Entscheidungsstichwort (Thema)

Bemessung des Arbeitslosengeldanspruchs. Gleichwohlgewährung. arbeitsgerichtliche Verschiebung des Beendigungszeitpunktes des Arbeitsverhältnisses. sozialrechtlicher Herstellungsanspruch. Hinweispflicht auf die Rechtsfolgen der Gleichwohlgewährung und bestehende Gestaltungsmöglichkeiten

 

Leitsatz (amtlich)

Ist aufgrund von Arbeitsbescheinigungen offensichtlich, dass der Arbeitslose bei Verlängerung der Kündigungsfrist im laufenden arbeitsgerichtlichen Verfahren nach arbeitsrechtlicher Beendigung einen deutlich höheren Anspruch auf Arbeitslosengeld hätte, hat die Agentur für Arbeit diesen auf die leistungsrechtlichen Folgen einer Gleichwohlgewährung und das Dispositionsrecht nach § 118 Abs 2 SGB 3 aF (= § 137 Abs 2 SGB 3 nF) hinzuweisen.

 

Tenor

1. Die Beklagte wird unter Abänderung der Bescheide vom 18.01.2012 und vom 23.01.2012 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 30.01.2012 verurteilt, dem Kläger höheres Arbeitslosengeld und einen höheren Gründungszuschuss auf der Grundlage einer Bemessung nach dem vom 01.12.2010 bis zum 30.11.2011 erzielten Arbeitsentgelt zu gewähren.

2. Die Beklagte hat die außergerichtlichen Kosten des Klägers

zu erstatten?

 

Tatbestand

Die Beteiligten streiten um die Bemessung des dem Kläger von der Beklagten bewilligten Arbeitslosengeldes und Gründungszuschusses nach dem Sozialgesetzbuch Drittes Buch (SGB III).

Der Kläger war vom 01.11.2008 bis zum 14.10.2010 als Büroangestellter bei der ... GmbH ... und ab 15.10.2010 beim ... als Startup-Manager für das ... beschäftigt. Das monatliche Bruttoentgelt bei der Firma ... belief sich auf 600,00 Euro (Arbeitsbescheinigung vom 07.04.2011). Beim ... verdiente der Kläger im Oktober 2010 983,18 Euro, im November 2010 2.016,97 Euro, im Dezember 2010 1.792,86 Euro, im Januar und Februar 2011 je 3.585,72 Euro und im März 2011 3.238,71 Euro. Ab dem 29.03.2011 erhielt er nach Ende der Lohnfortzahlung im Krankheitsfall kein Arbeitsentgelt mehr (Arbeitsbescheinigung vom 21.04.2011). Das ... kündigte das Arbeitsverhältnis mit Schreiben vom 01.04.2011 zum 30.04.2011.

Am 28.04.2011 meldete sich der Kläger bei der Beklagten arbeitslos mit Wirkung zum 01.05.2011, wobei er auf einen beim Arbeitsgericht Karlsruhe anhängigen Kündigungsschutzprozesses (Az. 8 Ca 150/11) hinwies.

Die Beklagte gewährte dem Kläger mit Bescheid vom 17.05.2011 ab dem 01.05.2011 Arbeitslosengeld mit einem Leistungsbetrag von 29,47 Euro täglich, den sie aus dem in der Zeit vom 01.05.2010 bis 28.03.2011 erzielten Arbeitsentgelt berechnete. Mit Schreiben vom 16.05.2011 machte sie außerdem gegenüber dem ... einen Übergang etwaiger Ansprüche des Klägers auf Arbeitsentgelt in Höhe der geleisteten Zahlungen geltend.

Am 07.07.2011 erkannte das ... die Unwirksamkeit der am 01.04.2011 ausgesprochenen Kündigung an. Vergleichsweise wurde am 20.10.2011 eine Beendigung des Arbeitsverhältnisses zum 30.11.2011 vereinbart.

Nach telefonischer Mitteilung der Unwirksamkeit der Kündigung hob die Beklagte die Bewilligung von Arbeitslosengeld mit Bescheid vom 27.07.2011 ab dem 01.07.2011 auf und richtete ein Erstattungsverlangen an das ..., das vollständig befriedigt wurde.

Das 15.09.2011 meldete sich der Kläger erneut mit Wirkung vom 01.12.2011 arbeitslos, wobei er eine aktualisierte Arbeitsbescheinigung vom 27.10.2011 vorlegte. Am 01.12.2011 beantragte er einen Gründungszuschuss.

Mit Bescheid vom 18.01.2012 bewilligte die Beklagte dem Kläger für den 01.12.2011 Arbeitslosengeld in Höhe von erneut 29,47 Euro ohne Berücksichtigung des zwischenzeitlich erzielten Arbeitsentgelts.

Mit Bescheid vom 23.01.2012 bewilligte sie dem Kläger außerdem für die Dauer vom 02.12.2011 bis zum 01.09.2012 einen Gründungszuschuss in Höhe von 1.184,10 Euro monatlich, der sich aus der Höhe des bisherigen monatlichen Arbeitslosengeldes zuzüglich 300,00 Euro Pauschale zur sozialen Sicherheit zusammensetzte.

Hiergegen wandte sich der Kläger mit Widerspruch vom 26.01.2012. Er trug vor, im Mai 2011 sei der Anspruch auf Arbeitslosengeld entstanden, da nach dem Anerkenntnisurteil des Amtsgerichts Karlsruhe vom 07.07.2011 die Kündigung zum 30.04.2011 unwirksam und er bis einschließlich November 2011 beim ... beschäftigt gewesen sei. Das gewährte Arbeitslosengeld habe sein ehemaliger Arbeitgeber auch vollständig erstattet.

Die Beklagte wies die Widersprüche mit Widerspruchsbescheid vom 30.01.2012 zurück. Zur Begründung führte sie aus, dass im arbeitsgerichtlichen Verfahren eine Weiterbeschäftigung erreicht worden sei und der Arbeitgeber die auf sie übergegangenen Ansprüche befriedigt habe, ändere nichts an der Tatsache, dass das Stammrecht auf Arbeitslosengeld am 01.05.2011 entstanden sei. Danach habe der Kläger bis zum Eintritt der Arbeitslosigkeit am 01.12.2011 keine neue Anwartschaftszeit erfüllt, so dass nur dieser Anspruch auf Arbeitslosengeld bestehe. Es bleibe daher bei der ursprünglichen Bemessung des Arbeitslosengeldes und dieser folgend des Gründungszuschusses.

Am 21.02.2012 hat der Kläger Klage zum Sozialger...

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