Rz. 2

Die Regelung unterwirft nunmehr die freiwillige Vereinigung von Krankenkassen weitgehend einer kartellbehördlichen Zusammenschlusskontrolle nach den Regelungen des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen (GWB). Die freiwillige Vereinigung von Krankenkassen wurde, beginnend mit dem Gesetz zur Sicherung und Strukturverbesserung der gesetzlichen Krankenversicherung (Gesundheitsstrukturgesetz – GSG) v. 21.12.1992 (BGBl. I S. 2266) vereinfacht und gefördert, um größere Verwaltungseinheiten zu schaffen, die langfristig ein wirtschaftlicheres Verwaltungshandeln gewährleisten (so BT-Drs. 12/3608 S. 107). Darüber hinaus wurde auch die Vereinigung von Krankenkassen auf Landesebene durch die Landesregierung durch Rechtsverordnung zugelassen, um deren Wettbewerbsfähigkeit zu verbessern (vgl. §§ 145, 150, 160 und Komm. dort). Von beiden Möglichkeiten war auch in erheblichem Umfang Gebrauch gemacht worden. Fragen nach den Folgen dieser Vereinigungen im Hinblick auf Kartellrecht und das Entstehen einer marktbeherrschenden Stellung waren dabei nicht aufgetaucht und waren in den Gesetzesbegründungen auch nicht angesprochen worden.

 

Rz. 3

Die freiwillige Vereinigung von Krankenkassen wurde durch das Gesetz zur Stärkung des Wettbewerbs in der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV-Wettbewerbsstärkungsgesetz – GKV-WSG) v. 26.3.2007 (BGBl. I S. 378) mit Wirkung zum 1.4.2007 mit der Einfügung des § 171a ausgeweitet, indem nunmehr auch kassenartübergreifende Vereinigungen ermöglicht wurden (vgl. Komm. zu § 171a). In der Gesetzesbegründung (BT-Drs. 16/3100 S. 156) war ausgeführt, dass es wünschenswert sei, dass sich die Krankenkassen zu größeren Einheiten zusammenschließen, die auf Dauer wettbewerbs- und leistungsfähig sind. Um die bisher noch ungenutzten Potenziale für Kassenzusammenschlüsse zu nutzen, soll daher künftig auch eine Vereinigung von Krankenkassen über die Grenzen der Kassenarten hinweg möglich sein. Weiterhin war in der Gesetzesbegründung ausgeführt: "Flankierende gesetzliche Regelungen, die verhindern, dass durch kassenartenübergreifende Fusionen wettbewerbsschädliche Monopolbildungen entstehen, sind nicht erforderlich. Auch Vereinigungen von Krankenkassen sind nach den Regeln der Fusionskontrolle des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen (GWB) durch das Bundeskartellamt zu prüfen. Das Bundeskartellamt hat bisher schon Vereinigungen von Krankenkassen daraufhin geprüft, ob sie zur Entstehung einer marktbeherrschenden Stellung führen. Auch kassenartenübergreifende Fusionen wird es daraufhin überprüfen und bei Entstehung oder Verstärkung einer marktbeherrschenden Stellung untersagen." Dieser Aussage hatte der Bundesrat (BR-Drs. 755/06 S. 63) widersprochen und um eine ausdrückliche Regelung zum Ausschluss der Anwendung des GWB bei der Vereinigung von Krankenkassen gebeten, um zu verhindern, dass eine ungerechtfertigte Benachteiligung mittelgroßer und kleinerer regional ausgerichteter Krankenkassen erfolgt, weil kassenartenübergreifende Fusionen mit einer in der gleichen Region tätigen Krankenkasse sehr schnell einen regionalen Marktanteil von mehr als einem Drittel erreichen könnten. Erst infolge der Regelung in § 171a wurde die Anwendung des GWB auf die Vereinigung von Krankenkassen diskutiert (vgl. Gaßner/Ahrens, SGb 2007 S. 528; Krasney, NZS 2007 S. 574).

 

Rz. 4

Nachdem das Hess. LSG (Urteil v. 15.9.2011, L 1 KR 89/10 KL, NZS 2012 S. 177) gegenüber dem Bundeskartellamt (BKartA) entschieden hatte, dass die Eröffnung der Kartellaufsicht über die Krankenkassen durch die Kartellbehörden einer ausdrücklichen gesetzlichen Regelung bedarf, weil Krankenkassen keine Unternehmen i. S. des GWB sind, hatte das BKartA die bis dahin tatsächlich durchgeführten Fusionskontrollen aufgrund "vorsorglicher" Anmeldung der Vereinigung bei gesetzlichen Krankenkassen eingestellt (vgl. Soltèsz/Werner, KrV 2013 S. 185, 186). Die durch das LSG zugelassene Revision wurde mangels Erfolgsaussicht nicht eingelegt (Bericht des BKartA in BT-Drs. 17/13675 S. 76). Für die beim BKartA vorsorglich angemeldeten 24 Vereinigungen zwischen 2009 und 2011 war in allen Fällen die Freigabe erteilt worden (vgl. Soltèsz/Werner, KrV 2013 S. 185, 187). Auch von den im Jahre 2013 angemeldeten Vereinigungen sind alle bereits im Vorprüfverfahren genehmigt worden (BKartA, Jahresbericht 2013 S. 23).

 

Rz. 5

Obwohl es zuvor auch bei den Vereinigungen auch von großen Krankenkassen keine Beanstandungen wettbewerbsrechtlicher Art durch das BKartA ergeben hatte und die Krankenkassen zu diesem Zeitpunkt bereits weitgehend bundes- bzw. länderweit oder sogar länderübergreifend vereinigt waren, wurde erst mit dem Achten Gesetz zur Änderung des Gesetzes über Wettbewerbsbeschränkungen mit § 172a eine Vorschrift eingefügt, die die entsprechende Anwendung des GWB bei freiwilligen Krankenkassenvereinigungen ausdrücklich vorsieht. In der Gesetzesbegründung (BT-Drs. 17/9852 S. 37) ist ausgeführt, dass, wie im Rahmen der fusionskontrollrechtlichen Prüfung üblich, bei der Frage der Ma...

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