Rz. 19

Ist der Gemeinsame Bundesausschuss in seinem Beschluss zu dem Ergebnis gekommen, dass das neue (zugelassene) Arzneimittel keinen Zusatznutzen nach § 35a Abs. 3 hat und auch keiner Festbetragsgruppe zugeordnet werden kann, vereinbaren der GKV-Spitzenverband und der pharmazeutische Unternehmer den Erstattungsbetrag auf dem Preisniveau eines vergleichbaren, zweckmäßigen Arzneimittels (Abs. 3). Dabei wird nicht nur der Preis des Arzneimittels zugrunde gelegt, sondern es wird abgestellt auf die Jahrestherapiekosten, die erst den Vergleich realistisch erscheinen lassen. Gibt es nach § 35a Abs. 1 Satz 7 mehrere Alternativen, die für eine zweckmäßige Vergleichstherapie in Betracht kommen, darf der Erstattungsbetrag nicht zu höheren Jahrestherapiekosten führen als die wirtschaftlichste der möglichen Alternativen für die zweckmäßige. Mit der Flexibilisierung der Auswahl der zweckmäßigen Vergleichstherapie wird nach der Gesetzesbegründung das Ziel verfolgt, bei vorhandener Evidenz anhand abweichender Vergleichstherapien den Nachweis des Zusatznutzens nicht aus rein formalen Gründen scheitern zu lassen. Keineswegs wird jedoch mit Satz 2 des Abs. 3 das Ziel verfolgt, bei nicht vorhandener Evidenz dem pharmazeutischen Unternehmer die Wahl einer möglichst hochpreisigen Vergleichstherapie zu ermöglichen, um ohne Nachweis des Zusatznutzens einen möglichst hohen Erstattungsbetrag vereinbaren zu können. Zu den Therapiekosten gehören auch die Kosten der vertragsärztlichen Behandlung und sonstiger verordneter Leistungen, wenn diese im Regelfall entsprechend der Fach- und Gebrauchsinformation des Arzneimittels entstehen. Bei der Vereinbarung des Erstattungsbetrages haben die Partner diese Kosten sachgerecht zu ermitteln.

 

Rz. 20

In der Praxis hat der Gemeinsame Bundesausschuss bei diversen Arzneimitteln keinen Zusatznutzen erkennen können und dies im Internet bekannt gemacht. Meist reichten die vom pharmazeutischen Unternehmer vorzulegenden Nachweise über den Zusatznutzen nicht aus. Daraufhin haben einige namhafte pharmazeutische Unternehmer entschieden, mit ihrem Arzneimittel aus dem deutschen Markt zu gehen. Die Unternehmer haben ihre Entscheidung meist im Anschluss an die Veröffentlichung der Nutzenbewertung durch den Gemeinsamen Bundesausschuss getroffen (sog. "Opt-Out" nach § 4 Abs. 7 der Rahmenvereinbarung nach Abs. 9 der Vorschrift) und erst gar keine Verhandlungen über den Erstattungsbetrag aufgenommen, wohl um zu verhindern, dass die Preise, die sie in Deutschland wegen des fehlenden Zusatznutzens erzielt hätten, im Ausland Schule machen. In der unverbindlichen Information des GKV-Spitzenverbandes sind die Opt-out-Entscheidungen des pharmazeutischen Unternehmers aufgeführt. Obwohl also diese Arzneimittel den deutschen Patienten nicht mehr zur Verfügung stehen, ist dies für die Patientenversorgung im Allgemeinen kein Problem. Hier ging es nicht um Innovationen, sondern um Scheininnovationen. Für die betreffenden Krankheiten gibt es längst ähnlich wirkende Arzneimittel, sodass die Patienten in Deutschland weiterhin nach den optimalen medizinischen Standards behandelt werden.

Kann das neue Arzneimittel ohne Zusatznutzen später einer evtl. neu gebildeten Festbetragsgruppe zugeordnet werden, hat der GKV-Spitzenverband nach Abs. 3 Satz 3 die Möglichkeit, die Vereinbarung über den Erstattungsbetrag außerordentlich zu kündigen. Damit tritt die Festsetzung des Festbetrages an die Stelle des vereinbarten Erstattungsbetrages.

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