Entscheidungsstichwort (Thema)

Eingeschränkte Anrechnung von Elterngeld auf Leistungen der Grundsicherung

 

Leitsatz (amtlich)

Der Anwendungsbereich der Freibetragsregelung in § 10 Abs. 5 Satz 2 BEEG ist nicht auf Arbeitslosengeld II-Empfänger beschränkt, die bis unmittelbar vor der Geburt erwerbstätig waren.

 

Orientierungssatz

1. Elterngeld bleibt beim Bezug von Leistungen des SGB 2 gemäß § 10 Abs. 5 BEEG als Einkommen nach § 11 Abs. 1 S. 1 SGB 2 des nach § 2 Abs. 1 BEEG berücksichtigten Einkommens aus Erwerbstätigkeit vor der Geburt bis zu 300.- €. monatlich unberücksichtigt. Voraussetzung für das Vorliegen der Rückausnahmeregelung in § 10 Abs. 5 S. 2 BEEG ist nicht eine Erwerbstätigkeit unmittelbar vor der Geburt. Maßgeblich für die Anwendbarkeit des § 10 Abs. 5 S. 2 BEEG ist vielmehr das Vorliegen von Erwerbseinkommen im Bemessungszeitraum.

2. Im Zusammenhang mit einer befristeten oder unbefristeten Erwerbstätigkeit können die Mütter und Väter nicht von der Rückausnahmeregelung ausgeschlossen werden, die noch zum Zeitpunkt ihrer Entscheidung für ein Kind erwerbstätig waren und daher aufgrund des erzielten Erwerbseinkommens auch Elterngeld beziehen.

 

Tenor

1. Der Beklagte wird unter Abänderung der Bescheide des Beklagten vom 12. Mai 2016, 15. Juni 2016 und 26. Januar 2017 und unter Aufhebung des Bescheides vom 15. November 2016 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 26. Januar 2017 verurteilt, den Klägern für die Zeit vom 01. bis 30. Juni 2016 weitere Grundsicherungsleistungen nach dem SGB II in Höhe von 155,01 EUR und für die Zeit vom 01. bis 31. Juli 2016 in Höhe von 965,70 EUR zu gewähren.

2. Im Übrigen (Mai 2016) wird die Klage abgewiesen.

3. Der Beklagte hatte den Klägern 2/3 ihrer notwendigen außergerichtlichen Kosten zu erstatten.

 

Tatbestand

Die Beteiligten streiten über die Höhe der zu bewilligenden Grundsicherungsleistungen nach dem SGB II für die Zeit vom 01. Mai bis 31. Juli 2016 und insbesondere über die Berücksichtigung von (vollständigem) Elterngeld als Einkommen.

Die verheirateten und erwerbsfähigen Kläger zu 1 und 2 beantragten beim Beklagten am 31. März 2016 für sich und den am 03. März 2016 geborenen Kläger zu 3 ab dem 01. April 2016 Grundsicherungsleistungen nach dem SGB II. Die Klägerin zu 1 bezog bis zum 03. Mai 2016 Mutterschaftsgeld in Höhe von täglich 23,23 EUR, welches ihr am 16. März 2016 in Höhe von 1.300,88 EUR ausgezahlt wurde. Der Kläger zu 2 bezog Arbeitslosengeld, das per Verrechnungsscheck an die Klägerin zu 1 ausgezahlt wurde. Das für den Kläger zu 3 bewilligte Kindergeld in Höhe von monatlich 196 EUR wurde der Klägerin zu 1 erstmals im April 2016 (auch für März) ausgezahlt. Mit Bescheid vom 06. April 2016 bewilligte das Landesamt für Gesundheit und Soziales der Klägerin zu 1 Elterngeld in Höhe von 617,10 EUR für den 3. Lebensmonat (Auszahlung am 05. Mai 2016) und in Höhe von monatlich 637,67 EUR für die LM 4 bis 12 bzw. für die Zeit vom 03. Juni 2016 bis 03. Februar 2017. Die Elterngeldstelle hatte zuvor die Höhe des Elterngeldes auf der Grundlage des Erwerbseinkommens der Klägerin in der Zeit vom 01. Januar 2015 bis 31. Oktober 2015 ermittelt. Ab dem 01. November 2015 war die Klägerin zu 1 arbeitslos und bezog von der A. (BA) Arbeitslosengeld, nachdem der befristete Arbeitsvertrag nicht verlängert worden war.

Der Beklagte bewilligte den Klägern mit Bescheid vom 12. Mai 2016 für April 2016 Grundsicherungsleistungen nach dem SGB II in Höhe von 76,39 EUR. Mit Bescheid vom selben Tage lehnte der Beklagte den Antrag der Kläger für die Zeit vom 01. Mai bis 30. September 2016 ab, da die Kläger aufgrund ihrer Einkommensverhältnisse nicht hilfebedürftig seien. Die Kläger könnten mit dem Arbeitslosengeld des Klägers zu 2, dem Elterngeld der Klägerin zu 1 und dem Kindergeld für den Kläger zu 3 ihren Gesamtbedarf decken. Den gegen den Ablehnungsbescheid von den Klägern wegen der Anrechnung des Elterngeldes erhobenen Widerspruch wies der Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 31. Mai 2016 als unbegründet zurück. Zur Begründung führte er im Wesentlichen aus, dass auch das Elterngeld zu Recht nach Abzug der Versicherungspauschale mit Hinweis auf § 10 Abs. 5 Satz 1 Bundeselterngeld- und Elternzeitgesetz (BEEG) vollständig angerechnet worden sei. Die Rückausnahme in Satz 2 sei nicht anwendbar, da die Klägerin zu 1 ihre Erwerbstätigkeit nach dem Sinn und Zweck der Regelung nicht unterbrochen habe. Um dem Zweck des Elterngeldes, die Entscheidung für eine Unterbrechung einer Erwerbstätigkeit ohne allzu große Einkommensnachteile zu ermöglichen, auch im System der Grundsicherung Rechnung zu tragen, werde den Eltern, die vor der Geburt des Kindes erwerbstätig waren, ein Freibetrag gewährt, der sich an dem vor der Geburt des Kindes erzielten Einkommen orientiere, so dass ein entsprechender Betrag des Elterngeldes von der Anrechnung bei der Grundsicherungsleistung verschont bleibe.

Mit Bescheid vom 15. Juni 2016 bewilligte der Beklagte den Klägern für Juli 2016 Grundsicherungsleistungen nach dem SGB I...

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