Rz. 39

Gemäß Abs. 3 Satz 1, 1. Alt. besteht der Kostenerstattungsanspruch, wenn die Krankenkasse eine unaufschiebbare Leistung nicht rechtzeitig, d. h. in der Zeit, in der sie medizinisch indiziert war (BSG, Urteil v. 16.12.1993, 4 RK 5/92), erbringen konnte. Unaufschiebbarkeit verlangt, dass die beantragte Leistung im Zeitpunkt ihrer Erbringung so dringlich ist, dass aus medizinischer Sicht keine Möglichkeit eines nennenswerten Aufschubs mehr besteht, um vor der Beschaffung eine Entscheidung der Krankenkasse abzuwarten. Ein Zuwarten darf dem Versicherten nicht mehr zumutbar sein, weil der angestrebte Behandlungserfolg zu einem späteren Zeitpunkt nicht mehr eintreten kann oder z. B. wegen der Intensität der Schmerzen ein auch nur vorübergehendes Zuwarten nicht mehr zuzumuten ist (BSG, Urteil v. 8.9.2015, B 1 KR 14/14 R). Eine Leistung ist in dem Zeitpunkt unaufschiebbar, in dem sie erbracht werden muss, damit der mit ihr erstrebte Erfolg noch erreicht werden kann, d. h., wenn aus medizinischer Sicht keine Möglichkeit eines nennenswerten Aufschubs mehr besteht (BSG, Urteil v. 26.9.2006, B 1 KR 3/06 R, zur Voraussehbarkeit einer Entbindung).

 

Rz. 40

Eine dringliche medizinische Situation liegt zunächst regelmäßig in den Notfällen i. S v. § 76 Abs. 1 Satz 2 vor, in denen aus medizinischen Gründen eine umgehende Behandlung notwendig ist und ein Vertragsarzt nicht in der gebotenen Eile aufgesucht werden kann (BSG, Urteil v. 1.2.1995, 6 RKa 9/94). Dies ist insbesondere dann der Fall, wenn ohne eine sofortige Behandlung durch einen nicht zugelassenen Arzt Gefahren für Leib und Leben entstehen oder heftige Schmerzen unzumutbar lange andauern würden. Allerdings kommt in diesen Fällen ein Erstattungsanspruch nach Abs. 3 nicht in Betracht (BSG, Urteil v. 8.9.2015, B 1 KR 14/14 R; BSG, Urteil v. 14.12.2006, B 1 KR 8/06 R). Zu beachten ist nämlich, dass eine derartige Notfallbehandlung durch einen Nichtvertragsarzt als Bestandteil der vertragsärztlichen Versorgung anzusehen ist, sodass die erbrachten Leistungen dem Arzt aus der Gesamtvergütung zu vergüten sind (BSG, Urteil v. 1.2.1995, 6 RKa 9/94; BSG, Urteil v. 19.8.1992, 6 RKa 6/91). Eine finanzielle Inanspruchnahme des Versicherten durch den Arzt ist damit i. d. R. ausgeschlossen, sodass der Versicherte auch keinen Erstattungsanspruch gegen die Krankenkasse haben kann (vgl. auch Rz. 37).

 

Rz. 41

Unaufschiebbar kann auch eine zunächst nicht eilbedürftige Behandlung werden, wenn mit der Ausführung so lange gewartet wird, bis die Leistung zwingend erbracht werden muss, damit der mit ihr angestrebte Erfolg noch erreicht werden kann oder um sicherzustellen, dass innerhalb eines therapeutischen Zeitfensters die erforderliche Behandlung noch erbracht werden kann (BSG, Urteil v. 24.4.2018,B 1 KR 29/17 R; BSG, Urteil v. 8.9.2015, B 1 KR 14/14 R, Rz. 15; BSG, Urteil v. 25.9.2000, B 1 KR 5/99 R). Dies gilt umso mehr, wenn der Beschaffungsvorgang aus der Natur der Sache heraus eines längeren Vorlaufs bedarf und betrifft auch die Fälle, in denen der Versicherte zunächst einen Antrag bei der Krankenkasse gestellt hat, aber wegen Unaufschiebbarkeit deren Entscheidung nicht mehr abwarten konnte (BSG, Urteil v. 8.9.2015, B 1 KR 14/14 R). Maßgeblich ist, ob die Krankenkasse die nunmehr unaufschiebbare Leistung als Sachleistung nicht rechtzeitig erbringen kann. Außer in Fällen einer akuten Gesundheitsgefährdung ist dies auch dann der Fall, wenn dem Versicherten aus anderen Gründen der Zugang zu einem zugelassenen Leistungserbringer nicht möglich oder nicht zumutbar ist und er daher auf die Hilfe eines Nichtvertragsbehandlers angewiesen ist (BSG, Urteil v. 18.1.1996, 1 RK 22/95), also wenn in dem Zeitpunkt, in dem die Behandlung medizinisch erforderlich ist, angemessene Behandlungsmethoden durch zugelassene Leistungserbringer nicht zur Verfügung stehen (Urteil v. 25.9.2000, B 1 KR 5/99 R; BSG, Urteil v. 18.1.1996, 1 RK 22/95; BSG, Urteil v. 24.9.1996, 1 RK 33/95). Von § 13 Abs. 3 erfasst ist somit auch der Fall, in dem es zwar auf den Zeitpunkt der Leistung nicht ankommt, die notwendige Sachleistung aber überhaupt nicht zur Verfügung gestellt werden kann (BSG, Urteil v. 24.9.1996, 1 RK 33/95), z. B. weil es keine erreichbaren Leistungserbringer gibt, mit denen die Krankenkasse eine vertragliche Vereinbarung getroffen hat (BSG, Urteil v. 16.12.1993, 4 RK 5/92). Hat die Krankenkasse die Versicherungspflicht erst rückwirkend festgestellt, ist die Erbringung von Sachleistungen für zurückliegende Zeiträume unmöglich, sodass auch hier eine Kostenerstattung in Betracht kommen kann (BSG, Urteil v. 4.10.1988, 4/11a RK 2/87).

 

Rz. 42

Eine Kostenerstattung findet allerdings nicht immer schon dann statt, wenn sich im Nachhinein ergibt, dass ein an sich zustehender Sachleistungsanspruch im System der vertragsärztlichen Versorgung nicht erfüllbar gewesen wäre (BSG, Urteil v. 10.2.1993, 1 RK 31/92 in Abgrenzung zu BSG, Urteil v. 21.11.1991, 3 RK 17/90). Vielmehr muss der Versicherte zunächst das Erforderlic...

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