Entscheidungsstichwort (Thema)

Elterngeld. rechtsmissbräuchliche Gestaltung von Gesellschaftsverhältnissen zu Lasten der Elterngeldstelle

 

Leitsatz (amtlich)

1. Vertragsgestaltungen, die einen Verzicht auf Ansprüche beinhalten, die bei Erhalt den etwaigen Anspruch auf Elterngeld mindern oder ausschließen, können als rechtsmissbräuchlich mit der Folge angesehen werden, dass sie gegenüber der jeweiligen Elterngeldstelle als unwirksam zu betrachten sind.

2. Eine rechtsmissbräuchliche Gestaltung kann hierbei allerdings erst angenommen werden, wenn bei einer Betrachtung der Gesamtumstände der Verzicht entweder allein oder zumindest überwiegend dem Ziel dient, durch den Verzicht die Voraussetzungen für einen Anspruch auf Elterngeld zu schaffen.

 

Tenor

1. Der Bescheid der Beklagten vom 10. Juli 2008 wird dahingehend abgeändert, dass der Klägerin für den dritten Lebensmonat ihrer Tochter H. 1.625,80 €, für den Zeitraum 13.01.2008 bis 12.08.2008 monatlich 1.800,00 € und für die Zeit vom 13.08. bis 31.08.2008 1.103,23 € Elterngeld bewilligt werden.

2. Die Beklagte trägt die notwendigen außergerichtlichen Kosten der Klägerin.

 

Tatbestand

Die Klägerin begehrt von der Beklagten die Bewilligung höheren Elterngeldes für den Zeitraum vom 13. Dezember 2007 bis zum 31. August 2008.

Die Klägerin übte im Jahr 2006 und im Jahr 2007 bis zum Mutterschutz sowohl eine selbständige als auch eine nicht selbständige Tätigkeit aus. Am 13. Oktober 2007 ist sie Mutter ihrer Tochter I. geworden und am 3. Dezember 2007 stellte sie bei der Beklagten einen Antrag auf Bewilligung von Elterngeld für das erste Lebensjahr ihrer Tochter. Die Klägerin ist Gesellschafterin in einer Gesellschaft mit beschränkter Haftung (Verwaltungs-GmbH) drei Kommanditgesellschaften (J.) und einer Gesellschaft bürgerlichen Rechts (K. Grundstücks GbR). Die Verwaltungs GmbH betreibt sie zusammen mit ihrem Bruder. Beide sind allein vertretungsberechtigte Geschäftsführer. Die Verwaltungs GmbH ist jeweils persönlich haftende Gesellschafterin der drei Kommanditgesellschaften, an denen die Klägerin ebenfalls jeweils als Kommanditistin beteiligt ist. Auch die GbR betreibt sie zusammen mit ihrem Bruder. Die zeitliche Tätigkeit für die einzelnen Gesellschaften legte sie mit Schreiben vom 5. März 2008 (Bl. 110 der Verwaltungsakte) dar. Darüber hinaus war sie vor der Geburt ihrer Tochter in zwei Betrieben (L. Transportgesellschaft mbH und M. Dienstleistungs- und Management GmbH) nichtselbständig beschäftigt. Belege über Einkommen vor und nach der Geburt legte die Klägerin genauso vor, wie vier Protokolle der Kommanditgesellschaften und der GbR (Bl. 95 bis 98 der Verwaltungsakte), in denen jeweils beschlossen wurde, dass die Klägerin für die Dauer des Mutterschutzes und der mit den jeweiligen Beschlüssen vereinbarten Elternzeit von 12 Monaten keine praktische Tätigkeit in den Unternehmen ausüben wird. Des Weiteren wird jeweils festgestellt, dass ein Anspruch auf Zuweisung von Gewinnanteilen im vorbesagten Zeitraum nicht besteht.

Die Beklagte bewilligte der Klägerin mit Bescheid vom 3. März 2008 vorläufig Elterngeld in Höhe von 31,05 € für den zweiten Lebensmonat, in Höhe von 908,96 € für den dritten Lebensmonat und in Höhe von 1.006,35 € für den 4. bis 12. Lebensmonat ihrer Tochter (Bl. 106 ff. der Verwaltungsakte) und forderte die Gesellschafterverträge, eine Mitteilung über den Umfang der Mitarbeit vor der Geburt sowie die Lohnsteuerbescheide für die Jahre 2007 und 2008 an. Mit Schreiben vom 5. März 2008 teilte die Klägerin den Umfang ihrer Tätigkeit pro Woche in den vier Unternehmen mit (Bl. 110 der Verwaltungsakte) mit und übersandte die Gesellschafterverträge für die Kommanditgesellschaften und die GbR.

Daraufhin teilte die Beklagte der Klägerin mit Bescheid vom 10. Juli 2008 mit, dass das Elterngeld für die ersten beiden Lebensmonate ihrer Tochter auf 0,- €, für den dritten Lebensmonat auf 270,97 € und für den Zeitraum vom vierten bis zwölften Lebensmonat auf den Sockelbetrag in Höhe von 300,- € endgültig festgesetzt werde. Gleichzeitig forderte die Beklagte von der Klägerin einen Betrag in Höhe von 4.007,14 € für überzahltes (vorläufig gezahltes) Elterngeld zurück. In der Auflistung der Elterngeldanteile auf der ersten Seite waren die Zahlen des Ursprungsbescheides aufgeführt. Die niedrigere endgültige Festsetzung begründete die Beklagte mit Einkommen nach der Geburt der Tochter der Klägerin. Die Klägerin habe zumindest nicht auf die Zuweisung eines Gewinnanteils in Höhe von 44.000,- € aus Kapitalverzinsung aufgrund ihres Anteiles an der N. GmbH & Co KG verzichten dürfen. Soweit dies von den Gesellschaftern vereinbart worden sei, liege eine rechtsmissbräuchliche Gestaltung vor, die bei der Bemessung des Elterngeldes keine Berücksichtigung finden dürfe. Hiergegen erhob die Klägerin am 7. August 2008 Widerspruch, den sie mit Schreiben vom 19. August 2008 sinngemäß damit begründete, dass ihre Arbeit in den Unternehmen durch andere habe geleistet werden müssen, und für die dementsprech...

Das ist nur ein Ausschnitt aus dem Produkt Haufe Personal Office Platin. Sie wollen mehr?

Anmelden und Beitrag in meinem Produkt lesen


Meistgelesene beiträge