Entscheidungsstichwort (Thema)

Arbeitslosengeld. Minderung der Leistungsfähigkeit. Nahtlosigkeitsregelung. Fiktion der objektiven Verfügbarkeit. keine Anwendung bei subjektiver Verfügbarkeit

 

Leitsatz (amtlich)

1. Die Nahtlosigkeitsregelung findet keine Anwendung, wenn beide Versicherungsträger von einem objektiv vorhandenen Leistungsvermögen ausgehen und nur der Arbeitslose meint, sein Leistungsvermögen sei aufgehoben.

2. Aufgabe der Nahtlosigkeitsregelung ist es nicht, einen nahtlosen Leistungsbezug bis zum Abschluss eines rentenrechtlichen Verfahrens sicherzustellen.

 

Orientierungssatz

Darüber hinaus kann durch § 145 Abs 1 S 1 SGB 3, wenn sein Anwendungsbereich eröffnet ist, nur die objektive und nicht die subjektive Verfügbarkeit fingiert werden.

 

Tenor

Die Klage wird abgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.

 

Tatbestand

Zwischen den Beteiligten ist die Bewilligung von Arbeitslosengeld I ab dem 30.07.2012 aufgrund der Nahtlosigkeitsregelung im Streit.

Die am … 1958 geborene Klägerin (Kl.) war zuletzt bis zum 30.04.2012 als Sekretärin versicherungspflichtig beschäftigt. Seit dem 31.01.2011 war sie arbeitsunfähig und bezog bis zur Aussteuerung am 29.07.2012 Krankengeld. Ihren Antrag vom 26.04.2012 auf eine Rente wegen Erwerbsminderung lehnte die Deutsche Rentenversicherung Bund (DRV Bund) durch Bescheid vom 11.09.2012 ab, da sie auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt über ein arbeitstägliches Leistungsvermögen von mindestens sechs Stunden im Rahmen einer Fünf-Tage-Woche verfüge. Grundlage der Entscheidung der DRV Bund waren der Entlassungsbericht über eine vom 07.02.2012 bis zum 07.03.2012 durchgeführte stationäre Rehabilitationsmaßnahme (Entlassungsbericht vom 03.04.2012, Bl. 30 ff. der Gerichtsakte [d. GA.]) und ein internistisches Gutachten (Gutachten von Dr. S. vom 20.07.2012, Bl. 59 ff. d. GA.). Gegen den Bescheid der DRV Bund vom 11.09.2012 legte die Kl. am 19.09.2012 Widerspruch ein, ein Widerspruchsbescheid war zum Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung noch nicht ergangen.

Am 11.07.2012 meldete sich die Kl. mit Wirkung zum 30.07.2012 arbeitslos. Aus einem hierauf von der Beklagten (Bekl.) erstellten ärztlichen Gutachten (Gutachten von Dr. M. vom 24.07.2012, Bl. 37 der Verwaltungsakte [d. VA.]) ergab sich ein mindestens sechsstündiges arbeitstägliches Leistungsvermögen der Kl. auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt und für ihre zuletzt ausgeübte Beschäftigung im Rahmen einer Fünf-Tage-Woche. Nachdem die Kl. gegenüber der Bekl. in Kenntnis der gutachterlichen Feststellungen erklärt hatte, sich wegen ihrer gesundheitlichen Einschränkungen dem Arbeitsmarkt nicht zur Verfügung zu stellen, lehnte die Bekl. durch Bescheid vom 16.08.2012 den Antrag auf Arbeitslosengeld I vom 06.08.2012 ab. Die Kl. sei nicht arbeitslos.

Mit dem hiergegen erhobenen Widerspruch begehrte die Kl. die Bewilligung von Arbeitslosengeld I aufgrund der Nahtlosigkeitsregelung, da sie aus gesundheitlichen Gründen (somatoforme Schmerzstörung, mittelgradige Depression, Migräne) dem Arbeitsmarkt nicht zur Verfügung stehe. Während des Widerspruchsverfahrens erklärte sie auf Nachfrage der Bekl. nochmals, sie stelle sich auch dann dem Arbeitsmarkt nicht zur Verfügung, wenn hierdurch das laufende Rentenverfahren nicht beeinträchtigt werde. Durch Widerspruchsbescheid vom 29.08.2012 wies die Bekl. den Widerspruch als unbegründet zurück. Die Kl. sei nicht arbeitslos, da sie sich dem Arbeitsmarkt nicht zur Verfügung stelle. Die Nahtlosigkeitsregelung sei aufgrund der gutachterlichen Feststellungen nicht anwendbar.

Am 28.09.2012 hat die Kl. Klage zum Sozialgericht Karlsruhe erhoben. Sie bekräftigt ihre Ausführungen aus dem Widerspruchsverfahren.

Die Kl. beantragt,

die Bekl. unter Aufhebung des Bescheids vom 16.08.2012 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 29.08.2012 zu verurteilen, ihr ab dem 30.07.2012 Arbeitslosengeld I in gesetzlicher Höhe und Dauer zu bewilligen.

Die Bekl. beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie verweist auf ihre Ausführungen im angefochtenen Bescheid.

Zur weiteren Darstellung des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf den Inhalt der dem Gericht vorliegenden Verwaltungsakte der Bekl. sowie den der Gerichtsakte (S 11 AL 3545/12) Bezug genommen.

 

Entscheidungsgründe

Die zulässige kombinierte Anfechtungs- und Leistungsklage gemäß § 54 Abs. 1 S. 1 Var. 1 und Abs. 4 Sozialgerichtsgesetz (SGG) ist unbegründet. Der Bescheid der Bekl. vom 16.08.2012 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 29.08.2012 ist rechtmäßig und verletzt die Kl. nicht in ihren Rechten (§ 54 Abs. 2 S. 1 SGG). Zu Recht hat die Bekl. die Bewilligung von Arbeitslosengeld I ab dem 30.07.2012 abgelehnt.

1. Einen Anspruch auf Arbeitslosengeld I hat gemäß § 137 Abs. 1 Sozialgesetzbuch Drittes Buch (SGB III), wer (Nr. 1) arbeitslos ist, (Nr. 2) sich bei der Agentur für Arbeit arbeitslos gemeldet und (Nr. 3) die Anwartschaftszeit erfüllt hat. Arbeitslos ist wiederum, wer den Vermittlungsbemühungen der Agentur für Arbeit zur Verfügung steht (§ 138 Abs. 1 Nr...

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