0 Rechtsentwicklung

 

Rz. 1

§ 27b wurde mit Wirkung zum 23.7.2015 durch das Gesetz zur Stärkung der Versorgung in der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV-Versorgungsstärkungsgesetz – GKV-VSG) v. 16.7.2015 (BGBl. I S. 1211) in das Gesetz eingefügt. Die Regelung enthält die Einzelheiten, unter welchen Voraussetzungen Versicherte bei planbaren Eingriffen einen Anspruch auf Einräumung einer unabhängigen ärztlichen Zweitmeinung haben. Die bis zum Inkrafttreten der Norm in § 137 Abs. 3 Nr. 3 definierte Aufgabe des Gemeinsamen Bundesausschusses, Beschlüsse über Grundsätze zur Einholung von Zweitmeinungen vor Eingriffen zu fassen, ist aufgehoben worden. Der Gesetzesentwurf (vgl. BT-Drs. 18/4095) ist im Gesetzgebungsverfahren durch den Ausschuss für Gesundheit (14. Ausschuss) in Teilen präzisiert und erweitert worden (vgl. BT-Drs. 18/5123).

 

Rz. 1a

Das Gesetz für schnellere Termine und bessere Versorgung (Terminservice- und Versorgungsgesetz – TSVG) v. 6.5.2019 (BGBl. I S. 646) hat mit Wirkung zum 11.5.2019 in Art. 10a Abs. 2 Satz 7 aufgehoben. Die darin enthaltene Frist für den Erstbeschluss des Gemeinsamen Bundesausschusses für Festlegungen zur Zweitmeinung war überholt, da der Gemeinsame Bundesausschuss mit Beschlüssen vom 21.9.2017 und 18.10.2018 erste Festlegungen zu strukturierten Zweitmeinungsverfahren in einer Richtlinie getroffen hat.

 

Rz. 1b

Das Gesetz zur Weiterentwicklung der Gesundheitsversorgung (Gesundheitsversorgungsweiterentwicklungsgesetz – GVWG) v. 11.7.2021 (BGBl. I S. 2754) hat mit Wirkung zum 20.7.2021 durch Art. 1 Nr. 8 in Abs. 2 Satz 1 am Ende den Punkt durch ein Semikolon ersetzt und einen Halbsatz angefügt, der den Gemeinsamen Bundesausschuss verpflichtet, jährlich mindestens 2 weitere Eingriffe zu bestimmen.

1 Allgemeines

 

Rz. 2

§ 27b begründet einen Rechtsanspruch des Versicherten, vor sogenannten mengenanfälligen planbaren Eingriffen eine unabhängige ärztliche Zweitmeinung zur medizinischen Notwendigkeit und Sachgerechtigkeit des geplanten Eingriffs als Sachleistung einzuholen. Der Gesetzgeber präzisiert mit dieser Neuregelung die bis zum 22.7.2015 bestehende, aber nicht erfüllte Verpflichtung des Gemeinsamen Bundesausschusses, für zugelassene Krankenhäuser einheitlich für alle Patienten Beschlüsse über Grundsätze zur Einholung von Zweitmeinungen vor Eingriffen zu erlassen (§ 137 Abs. 3 Nr. 3 a. F.). Zugleich wird ein gesetzlicher Anspruch des Versicherten auf Einholung einer Zweitmeinung begründet mit der Folge, dass künftig für den Versicherten ärztliche Beratungs- und Untersuchungsleistungen zulässigerweise ein zweites Mal erbracht und der notwendige Behandlungsbedarf zulasten der Krankenkasse ausgeweitet werden. Um finanzielle Fehlanreize zu vermeiden, kann die Zweitmeinung nicht bei einem Arzt oder einer Einrichtung eingeholt werden, für den oder durch die der Eingriff durchgeführt werden soll (Abs. 1 Satz 2). Einzelheiten hatte der Gemeinsame Bundesausschuss in einer Richtlinie zur Qualitätssicherung nach § 92 Abs. 2 Nr. 13 bis zum 31.12.2015 festzulegen. Dabei hat er insbesondere zu konkretisieren, bei welchen planbaren Eingriffen im Hinblick auf die "Mengenanfälligkeit" das Zweitmeinungsverfahren eröffnet ist (Abs. 2).

 

Rz. 3

Der Versicherte ist von dem Arzt, der die Indikation für einen Eingriff nach Abs. 1 Satz 1 stellt, über das Recht, eine unabhängige ärztliche Zweitmeinung einzuholen zu können, aufzuklären (Abs. 5). Der Arzt muss ihn auch auf die Informationsangebote über geeignete Leistungserbringer hinweisen. Dem Versicherten ist ausreichend Zeit für seine Entscheidung über die Einholung einer Zweitmeinung einzuräumen. Abs. 3 legt fest, welche Leistungserbringer zur Erbringung einer Zweitmeinung berechtigt sind. Die Krankenkassen sollen im Hinblick auf den Zweitmeinungsanspruch weiterhin die Möglichkeit besitzen, für die Einholung einer unabhängigen ärztlichen Zweitmeinung zusätzliche Satzungsleistungen anzubieten (Abs. 6).

 

Rz. 4

Gemäß § 87 Abs. 2a Satz 9 bis 11 ist nach Inkrafttreten der Bestimmungen nach § 27b Abs. 2 Satz 2 im EBM eine Abrechnungsregelung für die Leistungen und Kosten im Rahmen der Einholung der Zweitmeinung zu schaffen.

2 Rechtspraxis

2.1 Planbare Eingriffe – Mengenanfälligkeit (Abs. 1)

 

Rz. 5

Der Anspruch auf Einholung einer Zweitmeinung setzt grundsätzlich voraus, dass die Indikation zu einem planbaren Eingriff gestellt wird. Damit scheiden von vornherein Fälle der Akutbehandlung sowie auch der (rein) medikamentösen Behandlung aus. Auch für eine zahnärztliche Behandlung besteht der Anspruch nicht, wie sich aus § 87 Abs. 2a Satz 9, der sich nur auf ärztliche Leistungen bezieht, ableiten lässt (Wenner, SozSich 2015 S. 333, 334).

 

Rz. 6

Der Anspruch auf Einholung einer Zweitmeinung setzt ferner voraus, dass es sich um einen planbaren Eingriff handelt, bei dem insbesondere im Hinblick auf die zahlenmäßige Entwicklung seiner Durchführung die Gefahr einer Indikationsausweitung nicht auszuschließen ist (sog. mengenanfällige Eingriffe). Was darunter konkret zu verstehen ist, wird der Gemeinsame Bundesausschuss in seiner Richtlinie zu Qualitätssicherung zu präzisieren habe...

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