Rz. 115
Das Mutterschutzgesetz ist ein arbeitsrechtliches Gesetz, weil es das Beziehungsgeflecht zwischen der schwangeren Arbeitnehmerin bzw. der jungen Mutter und dem Arbeitgeber regelt. Deshalb richtet sich der Zuschuss zum Mutterschaftsgeld nach der arbeitsrechtlichen Definition von Arbeitsentgelt. Zum arbeitsrechtlichen Arbeitsentgelt rechnet jede geldwerte Gegenleistung des Arbeitgebers für die Erfüllung der arbeitsvertraglichen Pflichten durch die Arbeitnehmerin im Bemessungszeitraum (BAG, Urteil v. 29.1.1971, 3 AZR 97/69). Zum arbeitsrechtlichen Entgelt gehören demnach alle aus dem Arbeitsverhältnis zustehenden Entgeltteile (Zuwendungen jeglicher Art, die der Arbeitnehmerin direkt oder indirekt zufließen), auch soweit sie nicht der Lohnsteuerpflicht unterliegen und kein sozialversicherungspflichtiges Entgelt darstellen (z. B. Zuschläge für Sonntags-, Feiertags- und Nachtarbeit, auch wenn sie steuerfrei sind; § 3b EStG). Die Basis für die Ermittlung des Nettoarbeitsentgelts bildet i. d. R. das Arbeitsentgelt aus den letzten 3 abgerechneten Kalendermonaten bzw. (bei z. B. wöchentlicher Abrechnung) 13 Wochen vor Beginn der Schutzfrist.
Als Zuschuss zum Mutterschaftsgeld wird der Unterschiedsbetrag zwischen 13,00 EUR und dem um die gesetzlichen Abzüge verminderten durchschnittlichen kalendertäglichen Arbeitsentgelt der letzten 3 abgerechneten Kalendermonate vor Beginn der Schutzfrist vor der Entbindung gezahlt. Das bedeutet: Von dem arbeitsrechtlichen Bruttoarbeitsentgelt (z. B. einschließlich steuerfreie Zuschläge) werden
- die tatsächlich einbehaltenen Steuern (Lohn- und Kirchensteuer und – sofern angefallen – Solidaritätszuschlag) und
- die einbehaltenen Arbeitnehmeranteile von den Beiträgen zur Kranken-, Renten-, Arbeitslosen- und Pflegeversicherung
abgezogen (vgl. BAG, Urteil v. 7.3.1990, 5 AZR 130/89).
Wie gesetzliche Abzüge berücksichtigt werden auch ggf. angefallene
- Pflichtbeiträge der Arbeitnehmer zu berufsständischen Versorgungseinrichtungen (BAG, Urteil v. 1.6.1988, 5 AZR 464/87),
- Beiträge zur freiwilligen gesetzlichen Kranken- und Pflegeversicherung,
- Umlagen zur Finanzierung des Zuschuss-Wintergeldes und des Mehraufwands-Wintergeldes,
- Arbeits- bzw. Arbeitnehmerkammerbeiträge (Bremen und Saarland).
Beiträge zur privaten Kranken- und Pflegeversicherung mindern das Nettoarbeitsentgelt nicht, zumal diese Beiträge von der Mutterschaftsgeldbezieherin auch während der Schutzfristen aufgebracht werden müssen. Umgekehrt ist der Arbeitgeberzuschuss zur privaten Kranken- und Pflegeversicherung gemäß § 257 Abs. 1 SGB V bzw. § 61 SGB XI nicht dem Gesamt-Nettoarbeitsentgelt hinzuzurechnen.
Nicht nur vorübergehenden Änderungen des Arbeitsentgelts bzw. des Nettoarbeitsentgelts ändern auch die Höhe des Zuschusses zum Mutterschaftsgeld – und zwar ab dem Zeitpunkt, von dem an das erhöhte/verminderte Nettoarbeitsentgelt zu zahlen gewesen wäre (§ 21 Abs. 4 MuSchG; vgl. auch BAG, Urteile v. 6.4.1994, 5 AZR 501/93, und v. 31.7.1996, 5 AZR 9/95). Es gilt somit gewissermaßen das sog. Gegenwartsprinzip. Zu berücksichtigen sind somit z. B. Änderungen des Nettoarbeitsentgelts nicht nur vorübergehender Natur wegen
- Lohn-/Gehaltsanpassungen,
- Erhöhung des Altersstufen- oder Familienzuschlags,
- Beendigung einer Teilzeit- und Rückkehr in eine Vollzeitbeschäftigung bzw. sonstige Erhöhung der Arbeitszeit oder
- Änderung der Steuerklasse zugunsten der Arbeitnehmerin.
Genauso, wie nicht nur vorübergehende Erhöhungen der Arbeitsentgeltbestandteile den Zuschuss zum Mutterschaftsgeld erhöhen, wirken sich im Umkehrschluss dauerhafte Verdiensteinbußen, die während oder nach Ablauf des Berechnungszeitraumes eintreten und nicht auf einem mutterschutzrechtlichen Beschäftigungsverbot beruhen, ab dem Zeitpunkt der Änderung im vollen Umfang zuschussmindernd aus. Dauerhafte Verdienstkürzungen i. d. S. sind Minderungen des Nettoarbeitsentgelts wegen
- einer Verminderung des Familienzuschlages (z. B. ein anderes Kind der Arbeitnehmerin ist beim Gehalt nicht mehr familienzuschlagsberechtigt),
- einer Änderung der Steuerklasse, die zu einer Minderung des Nettoarbeitsentgeltes der Frau führt (z. B. Wechsel von Steuerklasse 3 auf Steuerklasse 5),
- des Beginns der Zahlung eines Solidaritätszuschlags,
- des Wegfalls bestimmter Zulagen oder Zuschläge aufgrund von organisatorischen Änderungen für alle Arbeitnehmer in einer Organisationseinheit,
- des Wirksamwerdens einer arbeitsvertraglichen Verringerung der Arbeitszeit mit Auswirkungen auf das Arbeitsentgelt (z. B. wegen eines Wechsels von Vollzeit in Teilzeit; eine unzulässige einseitige Reduzierung der Arbeitszeit durch den Arbeitgeber und damit des Arbeitsentgelts ist keine dauerhafte Änderung der Arbeitszeit i. S. d. § 21 Abs. 4 MuSchG; vgl. hierzu Urteil des LAG Berlin-Brandenburg v. 5.5.2023, 2 Sa 7/23) oder
- einer vertragsgemäß geringwertigeren Tätigkeit mit Minderung des Arbeitsentgelts
(vgl. auch BAG, Urteil v. 11.6.1986, 5 AZR 365/85).
Rz. 116
Gehören Sachbezüge zum Arbeitsentgelt und sind sie nicht frei widerruf...