Entscheidungsstichwort (Thema)

Landwirtschaftliche Unfallversicherung. Verletztenrente gem § 80a Abs 1 SGB 7. Ehegatte landwirtschaftlicher Unternehmer. Verfassungsmäßigkeit. beschränkter Anwendungsbereich. verfassungskonforme Auslegung

 

Leitsatz (amtlich)

1. § 80a Abs 1 SGB 7 ist wegen Verstoßes gegen Art 3 Abs 1 GG jedenfalls insoweit verfassungswidrig, als er Ehegatten landwirtschaftlicher Unternehmer erfasst.

2. Der Anwendungsbereich von § 80a Abs 1 SGB 7 kann vor dem Hintergrund der gesetzgeberischen Motive in verfassungskonformer Auslegung auf solche Ehegatten landwirtschaftlicher Unternehmer iS des § 2 Abs 1 Nr 5 Buchst a SGB 7 beschränkt werden, die ihr Einkommen allein aus der versicherten landwirtschaftlichen Tätigkeit erzielen.

 

Orientierungssatz

Az beim LSG Darmstadt: L 3 U 231/12.

 

Nachgehend

BSG (Urteil vom 20.03.2018; Aktenzeichen B 2 U 11/17 R)

 

Tenor

1. Die Beklagte wird verurteilt, unter Abänderung des Bescheides vom 22. September 2009 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 8. Dezember 2010 dem Kläger Verletztenrente nach einer MdE von 20 % ab dem 13. April 2009 zu zahlen. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

2. Die Beklagte hat dem Kläger seine notwendigen außergerichtlichen Kosten zu erstatten.

 

Tatbestand

Die Beteiligten streiten über den Anspruch des Klägers aus Verletztenrente infolge eines Arbeitsunfalls.

Der Kläger erlitt am 24. Mai 2008 einen Unfall bei Arbeiten mit einer Kreissäge. In dessen Folge kam es an der linken Hand zu einer vollständigen Abtrennung des Mittelfingers in Höhe des Mittelgliedes und am Zeigefinger zu einem offenen Bruch des Grundgliedes, einer Durchtrennung der Strecksehne in Höhe des Zeigefingergrundgliedes sowie des ellenwärtigen Gefäßnervenbündels in Höhe des körperfernen Grundgliedes. Als wesentliche Unfallfolgen sind ausweislich des Ersten Rentengutachtens vom 2. September 2009 an der linken Hand verblieben eine Teilsteife des Zeigefingers mit Abweichung der Zeigefingerachse um 40° zur Ellenseite hin ab dem Mitglied, eine Beugesteife des Zeigefingermittelgelenkes von 40°, der Verlust des linken Mittelfingers in Höhe des Mittelfingergrundgliedes, ein inkompletter Faustschluss, ein hälftig eingeschränkter Grobgriff sowie eine eingeschränkte Feingeschicklichkeit, Kälteempfindlichkeit und eine deutlich messbare Muskelminderung. Die Sachverständigen Prof. Dr. D. und Dr. E. der BGU WE. bewerteten diese Unfallfolgen mit einer Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) von insgesamt 20 %.

Die versicherte Tätigkeit, während der das vorbezeichnete Unfallereignis stattfand, übte der Kläger für ein landwirtschaftliches Unternehmen aus, dessen Inhaberin die bis dahin ungeteilte Erbengemeinschaft nach F. war; Mitglied dieser Erbengemeinschaft war die Ehefrau des Klägers, nicht aber der Kläger selbst. Im Unfallzeitpunkt stand der Kläger zudem in einem Arbeitsverhältnis zur Firma “G.„ in QW.

Mit Bescheid vom 22. September 2009 erkannte die Beklagte das Unfallereignis vom 24. Mai 2008 als Arbeitsunfall an und lehnte einen Anspruch auf Verletztenrente wegen der Folgen des Arbeitsunfalls ab. Zur Begründung führte sie im Wesentlichen aus, dass aufgrund des eingeholten Sachverständigengutachtens die MdE des Klägers nach dem Ende des Verletztengeldanspruchs, also dem 13. April 2009, nicht um wenigstens 30 % gemindert sei.

Den hiergegen erhobenen Widerspruch des Klägers wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 8. Dezember 2010 zurück. Zur Begründung führte sie aus, dass der vollständige Verlust von Zeige- und Mittelfinger mit einer MdE von 25 % zu bewerten sei. Demgegenüber sei der Kläger allerdings “deutlich besser„ gestellt, die Sachverständigen seien ohnehin nur aufgrund der bestehenden Kälteempfindlichkeit zur Bewertung mit einer MdE von 20 % gelangt, bei rein orthopädischer Betrachtung wäre lediglich eine MdE von 15 % gerechtfertigt gewesen. Da der Kläger im Unfallzeitpunkt als nicht nur vorübergehend mithelfender Familienangehöriger tätig gewesen sei, entstehe ein Rentenanspruch gem. § 80a SGB VII erst ab einer MdE von 30 %, was auf den Kläger nicht zutreffe.

Hiergegen hat der Kläger mit Schriftsatz seiner Bevollmächtigten vom 17. Dezember 2010, der am 28. Dezember 2010 bei dem Sozialgericht Fulda eingegangen ist, Klage erhoben und verfolgt sein Rentenbegehren weiter. Zur Begründung führt er im Wesentlichen aus, dass die verbliebenen Unfallfolgen die Bewertung mit einer MdE von 30 % rechtfertigten. Aber selbst wenn man dies nicht annehmen wollte, bestehe ein Anspruch des Klägers auf Verletztenrente, da § 80a SGB VII eine Ungleichbehandlung gegenüber sonstigen Versicherten der Gesetzlichen Unfallversicherung begründe, für die es an einer verfassungsrechtlichen Rechfertigung fehle.

Der Kläger beantragt,

die Beklagte zu verurteilen, unter Abänderung des Bescheides vom 22. September 2009 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 8. Dezember 2010 dem Kläger eine Verletztenrente nach einer MdE von mindestens 30 %,

hilfsweise nach einer MdE von mindestens 20 %,

ab dem 13. April 2009 zu zahlen.

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