Entscheidungsstichwort (Thema)

Elterngeld. vorgeburtliches Einkommen. Mischeinkommen aus selbstständiger und nichtselbstständiger Erwerbstätigkeit. Maßgeblichkeit des letzten steuerlichen Veranlagungszeitraums. kein Günstigkeitsvergleich mit Zwölfmonatszeitraum. Ungleichbehandlung bei Verminderung der selbstständigen Tätigkeit vor der Geburt. Arbeitsunfähigkeit. Verschiebung des Bemessungszeitraums nur bei schwangerschaftsbedingter Erkrankung. Verfassungsrecht. Gleichheitssatz. Schutz der Familie. Sozialstaatsgebot

 

Leitsatz (amtlich)

1. Der Bemessungszeitraum für das vorgeburtliche Einkommen des Elterngeldberechtigten ist zwingend der letzte abgeschlossene steuerliche Veranlagungszeitraum vor der Geburt, wenn der Elterngeldberechtigte in diesem Zeitraum oder in den zwölf Monaten vor der Geburt Einnahmen aus einer selbstständigen Tätigkeit hatte. Ein Günstigkeitsvergleich zwischen den verschiedenen möglichen Bemessungszeiträumen - die zwölf Monaten vor der Geburt oder der letzte abgeschlossene steuerliche Veranlagungszeitraum - ist gesetzlich nicht vorgesehen.

2. § 2b Abs 3 BEEG verstößt im Hinblick auf den weitgehenden gesetzgeberischen Gestaltungsspielraum im Bereich des Sozialrechts nicht gegen verfassungsrechtliche Vorgaben (Anschluss an SG München vom 8.1.2015 - S 33 EG 17/14 = juris RdNr 23 ff).

3. Die Verschiebung des Bemessungszeitraums für das vorgeburtliche Einkommen nur bei einer Krankheit, die maßgeblich durch die Schwangerschaft bedingt war, ist verfassungsrechtlich zulässig.

 

Tenor

Die Klage wird abgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.

 

Tatbestand

Zwischen den Beteiligten ist der für die Berechnung des Elterngelds maßgebliche Bemessungszeitraum für die Ermittlung der Einkünfte der Klägerin (Kl.) vor der Geburt - die zwölf Monate vor der Geburt oder der letzte abgeschlossene steuerliche Veranlagungszeitraum - im Streit.

Die Kl. ist die Mutter der am 04.12.2014 geborenen M. A. Seit dem Jahr 2011 war sie bis zum Eintritt des Mutterschutzes versicherungspflichtig beschäftigt. Zusätzlich hatte sie im März 2013 eine selbstständige Tätigkeit als Autorin und Dozentin ausgeübt. In dem Zeitraum von Juni bis Dezember 2013 bezog sie wegen einer nicht schwangerschaftsbedingten Erkrankungen Krankengeld.

Am 14.01.2015 beantragte die Kl. die Bewilligung von Elterngeld für den 1. bis 12. Lebensmonat ihrer am 04.12.2014 geborenen Tochter. Durch Bescheid vom 03.02.2015 bewilligte ihr die Beklagte (Bekl.) Elterngeld für den 1. bis 12. Lebensmonat (04.12.2014 bis zum 03.12.2015) in folgender Höhe: 1. Lebensmonat: 0,00 €, 2. Lebensmonat: 123,90 €, 3. bis 12. Lebensmonat: 768,20 € monatlich. Als maßgeblichen Bemessungszeitraum für die Ermittlung der vorgeburtlichen Einkünfte sowohl aus selbstständiger als auch aus nichtselbstständiger Tätigkeit erachtete die Bekl. hierbei wegen des Einkommens der Kl. aus selbstständiger Tätigkeit im März 2013 das Kalenderjahr 2013. Sie zahlte das Elterngeld in halben Monatsbeträgen bei Verdoppelung des Auszahlungszeitraums aus.

Wegen der Bemessung des Elterngelds nach den Einkünften im Kalenderjahr 2013 erhob die Kl. am 24.02.2015 Widerspruch. Ihr Einkommen in den zwölf Monaten vor der Geburt ihrer Tochter sei erheblich höher gewesen als im Kalenderjahr 2013. Deswegen biete das ihr bewilligte Elterngeld keinen angemessenen Ersatz für den Wegfall des Einkommens vor der Geburt. In den zwölf Monaten vor der Geburt habe sie auch keine selbstständige Tätigkeit ausgeübt und zusätzlich habe sie wegen einer von Juni bis Dezember 2013 andauernden Arbeitsunfähigkeit Einkommenseinbußen hinnehmen müssen. Durch die Heranziehung des Kalenderjahres 2013 als Bemessungszeitraum werde im Weiteren gegen den allgemeinen Gleichbehandlungsgrundsatz verstoßen. Abhängig Beschäftigte mit einem Nebeneinkommen aus einer selbstständigen Tätigkeit würden schlechter gestellt als abhängig Beschäftigte ohne Ausübung einer selbstständigen Tätigkeit. Insbesondere erfolge diese Ungleichbehandlung auch dann, wenn - wie in ihrem Fall - in den letzten zwölf Monaten vor der Geburt die selbstständige Tätigkeit nicht mehr ausgeübt wurde. Als Bemessungszeitraum habe die Bekl. deshalb den Zeitraum von November 2013 bis einschließlich Oktober 2014, auch wenn sie im Oktober 2014 bereits Mutterschaftsgeld erhalten habe, anzuwenden. Zuletzt beantragte die Kl., ihr das Elterngeld in vollen und nicht in halben Monatsbeträgen auszuzahlen. Die Bekl. half dem Widerspruch durch Bescheid vom 27.02.2015 insofern ab, als sie die Auszahlung des Elterngelds auf volle Monatsbeträge änderte. Eine Änderung in der Höhe der bewilligten Leistungen ergab sich hierdurch nicht. Im Übrigen wies sie durch Widerspruchsbescheid vom 02.04.2015 den Widerspruch als unbegründet zurück. Nach den gesetzlichen Vorgaben sei das vorgeburtliche Einkommen bei Einkünften aus selbstständiger und nichtselbstständiger Tätigkeit zwingend nach dem letzten abgeschlossenen steuerlichen Veranlagungszeitraum vor der Geburt zu bemessen. Eine Günstigkeitsprüfung ha...

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