der notwendigen Entscheidung des Gemeinsamen Bundesausschusses und der anschließenden Verhandlung zwischen dem GKV-Spitzenverband und dem pharmazeutischen Unternehmer Zeit kostet, bis sie rechtsverbindlich ist.

 

Rz. 23

Auch an der Entscheidung der Schiedsstelle ist der Verband der privaten Krankenversicherung beteiligt (Abs. 4 Satz 4). Wie bei der voraufgegangenen Verhandlung über den Erstattungsbetrag ist ihm vor der Entscheidung die Gelegenheit zur Stellungnahme eingeräumt. Deshalb hat die Geschäftsstelle der Schiedsstelle den Verband der privaten Krankenversicherung rechtzeitig über das Schiedsstellenverfahren zu informieren und um Stellungnahme zu ersuchen. Ob der Verband eine Stellungnahme abgibt, bleibt ihm überlassen. Nach der Gesetzesbegründung ist es im Übrigen nicht erforderlich, dass dem Verband der privaten Krankenversicherung vorab ein konkreter Entscheidungsentwurf der Schiedsstelle zur Verfügung gestellt wird.

 

Rz. 24

Die Festsetzung eines Erstattungsbetrages durch die Schiedsstelle stellt rechtlich einen Verwaltungsakt i. S. d. § 31 SGB X dar. Die Schiedsstelle ist Behörde i. S. d. § 1 Abs. 2...

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