Entscheidungsstichwort (Thema)

Höhe des Elterngeldes bei bis zur Geburt selbstständiger Tätigkeit der Ehefrau und Übertragung der Geschäftsanteile auf den Ehemann

 

Orientierungssatz

Für die Berechnung der Höhe des Elterngeldes wird lediglich ein Vergleich des Einkommens vor und nach der Geburt durchgeführt und nicht danach gefragt, ob der Einkommensverlust tatsächlich auf die Geburt des Kindes und dessen Erziehung zurückzuführen ist oder auf anderen Gründen beruht. So würde ein Arbeitsplatzverlust wegen Kündigung ebenso Berücksichtigung finden wie eine Insolvenz eines Gewerbebetriebes. Insofern erscheint es auch nicht vorwerfbar, wenn durch eigene Entscheidungen die Einkommenssituation mitgestaltet wird. Eine Einkommenszurechnung käme wohl nur dann in Betracht, wenn es sich bei der - hier vorgenommenen - Geschäftsanteilübertragung um ein Scheingeschäft handeln würde, das heißt wenn der Selbstständige auch nach der Geschäftsübertragung in Wirklichkeit wie ein Selbstständiger die Geschicke des Unternehmens leitet.

 

Tenor

I. Der Bescheid des Beklagten vom 10.08.2009 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 19.10.2009 wird aufgehoben.

II. Der Beklagte wird verurteilt, der Klägerin für ihr Kind P., geboren 2007, in der Zeit vom 1. bis 12. Lebensmonats des Kindes Elterngeld in Höhe von monatlich 1.661,56 EURO zu gewähren.

III. Der Beklagte hat die außergerichtlichen Kosten der Klägerin zu tragen.

 

Tatbestand

Zwischen den Beteiligten ist streitig, in welcher Höhe der Beklagte der Klägerin Elterngeld zu zahlen hat.

Die 1969 geborene Klägerin ist die Mutter des 2007 geborenen Kindes P. Sie hat am 23.05.2007 einen Antrag auf Elterngeld gestellt. In der Einkommenserklärung hat sie angegeben sowohl in den zwölf Kalendermonaten vor der Geburt des Kindes als auch im Kalenderjahr vor der Geburt des Kindes durchgehend eine selbständige Tätigkeit ausgeübt zu haben. Zum 31.12.2006 wurde allerdings das Gewerbe der Werbemittelzustellung abgemeldet. Das Gewerbe "Betreiben von Sonnenstudios" - es handelt sich hierbei um eine Beteiligung an der K. E. GbR - wurde am 29.03.2007 rückwirkend zum 12.03.2007 ebenfalls abgemeldet und ab diesem Tag vom Ehemann der Klägerin als Gewerbe angemeldet. Daneben bestehen noch diverse Fonds-beteiligungen, aus denen Verluste zugewiesen werden.

Der Beklagte kam zum Ergebnis, dass die Klägerin ihre Tätigkeiten nicht durchgehend im Kalenderjahr 2006 sowie in den 12 Kalendermonaten vor der Geburt des Kindes ausgeübt habe und deshalb nach § 2 Abs. 8 Bundeselterngeld- und Elternzeitgesetz (BEEG) an sich eine endgültige Einkommensfestsetzung vorzunehmen sei. Weil jedoch noch nicht alle notwendigen Daten umfassend ermittelt werden konnten, bewilligte der Beklagte mit Bescheid vom 08.02.2008 zunächst eine Abschlagszahlung. Nach Vorlage weiterer Unterlagen erging mit weiterem Bescheid vom 10.08.2009 eine Bewilligung von Elterngeld als vorläufiger Bescheid; eine endgültige Entscheidung könne erst nach Vorliegen der Einkommensnachweise für die Zeit des Elterngeldbezuges erfolgen.

Das Elterngeld wurde im Bescheid vom 10.08.2009 in Höhe von monatlich 300 Euro bewilligt. Zwar hätte sich aus den Einkünften der Klägerin aus der Zeit vor der Geburt ein Elterngeldbetrag von monatlich 1.661,56 Euro errechnet. Die Klägerin beziehe jedoch nach der Geburt des Kindes weiterhin Einkommen aus Gewerbebetrieb bzw. müsse sich solches zurechnen lassen. Der Ummeldung der Gewerbebeteiligung an der K. & E. GbR (Sonnenstudio) liege eine unentgeltliche Übertragung des Anteils auf den Ehemann zu Grunde. Diese könne nicht anerkannt werden, da sie offensichtlich zur Erlangung eines höheren Elterngeldes erfolgt sei. Eine Zulässigkeit im Rahmen der steuerlichen Gestaltungsmöglichkeiten stehe dieser Entscheidung nicht entgegen.

Gegen diesen Bescheid legte die Klägerin mit Schreiben vom 02.09.2009 Widerspruch ein. Sie machte geltend, dass für das in Form einer GbR betriebene Sonnenstudio das Prinzip der gemeinschaftlichen Geschäftsführung gelte und sie zur Dienstleistung gemäß § 706 Abs. 1 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) verpflichtet sei. Dies habe in der Praxis u.a. darin bestanden, dass mindestens einmal wöchentlich eine Fahrt nach H. zur Überwachung des Betriebes erforderlich gewesen sei. Die Klägerin habe diese Pflichten durch die Kindererziehung nicht mehr erfüllen können, weshalb die bestehenden Gewerbeanteile von ihrem Ehemann übernommen worden seien. Die Übertragung sei am 12.03.2007 erfolgt und nur nachträglich der Gewerbebehörde mitgeteilt worden.

Mit Widerspruchsbescheid vom 19.10.2009 wies der Beklagte den Widerspruch zurück. Im Sonnenstudio seien fremde Arbeitskräfte beschäftigt gewesen, so dass Gewinne nicht allein von der Arbeitsleistung des Inhabers abhängen würden. Auch wenn die Klägerin selbst im Bezugszeitraum nicht gearbeitet hätte, hätte sie weiterhin Einkünfte aus der GbR ziehen können. Dies sei durch die rechtsmissbräuchliche Verschiebung von Vermögenswerten im Rahmen einer unentgeltlichen Übertragung an ihren Ehemann verm...

Das ist nur ein Ausschnitt aus dem Produkt Haufe Personal Office Platin. Sie wollen mehr?

Anmelden und Beitrag in meinem Produkt lesen


Meistgelesene beiträge