Entscheidungsstichwort (Thema)

Elterngeld. Optimierung des Elterngeldanspruchs. Gesellschaftsvertrag unter den Eheleuten. Rechtsmissbrauch. Fremdvergleich

 

Orientierungssatz

1. Vor dem Hintergrund des Sinns und Zwecks des Elterngelds ist eine bloße Optimierung des Elterngeldanspruchs beispielsweise durch die Ausübung steuerlicher Gestaltungsrechte oder im Rahmen der Privatautonomie vorgenommene vertragliche Gestaltungen nicht per se als rechtsmissbräuchlich anzusehen.

2. Ein rechtsmissbräuchliches Vorgehen liegt jedoch dann besonders nahe, wenn (1) eine Gestaltung zeitnah vor oder im Bemessungs- bzw Bezugszeitraum erfolgt, (2) diese Gestaltung sich begünstigend auf die Höhe des Elterngeldanspruchs auswirkt und (3) für die Gestaltung keine nachvollziehbaren Gründe des Elterngeldberechtigten vorliegen und/oder (4) die Gestaltung zwar formal-rechtlich, aber nicht faktisch vollzogen wird.

3. Hierbei kann auf den vom Bundesfinanzhof für das Steuerrecht entwickelten Fremdvergleich zurückgegriffen werden, nach dem die Anerkennung von Vertragsverhältnissen zwischen nahen Angehörigen unter anderem voraussetzt, dass sowohl die Gestaltung als auch die tatsächliche Durchführung des Vereinbarten dem zwischen Fremden Üblichen entsprechen (vgl BFH vom 7.6.2006 - IX R 4/04 = BFHE 214, 173 = BStBl II 2007, 294 und vom 31.7.2007 - IX R 8/07 = BFH/NV 2008, 350).

 

Tenor

I. Die Klage gegen den Bescheid des Beklagten vom 30.11.2010 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 24.01.2011 in Gestalt des Bescheids vom 20.10.2011 wird abgewiesen.

II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.

 

Tatbestand

Streitig ist der Anspruch des Klägers auf Elterngeld nach dem Bundeselterngeld- und Elternzeitgesetz (BEEG).

Der verheiratete Kläger ist der Vater des am xx.xx.2010 geborenen Kindes C.. C. ist das zweite Kind des Klägers nach D. (geboren am xx.xx..2007). Der Kläger ist selbstständiger Landwirt. Ein weiteres Kind wurde am xx.xx.2012 geboren.

Mit Antrag vom 30.07.2010 beantragten beide Elternteile die Bewilligung von Elterngeld für C., wobei die Ehefrau des Klägers Elterngeld im ersten und zweiten Lebensmonat, der Kläger im dritten bis vierzehnten Lebensmonat beanspruchen wollte. Der Ehefrau des Klägers wurde mit Bescheid vom 01.09.2010 antragsgemäß Elterngeld in Höhe des Mindestbetrags zuzüglich Geschwisterbonus in Höhe von 375,00 Euro bewilligt.

Zum Nachweis seines Einkommens im Bemessungszeitraum legte der Kläger eine Bescheinigung des Steuerberaters E. vor, wonach sich im Kalenderjahr 2009 ein vorläufiger Gewinn in Höhe von 71.100,00 Euro ergab. Außerdem teilte der Steuerberater des Klägers mit, dass der Kläger im Bezugszeitraum keinen Gewinn erwirtschaften werde. Der Kläger habe am 01.07.2010 mit seiner Ehefrau eine Gesellschaft Bürgerlichen Rechts (GBR) gegründet. Die Ehefrau als Gesellschafterin werde im Bezugszeitraum des Klägers dessen Erwerbstätigkeit übernehmen. Des Weiteren erzielt der Kläger Einkommen aus Gewerbebetrieb (Photovoltaikanlage).

Der Beklagte bewilligte mit vorläufigem Bescheid vom 30.11.2010 dem Kläger Elterngeld für den dritten bis zwölften Lebensmonat lediglich in Höhe des Mindestbetrags von 300,00 Euro monatlich. Zur Begründung führte er aus, dass im Bezugszeitraum Einkommen aus Land- und Forstwirtschaft anzurechnen sei. Die Gründung der GBR und die Vereinbarung im Gesellschaftsvertrag, wonach der Ehefrau des Klägers der Gewinn aus dem landwirtschaftlichen Betrieb alleine zuzurechnen sei, stelle eine missbräuchliche Rechtsausübung dar. Für diese Gestaltung seien keine nachvollziehbaren Gründe vorgebracht worden. Über den Elterngeldantrag habe daher entschieden werden müssen, wie wenn diese Vereinbarung nicht getroffen worden wäre. Ein Anspruch auf Elterngeld für den dreizehnten und vierzehnten Lebensmonat (= Zeitraum 18.06.2011 bis 17.08.2011) bestehe nicht, da die für die Inanspruchnahme der zwei weiteren Lebensmonate notwendige Minderung des Einkommens aus Erwerbstätigkeit gemäß § 4 Abs. 2 Satz 3 BEEG nicht vorliege.

Gegen diesen Bescheid legte der Kläger mit Schreiben vom 20.12.2010 Widerspruch ein und trug vor, dass die GBR aufgrund der aktiven Mitarbeit seiner Frau gegründet worden sei. Nach langjähriger Mitarbeit in der Landwirtschaft könne diese die anfallenden Tätigkeiten in der Landwirtschaft während des Elterngeldbezugszeitraums ohne Weiteres ausüben.

Der Beklagte wies den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 24.01.2011 zurück. Er verwies darauf, dass der Kläger neben seiner Arbeitskraft zusätzlich umfangreiche Beiträge (Inventar, Eigentums-, Pachtflächen, Gebäude) in die Gesellschaft eingebracht habe, während dessen Ehefrau lediglich ihre Arbeitskraft einbringe. Der Kläger habe bisher als Alleineigentümer im Kalenderjahr 2008 Einkünfte von 64.292,00 Euro erzielt. Zwei Wochen nach Geburt sei die GBR mit seiner Ehefrau gegründet worden.

Mit seiner am 08.02.2011 beim Sozialgericht München eingegangenen Klage begehrt der Kläger weiterhin Elterngeld für zwölf Lebensmonate sowie die Außerachtlassung von Einkom...

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