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Gesetzliche Krankenkassen erwerben die zu ihren Lasten abgegebenen Arzneimittel nicht selbst und stehen in keiner unmittelbaren Rechtsbeziehung zum pharmazeutischen Unternehmer oder zum Arzneimittelgroßhändler. Wenn ein zulasten der gesetzlichen Krankenkassen abgegebenes Arzneimittel mit einem schwerwiegenden Mangel behaftet ist, der zu einem Arzneimittelrückruf oder zu einer Einschränkung der Verwendbarkeit des Arzneimittels führt, haben die Krankenkassen zwar einen wirtschaftlichen Schaden, aber bisher keine unmittelbaren Ansprüche gegen den pharmazeutischen Unternehmer oder den Arzneimittelgroßhändler, der das mangelhafte Arzneimittel in den Verkehr gebracht hat. Die Apotheken wiederum, welche die Arzneimittel vom pharmazeutischen Unternehmer oder vom Arzneimittelgroßhandel erwerben und mit diesem in einer vertraglichen Beziehung stehen, haben zwar Gewährleistungsrechte, aber selbst keinen Schaden, da sie für ihre Tätigkeit von den Krankenkassen nach den öffentlich-rechtlichen Regelungen des SGB V eine Vergütung erhalten.

Aufgrund des Abs. 1 Satz 1 der Vorschrift gehen die Gewährleistungsrechte des Abgebenden, i. d. R. die Apotheke, gegen den pharmazeutischen Unternehmer oder den Arzneimittelgroßhändler nach § 437 BGB unmittelbar auf die Krankenkasse über, soweit diese der Apotheke für die Abgabe des Arzneimittels eine Vergütung gezahlt hat. Aufgrund der Interessenlage in der Lieferkette gilt der im Kaufrecht vorgesehene Vorrang der Nacherfüllung nicht. Nach Abs. 1 Satz 2 bedarf es für den Rücktritt, die Minderung oder den Schadenersatz einer sonst nach §§ 323 Abs. 1 oder 281 Abs. 1 Satz 1 BGB erforderlichen Fristsetzung nicht.

Die Frage, in welchen Fällen ein Arzneimittel mangelhaft ist, richtet sich nach den Bestimmungen des BGB. Damit sind insbesondere Qualitätsmängel, z. B. aufgrund von Produktionsfehlern, aber auch Arzneimittelfälschungen gemeint. Erfasst vom Anspruchsübergang werden aber nur solche Mängel, die zu einem Arzneimittelrückruf – entweder vom pharmazeutischen Unternehmer oder durch die zuständige Behörde veranlasst – oder zu einer von der zuständigen Behörde bekannt gemachten Einschränkung der Verwendbarkeit des Arzneimittels führen. Der letztgenannte Fall kann nach der Gesetzesbegründung z. B. eintreten, wenn ein Arzneimittel trotz eines schwerwiegenden Mangels nicht zurückgerufen werden kann, weil sonst ein Therapienotstand drohen würde und das Arzneimittel mit besonderen Einschränkungen oder Sicherheitsvorkehrungen vorläufig weiter angewendet werden muss.

Nach Abs. 1 Satz 3 obliegen dem Abgebenden, dessen Ansprüche auf die Krankenkasse übergehen, Mitwirkungspflichten gegenüber der Krankenkasse. Er hat die zur Sicherung dieses Anspruchs dienenden Rechte unter Beachtung der geltenden Form- und Fristvorschriften zu wahren und die Krankenkasse bei der Durchsetzung der Ansprüche soweit erforderlich zu unterstützen, z. B. durch Auskunftserteilung oder durch Zurverfügungstellung entsprechender Unterlagen und Kaufbelege.

Nach Abs. 2 der Vorschrift vereinbart der GKV-Spitzenverband mit dem für die Wahrnehmung der wirtschaftlichen Interessen gebildeten maßgeblichen Spitzenorganisationen der pharmazeutischen Unternehmer und des pharmazeutischen Großhandels auf Bundesebene die näheren Einzelheiten für die Geltendmachung und Abwicklung der auf die Krankenkassen übergegangenen Ersatzansprüche. Nach Abs. 2 Satz 2 können in den Vereinbarungen Pauschbeträge und eine Abtretung von Regressansprüchen vereinbart werden. Nach der Gesetzesbegründung sind Pauschbeträge zweckmäßig, da eine packungsgenaue Ermittlung der Höhe der Ersatzansprüche aufgrund der Zahl der an der Vertriebskette beteiligten Akteure und der Zahl der möglicherweise betroffenen Arzneimittel für alle Beteiligten mit einem sehr hohen Verwaltungsaufwand verbunden wäre.

Zu den maßgeblichen Spitzenorganisationen der pharmazeutischen Unternehmer gehören:

  • der BAH – Bundesverband der Arzneimittel.Hersteller e. V., Bonn,
  • der BAI – Bundesverband der Arzneimittel-Importeure Deutschlands e. V., Saaldord-Surheim,
  • der BPI – Bundesverband der Pharmazeutischen Industrie e. V., Berlin,
  • Pro Generika e. V., Berlin,
  • der VAD – Verband der Arzneimittelimporteure Deutschlands e. V., Merzig,
  • der vfa – Verband Forschender Arzneimittelhersteller e. V., Berlin.

Die 11 vollversorgenden pharmazeutischen Großhandlungen mit insgesamt 111 Niederlassungen sind auf Bundesebene im Bundesverband des pharmazeutischen Großhandels e. V. (PHAGRO), Berlin zusammengeschlossen.

Bisher steht die Bundesvereinbarung nach Abs. 2 noch aus: eine Fristvorgabe für die Bundesvereinbarung enthält Abs. 2 nicht. Im Hinblick auf das Wort "Vereinbarungen" in Abs. 2 Satz 2 kann evtl. auch damit gerechnet werden, dass der GKV-Spitzenverband jeweils eine Vereinbarung mit den Spitzenorganisationen der pharmazeutischen Unternehmer bzw. mit dem Bundesverband des pharmazeutischen Großhandels treffen wird.

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