Entscheidungsstichwort (Thema)

Sozialhilfe. Eingliederungshilfe. Teilhabe am Leben in der Gemeinschaft. heilpädagogische Leistungen für Vorschulkinder. Betreuung in einer integrativen Kindertagesstätte. Fahrtkosten

 

Orientierungssatz

1. Heilpädagogische Leistungen nach § 56 SGB 9 umfassen alle Maßnahmen, die die Entwicklung des Kindes und die Entfaltung seiner Persönlichkeit mit heilpädagogischen Mitteln anregen (vgl § 6 FrühV), wie etwa die integrative Förderung in einer Kindertageseinrichtung.

2. Fahrtkosten, die entstehen, weil anders eine Eingliederungshilfemaßnahme nicht durchgeführt werden kann, sind notwendiger Bestandteil dieser Maßnahme und deshalb dem Grunde nach wie diese - und nicht im Rahmen der Hilfe zum Lebensunterhalt - vom Sozialhilfeträger zu tragen (vgl BVerwG vom 14.10.1994 - 5 B 114/93).

 

Nachgehend

BSG (Urteil vom 27.02.2020; Aktenzeichen B 8 SO 18/18 R)

 

Tenor

I. Der Beklagte wird unter Aufhebung des Bescheids vom 21.10.2013 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 24.04.2014 verurteilt, an die Klägerin für die Fahrtkosten von zu Hause zur Einrichtung " G." A-Stadt im Zeitraum vom 01.09.2013 bis 31.08.2015 einen Aufwendungsersatz in Höhe von 2.310,00 € nebst Zinsen hieraus in Höhe von 4 % p.a. seit dem 01.09.2015 zu bezahlen.

II. Der Beklagte trägt die notwendigen außergerichtlichen Kosten der Klägerin dem Grunde nach.

 

Tatbestand

Die Beteiligten streiten im Rahmen der Eingliederungshilfe über die Kostenübernahme für den Fahrdienst zum Besuch des Integrativen Kindergartens "G.", A-Stadt, durch die Klägerin im Zeitraum vom 01.09.2013 bis zur Einschulung der Klägerin, d.h. bis 31.08.2015, in Form der Erstattung in Höhe von 2.310,00 €, nebst 4% Zinsen hieraus seit dem 01.09.2015, als Aufwendungsersatz für die von den Eltern der Klägerin selbst durchgeführten Fahrten.

I.

Die am 19.04.2008 geborene Klägerin leidet u.a. an einer Autismusspektrumsstörung (Asperger-Syndrom) und hat einen Grad der Behinderung von 80 mit den Merkzeichen "B", "G" und "H".

Die Klägerin erhält fortlaufend interdisziplinäre Frühförderung.

Seit September 2011 besuchte die Klägerin den Integrativen Kindergarten "G." in N. Im Rahmen der Eingliederungshilfe übernahm der Beklagte erstmals mit Bescheid vom 20.01.2012 die Kosten für die teilstationäre Betreuung der Klägerin in der Einrichtung. Eine Regelung hinsichtlich der Fahrtkosten enthielt der Bescheid nicht. Dasselbe galt auch für den Folgebescheid vom 24.08.2012.

Gleichwohl wurden die Fahrtkosten für den Fahrdienst zur Einrichtung in tatsächlicher Hinsicht übernommen.

Am 04.07.2013 beantragten die Eltern der Klägerin die Weiterbewilligung der Eingliederungshilfe beim Beklagten.

Mit Bescheid vom 08.07.2013 bewilligte der Beklagte die teilstationäre Betreuung der Klägerin weiter vom 01.09.2013 bis zur Einschulung. Eine Fahrtkostenregelung enthielt auch dieser Bescheid nicht.

Bereits mit Schreiben vom 12.07.2013 bat der Einrichtungsträger um Verlängerung der Fahrtkostenübernahme. Der entsprechende Antrag der Eltern der Klägerin ging beim Beklagten am 09.08.2013 ein. Die Klägerin sei aufgrund ihrer Behinderungen auf einen nicht wohnortnahen integrativen Kindergarten angewiesen. Die Eltern selbst könnten aufgrund ihrer persönlichen Verhältnisse nicht die Beförderung bewerkstelligen. Im Gegensatz zu den Eltern nichtbehinderter Kinder bestehe nicht die Möglichkeit, auf einen wohnortnäheren Platz auszuweichen. Es handele sich bei den Fahrten um einen behinderungsbedingten Mehraufwand. Ohne Fahrkostenübernahme könne die Klägerin diese spezielle und wichtige Förderung überhaupt nicht in Anspruch nehmen.

Im Übrigen sei die Wahl auf die konkrete Einrichtung gefallen, weil damals dort als einzigem integrativem Kindergarten ein freier Platz für die Klägerin vorhanden gewesen sei. Ein Wechsel in eine andere Einrichtung scheide zudem deswegen aus, weil die Klägerin im selben Hause auch noch ergänzend die integrative Frühförderung erhalte. Im Hinblick auf den Autismus der Klägerin sei eine Veränderung ohnehin problematisch.

Mit streitgegenständlichem Bescheid vom 21.10.2013 lehnte der Beklagte nach Anhörung die Fahrtkostenübernahme ab dem 01.09.2013 ab.

Die beantragten Mehrkosten seien keine behinderungsbedingten Mehraufwendungen. Auch Eltern nichtbehinderter Kinder müssten die Fahrtkosten zum von ihnen gewählten Kindergarten selbst tragen. Die Kostenübernahme in der Vergangenheit sei ohne Anerkennung eines Rechtsgrundes erfolgt, was dem Anbieter ausdrücklich mitgeteilt worden sei. Ein Anspruch aus diesem Grunde scheide aus. Zwar könne im Rahmen des Wunsch- und Wahlrechtes Wünschen der Leistungsberechtigten entsprochen werden, soweit diese angemessen sind. Eine Bewilligung der Fahrtkosten möge zwar grundsätzlich optimal sein, sei jedoch nicht Aufgabe der Sozialhilfe. Im Rahmen der Ermessensentscheidung sei aber das notwendige Maß der Hilfe bewilligt worden.

II.

Mit Schreiben vom 29.10.2013, eingegangen am 31.10.2013 legten die Eltern der Klägerin Widerspruch gegen den Bescheid vom 21.10.2013 ein.

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