Entscheidungsstichwort (Thema)

Gesetzliche Unfallversicherung. Unfallversicherungsschutz gem § 2 Abs 1 Nr 13 Buchst a SGB 7. Hilfeleistung bei gemeiner Gefahr. Zeuge der Erschießung eines Gewalttäters durch die Polizei. Verfolgung des Gewalttäters und Warnung von Dritten. innere Hilfeleistungsabsicht. Beendigung der Hilfeleistung

 

Leitsatz (amtlich)

1. Wer Dritte vor einem Gewalttäter warnen will und hierbei Zeuge der Erschießung des Gewalttäters durch die Polizei wird, ist gesetzlich unfallversichert.

2. Es ist nicht erforderlich, dass tatsächlich eine dritte Person gewarnt werden konnte, da die Hilfeleistungsabsicht ausreichend ist.

3. Eine Hilfeleistung ist nicht im Moment des Eintreffens der Polizei beendet, sondern erst wenn auch keine Gefahr mehr für die Polizeibeamten besteht und der Hilfeleistende den Gefahrenbereich verlassen hat.

 

Tenor

1. Der Bescheid vom 06.11.2012 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 23.04.2013 wird aufgehoben und festgestellt, dass es sich bei dem Ereignis vom 04.07.2012 um einen Versicherungsfall in der gesetzlichen Unfallversicherung gehandelt hat.

2. Die Beklagte hat dem Kläger dessen außergerichtliche Kosten zu erstatten.

 

Tatbestand

Die Beteiligten streiten um die Anerkennung eines Ereignisses vom 04.07.2012 als Versicherungsfall in der gesetzlichen Unfallversicherung.

Der am 01.11.1956 geborene Kläger war zum Zeitpunkt des streitgegenständlichen Ereignisses bei der V-Bank in deren Filiale in W. beschäftigt.

Ausweislich des in der Verwaltungsakte enthaltenen Ermittlungsergebnisses der Landespolizeidirektion Karlsruhe, Dezernat Sonderfälle/Organisierte Kriminalität, begab sich der T. (im Folgenden: Täter) am Vormittag des 04.07.2012 zunächst in ein Tabakgeschäft in der Innenstadt von W.. Dort fiel er durch seine Aggressivität auf. Nachdem er von einer Verkäuferin aufgefordert wurde, die an sich genommene Ware zu bezahlen, warf er die Ware auf die Verkaufstheke und verließ das Geschäft. Auf dem Weg Richtung Rathaus passierte er die Bäckerei Sachs. Hier warf er einen Stuhl auf zwei vor der Bäckerei sitzende Zeuginnen, wobei eine leicht an der Stirn getroffen wurde. Im Anschluss daran kam es zur Verfolgung des Täters durch mehrere Personen, unter denen sich auch der Kläger sowie der Zeuge Sch. befanden. Der Täter wurde mehrfach aufgefordert, stehen zu bleiben, woraufhin dieser aus seiner Jacke ein Messer zog und die ihn verfolgende Personengruppe bedrohte. Auf seinem weiteren Weg verletzte der Täter einen unbeteiligten Jugendlichen, indem er diesem mit den Fingernägeln in den Hinterkopf krallte und ihn zugleich aufforderte, zu verschwinden.

Der Zeuge Sch. und der Kläger verfolgten den Täter weiter, um andere Personen vor dem Täter zu warnen. Im weiteren Verlauf begab sich der Täter im Bereich des Marktplatzes in einen Hauseingang. In der Nähe des Hauseingangs saß eine ältere Dame, die vom Zeugen Sch. vor der drohenden Gefahr durch den Täter gewarnt wurde. Nach mehrmaligen Aufforderungen durch den Zeugen Sch. verließ die ältere Dame den Gefährdungsbereich. Der Kläger und der Zeuge Sch. verharrten in der Nähe des Täters. Kurz darauf traf eine Polizeistreife ein.

Der Kläger und der Zeuge Sch. beobachteten sodann, wie der Täter von Polizeibeamten aufgefordert wurde, das Messer, dass er noch in der Hand hielt und mit dem er zielstrebig auf die Beamten zuging, niederzulegen. Trotz mehrfacher Aufforderung und der Abgabe eines Warnschusses bewegte sich der Täter fortgesetzt in Richtung der Polizeibeamten und führte hierbei Stichbewegungen aus. Daraufhin gaben die Polizeibeamten mehrere Schüsse in Richtung des Täters ab. Der Täter verstarb aufgrund der Schussverletzungen noch am Ereignisort.

Am 01.08.2012 stellte sich der Kläger beim Durchgangsarzt Dr. A. vor. Dieser stellte die Verdachtsdiagnose einer Posttraumatischen Belastungsstörung.

Unter dem 06.11.2012 lehnte die Beklagte die Anerkennung des Ereignisses vom 04.07.2012 als Versicherungsfall in der gesetzlichen Unfallversicherung ab. Voraussetzung für die Anerkennung eines Versicherungsfalls sei ein innerer/sachlicher Zusammenhang zwischen der grundsätzlich versicherten Tätigkeit und der Verrichtung zur Zeit des Unfallereignisses. Das bloße verbale Hinwirken, um andere zu warnen, reiche zur Anerkennung einer Hilfeleistung im Sinne des § 2 Abs. 1 Nr. 13a SGB VII nicht aus. In den Staatsanwaltschaftsakten sei der Kläger lediglich ein Mal namentlich im Rahmen einer Zeugenbefragung erwähnt worden. Der Kläger selbst sei zu dem Vorfall nicht vernommen worden. Ein aktives Handeln zu Gunsten einer dritten Person sei nicht ersichtlich.

Mit Schreiben vom 21.11.2012 legte der Kläger gegen diesen Bescheid Widerspruch ein. Er legte einen Befundbericht des Universitätsklinikums Heidelberg vom 02.11.2012 vor. Diesem ist zu entnehmen, dass beim Kläger die Diagnosen einer Anpassungsstörung und einer Posttraumatischen Belastungsstörung gestellt wurden.

Mit Widerspruchsbescheid vom 23.04.2013 wies die Beklagte den Widerspruch des Klägers zurück. Sie wiederh...

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